Concorde-Effekt

Anzeige

Der Concorde-Effekt – auch Sunk-Cost-Effekt, Eskalation des Commitments oder Kostenfalle – bezeichnet die Tendenz von Menschen und Organisationen, an einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten, obwohl neue Informationen nahelegen, dass diese Entscheidungen ungünstig, ineffizient oder sogar schädlich sind. Ausschlaggebend ist dabei nicht eine rationale Abwägung zukünftiger Kosten und Nutzen, sondern die bereits investierten Ressourcen wie Zeit, Geld, Anstrengung oder emotionales Engagement. Diese sogenannten versunkenen Kosten können objektiv nicht zurückgewonnen werden, beeinflussen jedoch weiterhin das Verhalten und die Entscheidungsfindung. Der Begriff geht dabei auf das britisch-französische Überschallflugzeug Concorde zurück, dessen Entwicklung und Betrieb trotz explodierender Kosten, technischer Probleme und geringer Wirtschaftlichkeit über Jahre fortgesetzt wurde. Politische Entscheidungsträger hielten an dem Projekt fest, weil bereits enorme finanzielle Mittel und nationales Prestige investiert worden waren. Aus rational-ökonomischer Perspektive hätte der Abbruch des Projekts langfristig geringere Verluste bedeutet, psychologisch jedoch wurde das Aufgeben als Eingeständnis eines Fehlers erlebt, was vermieden werden sollte.

Psychologisch lässt sich der Concorde-Effekt durch mehrere Mechanismen erklären. Ein zentraler Faktor ist die Verlustaversion: Menschen empfinden Verluste stärker als gleich große Gewinne und versuchen daher, bereits entstandene Verluste zu „rechtfertigen“, indem sie weiter investieren. Hinzu kommt das Bedürfnis nach Konsistenz im Selbstbild. Wer sich einmal entschieden hat, möchte sich als kompetent, vorausschauend und rational erleben. Das Aufgeben einer Entscheidung kann als persönliches Versagen interpretiert werden und bedroht das Selbstwertgefühl. In sozialen und organisationalen Kontexten spielen zudem Rechtfertigungsdruck, Verantwortungsdiffusion und öffentliche Sichtbarkeit eine Rolle, denn je stärker eine Entscheidung vor anderen vertreten wurde, desto schwieriger fällt es, von ihr abzurücken.

Alltägliche Beispiele finden sich in vielen Lebensbereichen. Eine Person sieht einen schlechten Film im Kino bis zum Ende, weil sie bereits für das Ticket bezahlt hat, obwohl der verbleibende Nutzen gering ist. Studierende halten an einem ungeliebten Studienfach fest, da sie bereits mehrere Semester investiert haben, obwohl ein Wechsel langfristig zu höherer Zufriedenheit führen würde. In Partnerschaften kann der Concorde-Effekt dazu beitragen, dass Menschen in unglücklichen oder sogar schädlichen Beziehungen bleiben, weil sie bereits „so viel hineingesteckt“ haben. Auch im wirtschaftlichen Kontext ist das Phänomen verbreitet, etwa wenn Unternehmen verlustreiche Projekte weiterfinanzieren oder Anleger an fallenden Aktien festhalten, um einen realisierten Verlust zu vermeiden.

Der Concorde-Effekt gilt als systematische Verzerrung rationaler Entscheidungsfindung. Aus normativer Sicht sollten vergangene Kosten bei Entscheidungen keine Rolle spielen; relevant ist allein der erwartete zukünftige Nutzen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Menschen Schwierigkeiten haben, sich von irreversiblen Investitionen zu lösen. Strategien zur Reduktion des Effekts umfassen unter anderem eine bewusste Fokussierung auf zukünftige Konsequenzen, externe Beratung, klare Abbruchkriterien vor Projektbeginn sowie Entscheidungsstrukturen, die es erlauben, Kurskorrekturen ohne Gesichtsverlust vorzunehmen. Der Concorde-Effekt ist damit ein zentrales Konzept der Entscheidungspsychologie und Verhaltensökonomie, das verdeutlicht, wie stark menschliches Denken von emotionalen, sozialen und motivationalen Faktoren geprägt ist und warum Entscheidungen selbst dann stabil bleiben können, wenn sie objektiv betrachtet nicht mehr sinnvoll sind.

Literatur

Arkes, H. R., & Blumer, C. (1985). The psychology of sunk cost. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 35(1), 124–140.
Brockner, J. (1992). The escalation of commitment to a failing course of action: Toward theoretical progress. Academy of Management Review, 17(1), 39–61.
Kahneman, D. (2011). Thinking, fast and slow. New York, NY: Farrar, Straus and Giroux.
Staw, B. M. (1976). Knee-deep in the big muddy: A study of escalating commitment to a chosen course of action. Organizational Behavior and Human Performance, 16(1), 27–44.


Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

Schreibe einen Kommentar