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Traurigkeit

    Traurigkeit ist eine eher negativ bewertete Emotion, die durch niedrige Erregung gekennzeichnet ist und als eine der Grundemotionen gilt. Traurigkeit ist eine Emotion, die im täglichen Leben häufig zu finden ist, doch in vielen westlichen Gesellschaften steht das Streben nach Glück im Vordergrund, und Traurigkeit wird oft als unangemessen betrachtet. Tatsächlich ist Traurigkeit jedoch oft sehr funktional, denn sie fördert etwa das analytische Denken und stärkt die sozialen Bindungen. Wenn die Traurigkeit jedoch sehr lange anhält, kann die ursprünglich funktionale Reaktion dysfunktional werden (siehe dazu Grübeln). Menschen unterscheiden sich in der Häufigkeit, Intensität und Dauer ihrer Traurigkeitserlebnisse, wobei diese Unterschiede auf individuelle Merkmale wie Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt werden, u. a. auf Neurotizismus, Verträglichkeit und Offenheit. Weitere Persönlichkeitsmerkmale, die negativ mit Traurigkeit verbunden sind, sind Selbstwertgefühl und emotionale Intelligenz, wobei das Erleben und der Ausdruck von Traurigkeit durch soziokulturelle Faktoren beeinflusst wird, d. h., wie etwa die Art und Weise, wie Traurigkeit gesellschaftlich akzeptiert ist.

    Eine evolutionäre Perspektive auf Emotionen besagt, dass die physiologischen, psychologischen und verhaltensbezogenen Merkmale von Emotionen als evolutive Eigenschaften zu betrachten sind, die dem Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Evolutionsgeschichte nützlich waren. Insbesondere sind Individuen mit einer genetischen Ausstattung ausgestattet, die sie befähigt, bestimmte Emotionen als Reaktion auf bestimmte Situationen zu erleben. Die Art und Weise, manche Stimuli oder Situationen zu erleben, waren besser in der Lage, mit wiederkehrenden Herausforderungen und Chancen umzugehen und darauf zu reagieren, was wiederum ihren reproduktiven Erfolg erhöhte. Während man insbesondere die Vorteile von manchen Emotionen leicht erkennen kann, wie etwasbei den Emotionen Wut oder Angst (Vorbereitung des Organismus auf Kampf oder Flucht), sind die evolutionären Vorteile der Traurigkeit weniger eindeutig. Evolutionspsychologen sind sich jedoch einig, dass Traurigkeit ebenfalls in der Evolution verwurzelt ist, und betrachten sie als eine adaptive Reaktion auf Situationen, in denen ein (sozialer) Verlust erlitten wurde. In solchen Situationen besteht die allgemeine Funktion der Traurigkeit darin, sich vorübergehend aus sozialen Interaktionen zurückzuziehen und die eigene Situation neu zu bewerten, eine Möglichkeit zu bieten, Ziele und Strategien zu überprüfen, um weiteren Verlusten vorzubeugen. Darüber hinaus löst der Ausdruck von Traurigkeit bei anderen Menschen Gefühle des Mitgefühls aus, die sie dazu anregen, das Leid der Betroffenen zu lindern.

    Die Ursachen für Traurigkeit führt man in der Regel auf den Verlust eines wichtigen Menschen, eines Ziels oder einer Rolle zurück, also etwa dem Tod einer Bezugsperson oder dem Nichtbestehen einer Prüfung. Ereignisse lösen vor allem dann Traurigkeit aus, wenn sie auf eine bestimmte Weise wahrgenommen oder bewertet werden, also wenn ein Ereignis als hinderlich für das eigene Wohlbefinden empfunden wird oder wenn man sich nicht in der Lage fühlt, das Ereignis zu bewältigen oder zu verändern. Dieser Bewertungsprozess kann auf kontrollierte oder automatische Weise erfolgen. Ereignisse, die früheren traurigkeitsauslösenden Erfahrungen ähneln, führen oft automatisch zu Traurigkeit, während neue Ereignisse typischerweise eine bewusste Verarbeitung erfordern, um ihre (emotionale) Bedeutung zu ermitteln.

    Traurigkeit drückt sich in Verhaltensänderungen kleiner Gesichtspartien wie dem Absenken der Augenbrauen, dem Absenken der Lippenkanten und dem Anheben des Kinns bis hin zu sehr deutlichen Veränderungen wie Weinen oder Schluchzen aus. Traurigkeit wirkt sich auch auf die Stimme aus, da sie unter anderem die Sprechlautstärke verringert und die Sprechgeschwindigkeit senkt. Insgesamt reduziert Traurigkeit das Annäherungsverhalten und führt eher zu passivem oder vermeidendem Verhalten. In Bezug auf kognitive Folgen reduziert Traurigkeit etwa stereotypisches Denken und erleichtert dabei die analytische und systematische Verarbeitung eingehender Informationen sowie die Perspektivenübernahme und die Neuausrichtung von Zielen. Allerdings fördert Traurigkeit auch negative Voreingenommenheit bei der Urteilsbildung wie der Unterschätzung des eigenen Leistungsvermögens oder beim Nachdenken über die Vergangenheit, wobei negative Ereignisse in den Vordergrund treten.

    Auf der Ebene des zentralen Nervensystems wird Traurigkeit mit der Aktivität in einigen Hirnregionen in Verbindung gebracht, etwa dem Putamen und dem dorsomedialen präfrontalen und der mittleren temporalen Cortex, auch wenn die Aktivität in diesen Arealen nicht spezifisch ist, sondern auch andere emotionale und nicht-emotionale Prozesse charakterisiert. Auf der Ebene des peripheren Nervensystems ist Traurigkeit mit einem heterogenen Muster der sympathisch-parasympathischen Koaktivierung verbunden, etwa mit Erhöhungen oder Verminderungen der Herzfrequenz, der Atemfrequenz und des Hautleitwerts. Die aktivierende Reaktion tritt typischerweise beim Weinen auf und ähnelt dem physiologischen Aktivitätsmuster, das für Angst charakteristisch ist.

    Siehe auch Melancholie und Weltschmerz.

    Literatur

    Barr-Zisowitz, C. (2000). Sadness – is there such a thing? In M. Lewis & J. M. Haviland-Jones (Eds.), Handbook of emotions (S. 607-622). NewYork: Guilford Press.
    Verduyn, P. & Lavrijsen, S. (2015). Which emotions last longest and why: The role of event importance andrumination. Motivation and Emotion, 39, 119127.

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