Eine Pseudoallergie bezeichnet in der Psychologie und Medizin eine Überempfindlichkeitsreaktion des Körpers, die in ihren Symptomen einer echten allergischen Reaktion stark ähnelt, jedoch ohne Beteiligung des Immunsystems abläuft. Im Gegensatz zu „echten“ Allergien, bei denen eine spezifische immunologische Sensibilisierung mit Bildung von IgE-Antikörpern stattfindet, wird eine Pseudoallergie nicht durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion ausgelöst. Das bedeutet, dass keine immunologische Gedächtnisbildung erfolgt und die Reaktion schon beim ersten Kontakt mit der auslösenden Substanz auftreten kann (Brockow & Ring, 2011). Da die Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind, wird der Begriff „Pseudoallergie“ in der Fachliteratur teilweise synonym zu „Intoleranzreaktion“ verwendet. Andere Fachleute sprechen auch von „Idiosynkrasie“, um Reaktionen zu beschreiben, deren Ursache unbekannt oder individuell verschieden ist (Brockow & Ring, 2011). Entscheidend ist in allen Fällen die genaue Differenzialdiagnostik, um echte allergische, toxische oder psychosomatische Ursachen auszuschließen und geeignete Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Die physiologischen Mechanismen, die Pseudoallergien zugrunde liegen, sind bislang nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass bestimmte Substanzen direkt auf Mastzellen oder andere Effektorzellen des Immunsystems wirken können, wodurch Botenstoffe wie Histamin ausgeschüttet werden – ohne dass zuvor eine Sensibilisierung notwendig wäre (Zuberbier & Maurer, 2017). Diese Reaktionen sind in der Regel dosisabhängig, das heißt: je höher die aufgenommene Menge der auslösenden Substanz, desto stärker können die Symptome ausfallen.
Die typischen Auslöser von Pseudoallergien sind vielfältig. Besonders häufig treten sie nach dem Konsum bestimmter Medikamente (z. B. Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika oder Röntgenkontrastmittel) oder Lebensmittelzusatzstoffe wie Konservierungsmittel, Farbstoffe und Geschmacksverstärker auf. Auch natürliche Inhaltsstoffe, etwa biogene Amine in Rotwein, Schokolade oder gereiftem Käse, können pseudoallergische Reaktionen auslösen (Hennino et al., 2012).
Die Symptomatik ähnelt häufig einer allergischen Sofortreaktion (Typ-I-Reaktion). Zu den typischen Erscheinungen zählen Nesselsucht (Urtikaria), Schwellungen der Schleimhäute (Angioödeme), Fließschnupfen (Rhinitis), Magen-Darm-Beschwerden wie Krämpfe oder Durchfall sowie asthmatische Symptome. In seltenen Fällen kann es sogar zu Kreislaufreaktionen kommen, die einem anaphylaktischen Schock ähneln. Da die Symptome meist nicht von denen einer echten Allergie zu unterscheiden sind, gestaltet sich die Diagnose schwierig (Ring et al., 2010).
In der Diagnostik helfen die üblichen Allergietests wie Hauttests oder IgE-Bestimmungen im Blut nicht weiter, da diese immunologische Mechanismen erfassen, die bei Pseudoallergien fehlen. Stattdessen kommen sogenannte Provokationstests zum Einsatz, bei denen der Patient unter kontrollierten Bedingungen mit der vermuteten Substanz konfrontiert wird. Zusätzlich kann ein Ernährungs- oder Symptomtagebuch (z. B. Urtikaria-Tagebuch) helfen, Zusammenhänge zwischen Aufnahme und Reaktion zu erkennen (Zuberbier & Maurer, 2017).
Ein Beispiel für eine Pseudoallergie ist die Unverträglichkeit gegenüber Acetylsalicylsäure, bei der schon geringe Dosen Kopfschmerzen, Atemnot oder Hautreaktionen auslösen können, ohne dass eine Immunreaktion vorliegt. Ebenso können Konservierungsstoffe wie Benzoate in Softdrinks oder Tartrazin als Farbstoff in Süßwaren bei empfindlichen Personen pseudoallergische Symptome hervorrufen.
Literatur
Brockow, K., & Ring, J. (2011). Allergische und pseudoallergische Reaktionen auf Medikamente. Deutsches Ärzteblatt, 108(33), 533–543.
Hennino, A., Bérard, F., Guillot, I., Saad, N., Rozieres, A., & Nicolas, J. F. (2012). Pathophysiology of pseudo-allergic drug reactions. Allergy, 67(4), 451–458.
Ring, J., Brockow, K., Behrendt, H., & Zuberbier, T. (2010). Pseudoallergische Reaktionen: Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Allergo Journal, 19(7), 353–361.
Zuberbier, T., & Maurer, M. (2017). Urticaria and pseudoallergic reactions. Springer.