Die Entscheidungspsychologie ist ein Teilbereich der Psychologie, der sich mit den kognitiven Prozessen und Mechanismen befasst, die menschlichen Entscheidungen zugrunde liegen. Dieser Forschungsbereich untersucht, wie Individuen Informationen verarbeiten, bewerten und letztendlich Entscheidungen treffen. Die Entscheidungspsychologie hat ihre Wurzeln in verschiedenen Teildisziplinen, darunter Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Neurowissenschaften, und hat sich zu einem eigenständigen und einflussreichen Forschungsfeld entwickelt.
Ein zentrales Konzept in der Entscheidungspsychologie ist die begrenzte Rationalität, die von Herbert Simon in den 1950er Jahren eingeführt wurde. Simon argumentierte, dass Menschen aufgrund kognitiver Einschränkungen und unvollständiger Informationen oft nicht in der Lage sind, vollständig rationale Entscheidungen zu treffen (Simon, 1955). Stattdessen streben sie nach zufriedenstellenden Lösungen, die gut genug sind, um ihre Ziele zu erreichen.
Die Prospect-Theorie, entwickelt von Daniel Kahneman und Amos Tversky in den 1970er Jahren, ist ein weiterer Meilenstein in der Entscheidungspsychologie, wobei diese Theorie erklärt, wie Menschen Entscheidungen unter Risiko treffen und zeigt, dass Verluste stärker gewichtet werden als gleichwertige Gewinne (Kahneman & Tversky, 1979). Diese Erkenntnis hat weitreichende Implikationen für Bereiche wie Finanzentscheidungen und Risikomanagement.
Ein wichtiger Aspekt der Entscheidungspsychologie ist die Untersuchung von Heuristiken und kognitiven Verzerrungen, wobei Heuristiken mentale Abkürzungen sind, die Menschen verwenden, um schnelle Entscheidungen zu treffen. Während diese oft effizient sind, können sie auch zu systematischen Fehlern oder Verzerrungen führen. Beispiele hierfür sind der Ankereffekt, bei dem erste Informationen unverhältnismäßig stark die Entscheidung beeinflussen, oder der Bestätigungsfehler, bei dem Menschen dazu neigen, Informationen zu suchen, die ihre bestehenden Überzeugungen bestätigen (Tversky & Kahneman, 1974).
Die Entscheidungspsychologie berücksichtigt auch den Einfluss von Emotionen auf Entscheidungsprozesse, denn zahlreiche Forschungen haben gezeigt, dass Emotionen eine bedeutende Rolle bei Entscheidungen spielen können, indem sie die Aufmerksamkeit lenken, die Informationsverarbeitung beeinflussen und als Heuristiken dienen (Lerner et al., 2015).
In jüngerer Zeit hat die Entscheidungspsychologie von Fortschritten in den Neurowissenschaften profitiert, denn bildgebende Verfahren des Gehirns haben es ermöglicht, die neuronalen Grundlagen von Entscheidungsprozessen zu untersuchen und ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie verschiedene Gehirnregionen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind (Glimcher & Fehr, 2013).
Die Erkenntnisse der Entscheidungspsychologie finden Anwendung in vielen Bereichen, darunter Marketing, Gesundheitswesen, Politikgestaltung und Verhaltensökonomie. Das Konzept des Nudging, entwickelt von Richard Thaler und Cass Sunstein, nutzt Erkenntnisse aus der Entscheidungspsychologie, um Menschen sanft in Richtung besserer Entscheidungen zu lenken, ohne ihre Wahlfreiheit einzuschränken (Thaler & Sunstein, 2008).
Suzy Welch hat die 10-10-10-Methode entwickelt, bei der es wichtig ist, realistische Zukunftsszenarien zu entwickeln, die den eigenen Zielen nahekommen. Die 10-10-10-Methode hat ihren Namen davon, dass man bei größeren Entscheidungen überlegt, welche möglichen Konsequenzen die Entscheidungsalternativen besitzen: Welche Auswirkungen hat meine Entscheidung für mich innerhalb der nächsten 10 Minuten, innerhalb der nächsten 10 Monate und innerhalb der nächsten 10 Jahre? Dabei sollte man auch die eigenen Werte und moralischen Vorstellungen berücksichtigen, um Entscheidungen zu treffen, die nicht nur erfolgversprechend sind, sondern auch mit dem eigenen Selbstbild übereinstimmen.
Literatur
Glimcher, P. W., & Fehr, E. (Eds.). (2013). Neuroeconomics: Decision making and the brain. Academic Press.
Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47(2), 263-291.
Lerner, J. S., Li, Y., Valdesolo, P., & Kassam, K. S. (2015). Emotion and decision making. Annual Review of Psychology, 66, 799-823.
Simon, H. A. (1955). A behavioral model of rational choice. The Quarterly Journal of Economics, 69(1), 99-118.
Stangl, W. (2018, 18. August). Psychologie der Entscheidung. Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/764/psychologie-der-entscheidung.
Thaler, R. H., & Sunstein, C. R. (2008). Nudge: Improving decisions about health, wealth, and happiness. Yale University Press.
Tversky, A., & Kahneman, D. (1974). Judgment under uncertainty: Heuristics and biases. Science, 185(4157), 1124-1131.