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Schizophrenie

    Vorbemerkung: Keine seelische Krankheit ruft so viel negatives Interesse, Unsi­cherheit, Ratlosigkeit, Verlegenheit, Furcht, Scham, gereizte Reaktionen und Aggressivität wie die Schizophrenie hervor, doch haben die meisten Menschen außer vagen Vorstellungen wie Spaltungsirresein keine konkreten Kenntnisse darüber. Allerdings ist es sehr schwierig, einer Krankheit gerecht zu werden, die weltweit etwa 60 Millionen Menschen betrifft, und nach außen weitgehend unauffällig ist, d. h., die Menschen überwie­gend innerlich beeinträchtigt, von einigen wenigen Ausnahmesituationen ab­gesehen, in denen Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen und angsterfüllte, aggressive Durchbrüche die Umgebung erschrecken.

    Kurzdefinition: Da der Begriff Schizophrenie übersetzt „Spaltung der Seele“ bedeutet, spiegelt er ein falsches Bild der Erkrankung wider, denn ein an Schizophrenie erkrankter Mensch ist nicht in zwei Persönlichkeiten gespalten, vielmehr bedeutet schizophren, dass ein Mensch zwei Wirklichkeiten wahrnimmt, eine reale Wirklichkeit, wie auch sie Gesunde erleben, und eine Wirklichkeit mit Sinneseindrücken, Gefühlen und Erlebnissen, die Gesunde nicht nachvollziehen können. Zusätzlich sind bei einer Schizophrenie auch das Denken, das Fühlen und die Stimmung verändert, wobei etwa jeder hundertste Mensch im Lauf seines Lebens eine schizophrene Episode erlebt. Der erste Krankheitsschub, also eine akute Krankheitsphase, beginnt typischerweise zwischen der Pubertät und dem dreißigsten Lebensjahr, bei Frauen etwas später als bei Männern, wobei Schweregrad und der Verlauf der Erkrankung sehr unterschiedlich sein können.

    Der Begriff Schizophrenie wird im allgemeinen für eine ganze Reihe von psychischen Erkrankungen verwendet, die mit Realitätsverlust, Trugbildern, Wahnvorstellungen, Bewusstseinsstörungen, Störungen des Denkens und der Gefühlswelt verbunden sind, wobei Schizophrenie auch als Stoffwechselstörung des Gehirns verstanden wird, bei der einige Botenstoffe im Gehirn vermehrt und andere vermindert auftreten (siehe unten). Schizophrenie ist allgemein betrachtet eine äußerst heterogene Erkrankung, der stets mehrere Ursachen zu Grunde liegen, oft mit zunächst wenig bedeut­sam erscheinenden Effekten. Entscheidend ist nach heutiger Kenntnis offenbar ein Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren: genetisch, Schwangerschaft, Geburt, Erkrankungen mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem, das Umfeld, frühe oder zu späte Diagnose und damit Behand­lung, Verlauf mit zusätzlichen psychosozialen Belastungsfaktoren. Übrigens kann ein 24-stündiger Schlafentzug bei gesunden Menschen zu Zuständen führen, die einer Schizophrenie ähnlich sind.

    Schizophrenie tritt nach Schätzungen weltweit bei etwa 45 Millionen Menschen auf und ist damit die dritthäufigste psychische Erkrankung, bei der die Betroffenen oftmals Stimmen hören, unter Verfolgungs- oder Größenwahn leiden, Zwangshandlungen und schwere Depressionen entwickeln. Auch neurokognitive Störungen bei Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistungen sind ein weiteres wesentliches Merkmal der verschiedenen Formen der Schizophrenie, wobei es meist zu einer kontinuierlichen Entwicklung solcher kognitiven Defizite kommt, beginnend bei einer ersten psychotischen Episode. In vorübergehend auftretenden Krankheitsschüben (Psychosen) verlieren die Betroffenen den Kontakt zur Realität und sehen Dinge, die nicht da sind, fühlen sich fremdgesteuert oder verfallen Wahnideen. Ein großer Teil hört Stimmen, d.h., die Betroffenen projizieren ihre Gedanken nach außen und nehmen diese als fremde Stimmen wahr, die ihr Verhalten abfällig kommentieren oder Befehle erteilen, was im extremsten Fall bis zum Suizid führen kann. Der Ausbruch der Krankheit lässt sich kaum sicher prognostizieren, sondern ist vom Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren abhängig: von einer genetischen Veranlagung, von belastenden Einflüssen aus dem Lebensumfeld und von der persönlichen Fähigkeit, mit Stress umzugehen, wobei einer dieser Faktoren niemals alleine eine Schizophrenie auslösen kann. Betroffene erkranken insbesondere zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr, Männer durchschnittlich fünf Jahre früher als Frauen. Junge Erwachsene müssen in dieser Zeit große Umbrüche bewältigen, etwa die Reifeprüfung, die Berufswahl oder die erste eigene Wohnung finden, was sie oftmals überfordert, doch auch ein angespanntes Familienklima kann den Krankheitsausbruch begünstigen. In einer Metaanalyse von Studien wurde nachgewiesen, dass viele Psychotiker schon früh deutliche neurokognitiven Beeinträchtigungen aufweisen, besonders in in Bezug auf Gedächtnis und Sprachkompetenz. Möglicherweise können solche kognitiven Marker die Früherkennung von Psychosen verbessern.


    Emil Kraepelin prägte bekanntlich den Begriff „Dementia praecox“ für junge Erwachsene, die sich immer stärker aus der Wirklichkeit zurückziehen und in einen irreversiblen, demenzähnlichen Zustand verfallen. Anfang des 20. Jahrhunderts kann es dann zu einer Widerlegung dieser Definition und man ging man dazu über, den Begriff „Schizophrenie“ für diese Menschen zu gebrauchen, da die Erkrankung nicht bei allen Betroffenen einen derart schlechten Verlauf nahm. Kraepelin hatte die Idee einer frontotemporalen Erkrankung, denn er ging davon aus, dass der Grund für die zum Teil dramatischen Entwicklungen bzw. Rückschritte der Betroffenen in den frontalen und Schläfenlappen-Arealen des Gehirns sitzt. Dort wird die Persönlichkeit, das Sozialverhalten und die Empathie gesteuert, Allerdings ging diese Idee aber verloren, da in den Gehirnen dieser Menschen keine pathologischen Anzeichen für neurodegenerative Prozesse wie bei der Alzheimer-Krankheit gefunden wurden. Jüngst fanden Koutsouleris et al. (2022) aber wieder Gemeinsamkeiten zwischen Schizophrenie und frontotemporaler Demenz, denn die frontotemporale Demenz, insbesondere die behaviourale Variante, ist im Anfangsstadium schwer zu erkennen, denn sie wird häufig mit einer Schizophrenie verwechselt. Bei Betroffenen beider Gruppen verändert sich die Persönlichkeit sowie Verhaltensweisen und eine oft dramatische Entwicklung für Betroffene und Angehörige setzt ein. Da beide Erkrankungen in den frontalen, temporalen und Inselregionen des Gehirns verortet werden, scheinen sie auf einem ähnlichen Symptomspektrum zu liegen. Man fand dabei auf neuroanatomischer Ebene bestätigt, was Kraepelin als Erster dezidiert beschrieben hatte: keinerlei Verbesserung des Zustandes einiger Patienten, ganz im Gegenteil. Ähnliche neuronale Strukturen waren betroffen, insbesondere das sogenannte Default-Mode-Netzwerk und das Salienznetzwerk des Gehirns, verantwortlich für Aufmerksamkeitssteuerung, Empathie und Sozialverhalten, zeigten Volumenabnahmen im Bereich der grauen Substanz, die die Nervenzellen beherbergt. Bei der behaviouralen Variante gehen bestimmte Neuronen unter, bei der Schizophrenie sind diese Nervenzellen ebenfalls verändert.


    1. Definition
    „Schizophrenie w; ..ien: früher als Spaltungsirresein oder Jugendirresein bezeichnete Form der körperlich nicht begründbaren Psychosen, die oft in jüngeren Lebensalter beginnen und mit Denk- und Affektstörungen, Wahnvorstellungen und Sinnestäuschungen einhergehen. Die Krankheit ist chronisch, häufig progressiv und führt nicht selten zu geistigen Defekten und Wesensveränderungen“ (Duden,2007,S.701).

    2. Definition
    „Schizophrenieartige Psychosen sind seit dem Altertum bekannt. Sie wurden aber bis zur Wende des 20. Jahrhunderts nicht als einheitliche Krankheitsgruppe gesehen. Erst der Münchner Psychiater Emil Kraepelin vereinigte vorher getrennt behandelte Krankheitsbilder unter dem Begriff <<Dementia praecox>>.“
    „1911 veröffentlichte der Zürchner Psychiater Eugen Bleuler ein epochenmachendes Werk >Dementia praecox oder Gruppe der Schizophrenien> und führte den Begriff der <<Schizophrenien>> ein.“
    „Der Begriff <<Schizophrenie>> sollte die Dissoziation im inneren Erleben und die Entfremdung zwischen zwischen dem betroffenen Menschen und seiner Umwelt ausdrücken.“
    (Hell, 2007, S. 99)

    3. Definition
    „Die Schizophrenie gehört zu den endogenen (=endomorphen) Psychosen. Sie ist die häufigste Psychose. Man schätzt, dass ungefähr 1% der Bevölkerung einmal in Leben eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis durchmacht (Treichler, 2007, S. 336).

    4. Definition
    Der schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1857-1939) hat den Begriff <Schizophrenie> geprägt, wobei eine frühere Krankheitsbezeichung zurück geht auf den deutschen Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926).
    Die Patienten seien nicht in der Lage eigene Gedanken und Gefühle zu empfinden und zu ordnen, ebenso empfinden die Patienten ihre eigene Person als verändert, gespalten und unheimlich.
    Die Annahme, dass eine Gruppe von Krankheiten, die Kraepelin <Demetia praecox> („vorzeitige Verblödung“) nannte ungünstig verlaufen würde, wurde zum Teil wiederlegt, da manche Patienten wieder gesund, oder fast gesund wurden – so passte der Begriff „Verblödung“ nicht einmal bei den schwersten Verläufen (vgl. Luderer, 1989, S.9).

    5. Definition
    „Bei der einfachen Shizophrenie gibt es keine Wahnideen, Haluzinationen oder Anzeichen unlogischen Denken. Es hat in Gegenteil den Anschein, als ob es der Patient vorziehe, gar nicht zu denken. Er ist bestrebt, seinen Verstand so wenig wie möglich zu benutzen. Er vermeidet abstraktes Denken und beschränkt seine Konversation vorzugsweise auf einige unkomplizierte Lieblingsthemen“ (Arieti, 1979, S. 74)

    6. Definition
    „Sowohl erworbene geistige Störungen als auch solche mit erblicher Komponente sind unter Einbeziehung genetischer Mechanismen erklärbar. Geisteskrankheiten (zum Beispiel Schizophrenie) sind möglicherweise das Ergebnis der Expression veränderter Gene, während bei erworbenen Störungen, die sich durch bestimmte „erlernte“ Verhaltensmuster auszeichnen (Neurosen), die Genexpression normaler Gene infolge bestimmter Umwelteinflüsse verändert ist und normalerweise inaktive Gene transkibiert werden“ (Kandel, 1996, S. 712).

    7. Definition
    Formen der Schizophrenie wie Psychosen können durch Zufuhr von <Psychotomimetika> künstlich nachgeahmt werden (vgl. Ahlheim, 1972, S. 200).

    8. Definition
    Ungefähr 3% der Bevölkerung weist eine schizothyme Persönlichkeitsstörung auf – manche Wissenschaftler bezeichnen sie als eine Art stummer Schizophrenie. Die Betroffenen zeigen ein ungewohntes Verhalten zum sonstigen Alltag, schlafen zu ungewöhnliche Tageszeiten oder ziehen sich zurück in stille Räume wie Keller oder Dachboden, sie fühlen sich beobachtet oder verfolgt, unterhalten sich mit unsichtbare Wesen oder kämpfen gar gegen Dämonen auf rabiate Weise.
    Es wird geschätzt, dass ungefähr 10% der Betroffenen den Freitod wählen. Ein Beispiel für paranoide Schizophrenie aus der neueren Geschichte ist der Fall Jim Jones, der Anführer der Sekte „Peoples Temple“ , der mehr als 900 Menschen mit in das Grab nahm (vgl. Ohne Autor, 1998)


    Genetische Grundlagen

    Menschen, die an Schizophrenie leiden, zeigen übrigens im Vergleich zu Gesunden, eine verminderte Durchblutung des Frontallappens, in Kleinhirn und Thalamus hingegen eine erhöhte Durchblutung. Forschern um Lukas Scheef (Radiologische Klinik der Universität Bonn) ist es gelungen, diese Blutflussmuster mit einem neuen Verfahren sichtbar zu machen. Mit der Methode der Continuous Arterial Spin Labeling, einer speziellen Form der Magnetresonanz-Tomographie verglich man den Blutfluss im Gehirn von 11 Schizophrenie-Patienten mit dem von 25 gesunden Probanden, wobei sich bei den Schizophrenie-Patienten eine stärkere Durchblutung im Kleinhirn, Hirnstamm und Thalamus zeigte und ein geringerer Blutfluss in Teilen des Frontalhirns. Diese Regionen übernehmen eine Vielzahl kognitiver Funktionen, wie Entscheidungsfindung, Planung, Urteilsvermögen und Impulskontrolle.

    In einer Studie untersuchten Heck et al. (2014) die genetischen Grundlagen des Arbeitsgedächtnisses bei über 2800 gesunden jüngeren und älteren Versuchsteilnehmern. Bei vielen psychiatrischen Erkrankungen treten Gedächtnisstörungen auf, wobei man vermutet, dass diese mit Störungen der Molekül-Kanäle in den Hirnzellen zusammenhängen. Da diese Störungen zu komplex sind, als dass es ein einzelnes Schizophrenie- oder Depressions-Gen geben könnte, sucht man eher nach Gengruppen, die für bestimmte biologische Merkmale verantwortlich sind. Eine Gengruppe ist für spannungsabhängige Ionenkanäle zuständig, also für die Proteine in der Membran von Zellen, die den Durchfluss von elektrisch geladenen Molekülen regulieren und dafür entscheidend verantwortlich sind, dass Nervenzellen durch elektrische Impulse aktiviert werden können. Der Vergleich von gesunden Menschen mit den Erbgutdaten von etwa 32000 Schizophrenie-Patienten ergab, dass Veränderungen in dieser Gengruppe mit dem Schizophrenie-Risiko zusammenhängen önnten. Anhand von Gehirnscans an 700 Testpersonen zeigte sich zudem, dass sie deutlich mit der Leistung des Arbeitsgedächtnisses verbunden ist. Der Zusammenhang war besonders deutlich in zwei Hirnregionen im Groß- und Kleinhirn, die das Arbeitsgedächtnis aufrecht erhalten. Offensichtlich spielen Moleküle, die die elektrische Erregbarkeit der Nervenzellen steuern, für ein intaktes Arbeitsgedächtnis und die damit verbundenen Hirnareale eine wichtige Rolle, wobei eine Störung dieses Mechanismus zur Entwicklung einer Schizophrenie führen könnte.

    Männliche und weibliche Schizophrenien unterscheiden sich nach Ansicht des Psychiaters Martin Brüne (Universität Bochum) insofern, als sich Männer im Wahn meist von Gruppen anderer Männer verfolgt fühlen: Mafia, Polizei, Agenten. Frauen hingegen fühlen sich von Personen aus dem persönlichen Umfeld bedroht, Nachbarn, Familienmitgliedern. Das ist im evolutionären Kontext verstehbar, weil so die frühen Gefahren aussahen: Männer wurden von fremden Männergruppen bedroht, Frauen durch Verstoß aus der Ingroup. Beim Liebeswahn, also wenn jemand fest davon überzeugt ist, von einer anderen Person geliebt zu werden, richtet sich bei Frauen der Wahn meist auf hochrangige, etwas ältere Männer. Bei Männern, bei denen die Störung selten vorkommt, eher auf attraktive, jüngere Frauen. Hier spiegeln sich die aus der evolutionären Psychologie bekannten, unterschiedlichen reproduktiven Strategien wieder: Frauen suchen Sicherheit für die langjährige Brutpflege, Männer wollen ihre Gene unter möglichst vielen jungen und gesunden Frauen verbreiten.

    Schizophrenie als Folge durch eine Dysfunktion während der frühen Entwicklung des Gehirns

    Kognitive Defizite, Kernmerkmale psychischer Erkrankungen, resultieren weitgehend aus der Dysfunktion präfrontaler Netzwerke, wobei diese Dysfunktion während der frühen Entwicklung des Gehirns schon vor einer erkennbaren Verhaltensänderung auftritt. Im Mausmodell wurde nun von China et al (2019) ein möglicher Mechanismus zur Entstehung von Schizophrenie entschlüsselt, über den auch eine potenzielle Therapieoption gefunden gefunden werden könnte. Für ihre Untersuchungen nutzte man Mäuse, die bestimmte Merkmale einer Schizophrenie entwickeln, und brachte gezielt Proteine in Zellen des präfrontalen Cortex, die sich über Lichtsignale an- und ausschalten lassen. Vor allem die Struktur und Funktionalität bestimmter Pyramidenzellen im präfrontalen Cortex sind dabei für eine korrekte Verschaltung im Gehirn entscheidend, denn diese sind während der frühen Entwicklung des Gehirns besonders empfindlich. Störungen in dieser Phase können die Hirnaktivität vermindern und dazu führen, dass sich die betroffenen Regionen falsch vernetzen, was wiederum die Entwicklung psychischer Erkrankungen begünstigen könnte. Gab man den Tieren in der ersten Lebenswoche das Antibiotikum Minocyclin, ließen sich die neuronalen Defizite beheben und die kognitiven Fähigkeiten wiederherstellen. Demnach werden die Weichen für eine spätere Schizophrenie möglicherweise schon vor der Geburt gestellt.

    Störung des Dopaminstoffwechsels und Größe des präfrontale Cortex

    Schizophrenie ist bekanntlich durch erhöhte verhaltensbedingte und neurochemische Reaktionen auf dopaminfreisetzende Medikamente gekennzeichnet, sodass man zu Recht annehmen kann, dass Psychosen einen Zustand endogener Sensibilisierung des cortikalen Dopaminsystems darstellen. Vor allem bei schizophrenen Schüben findet man häufig eine krankheitswertige Dopaminüberproduktion, die man dann mit Antipsychotika behandelt, um gezielt die Dopaminrezeptoren zu blockieren. Bisher war die genaue Ursache der dopaminergen Störungen und die Rolle der präfrontalen cortikalen Regulation unklar. Weidenauer et al. (2020) versuchten nun nachzuweisen, dass Menschen mit einer Psychose in der ersten Episode bei Amphetamin-Stimulation mehr Dopamin freisetzen als gesunde Freiwillige, dass also eine prospektive Sensibilisierung, die durch wiederholte Amphetamin-Exposition induziert wird, die Dopamin-Freisetzung bei stimulierungsmittel-naiven gesunden Freiwilligen erhöht ist. Zusätzlich erhielt man neben diesen Unterschieden auch konkrete Hinweise auf jenes Areal im Gehirn, das dafür verantwortlich sein könnte, dass einen Gruppe von Probanden den Reiz einfach wegsteckt, während eine andere Probandengruppe psychosetypische Merkmale zeigt, also Stimmen hört oder Wahnvorstellungen entwickelt. Das Auftreten dieser Phänomene könnte nach diesen Untersuchungen an der Größe des präfrontalen Cortex liegen, also jenem Areal, das den Gehirnstoffwechselvorgänge des Dopamins kontrolliert, wobei dort gleichzeitig Sprache, Emotionen und Gedächtnis zusammengebracht werden. Je größer nämlich bei den Untersuchten das Sprachzentrum des präfrontalen Cortex war, desto geringer war die Dopaminausschüttung, wobei vor allem bei den Schizophreniepatienten das Volumen dieses Areals des präfrontalen Cortex kleiner war und daher schlechter ausgleichend wirken konnte.

    Therapie und Umfeld

    Schizophrenie ist grundsätzlich heilbar, doch nur bei etwa 25 Prozent erreicht man mittelfristig eine vollständige Wiederherstellung der seelischen Gesundheit, wobei Medikamente bei der Therapie eine wichtige Rolle spielen, aber häufig zu starken Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Kreislaufproblemen führen können. Durch eine unterstützende Verhaltens- und Gesprächstherapien lernen Betroffene und ihre Familien, die Diagnose zu akzeptieren, mit Stress besser umzugehen und Restsymptome in den Alltag zu integrieren. Hat ein Angehöriger Schizophrenie, betrifft das immer auch die Familie, denn vor allem im späteren Krankheitsverlauf sehen die Betroffenen nicht ein, dass sie krank sind und behandelt werden müssen. Es bringt jedoch nichts, sie zu einer Therapie zu zwingen, sondern man kann sie nur unterstützen, wenn sie selbst mitmachen, denn nur dann hören sie auch zu, wenn man ihnen Alternativen vorschläg. In keinem Fall sollte man gegen ihre Wahnvorstellungen anreden, sondern ihre Ängste ernst nehmen, denn die sind echt. „Man kann etwa fragen: Wie kann ich dir helfen? Sollen wir hier lieber weggehen, wird es dir zu viel?“ Andernfalls könne der Betroffene denken, man sei Teil eines Komplotts gegen ihn.

    Literatur

    Ahlheim, K.H (1972). Medikamente /Gifte /Drogen. Bibliografisches Institut Mannheim/Wien/Zürich. Mannheim: Meyers Lexikonverlag.
    Arieti, S. (1979). Schizophrenie, Ursachen-Verlauf-Therapie, Hilfe für Betroffene. München: R. Piper GbmH & CoKG.
    Bibliografisches Institut & F. A. Brockhaus AG (2007). DUDEN, Wörterbuch medizinischer Begriffe. Achte Auflage.
    Chini, Mattia, Pöpplau, Jastyn A., Lindemann, Christoph, Carol-Perdiguer, Laura, Hnida, Marilena, Oberländer, Victoria, Xu, Xiaxia, Ahlbeck, Joachim, Bitzenhofer, Sebastian H., Mulert, Christoph & Hanganu-Opatz, Ileana L. (2019). Resolving and Rescuing Developmental Miswiring in a Mouse Model of Cognitive Impairment. Neuron, doi 10.1016/j.neuron.
    Heck, A., Fastenrath, M., Ackermann, S., Auschra, B., Bickel, H., Coynel, D., Gschwind, L., Jessen, F., Kaduszkiewicz, H.,
    Maier, W., Milnik, A., Pentzek, M., Riedel-Heller, S.G., Ripke, S., Spalek, K., Sullivan, P., Vogler, C., Wagner, M., Weyerer, S., Wolfsgruber, S., de Quervain, D.J.F., Papassotiropoulos, A. (2014). Converging genetic and functional brain imaging evidence links neuronal excitability to working memory, psychiatric disease, and brain activity. Neuron (2014) | DOI: 10.1016/j.neuron.2014.01.010.
    Kandel, Schwartz & Jessel (1996). Neurowissenschaften, Eine Einführung. Berlin/Oxford: Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg.
    Koutsouleris, Nikolaos, Pantelis, Christos, Velakoulis, Dennis, McGuire, Philip, Dwyer, Dominic B., Urquijo-Castro, Maria-Fernanda, Paul, Riya, Dong, Sen, Popovic, David, Oeztuerk, Oemer, Kambeitz, Joseph, Salokangas, Raimo K. R., Hietala, Jarmo, Bertolino, Alessandro, Brambilla, Paolo, Upthegrove, Rachel, Wood, Stephen J., Lencer, Rebekka, Borgwardt, Stefan, Maj, Carlo, Nöthen, Markus, Degenhardt, Franziska, Polyakova, Maryna, Mueller, Karsten, Villringer, Arno, Danek, Adrian, Fassbender, Klaus, Fliessbach, Klaus, Jahn, Holger, Kornhuber, Johannes, Landwehrmeyer, Bernhard, Anderl-Straub, Sarah, Prudlo, Johannes, Synofzik, Matthis, Wiltfang, Jens, Riedl, Lina, Diehl-Schmid, Janine, Otto, Markus, Meisenzahl, Eva, Falkai, Peter, Schroeter, Matthias L., International FTD-Genetics Consortium (IFGC), the German Frontotemporal Lobar Degeneration (FTLD) Consortium, & the PRONIA Consortium (2022). Exploring Links Between Psychosis and Frontotemporal Dementia Using Multimodal Machine Learning: Dementia Praecox Revisited. JAMA Psychiatry, doi:10.1001/jamapsychiatry.2022.2075.
    Luderer, Hans-Jürgen (1989). Schizophrenien, Ratgeber für Patienten und Angehörige. Stuttgart: Verlag Trias.
    Hell, Vontobel & Schneider (2007).Kurzes Lehrbuch der Psychiatrie. Bern: Verlag Hans Huber. Zweite Auflage.
    Treichler, M. (2007). Sprechstunde Psychotherapie. Stutgart: Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH.
    Ohne Autor (1998). Faszination menschlicher Körper, Rätsel der Persönlichkeit. Köln: Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft mbH in der Vemag.
    Weidenauer, Ana, Bauer, Martin, Sauerzopf, Ulrich, Bartova, Lucie, Nics, Lukas, Pfaff, Sarah, Philippe, Cecile, Berroterán-Infante, Neydher, Pichler, Verena, Meyer, Bernhard M., Rabl, Ulrich, Sezen, Patrick, Cumming, Paul, Stimpfl, Thomas, Sitte, Harald H., Lanzenberger, Rupert, Mossaheb, Nilufar, Zimprich, Alexander, Rusjan, Pablo, Dorffner, Georg, Mitterhauser, Markus, Hacker, Marcus, Pezawas, Lukas, Kasper, Siegfried, Wadsak, Wolfgang, Praschak-Rieder, Nicole & Willeit, Matthäus (2020). On the relationship of first-episode psychosis to the amphetamine-sensitized state: a dopamine D2/3 receptor agonist radioligand study. Translational Psychiatry, 10, doi:10.1038/s41398-019-0681-5.
    http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/41831/Veraenderter_Blutfluss_im_Gehirn_bei_Schizophrenie.htm (10-07-03)
    http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article13237055/Wie-man-Schizophrenie-frueh-erkennen-kann.html (11-04-25)
    http://archpsyc.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1171955 (12-06-06)


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    Ein Gedanke zu „Schizophrenie“

    1. Ursachenforscher

      Schizophrene Störungen gehören zu den schizophrenen Psychosen, wobei als Auslöser meist mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, wobei oft unklar ist, welche das sind und welche Rolle sie bei der Erkrankung spielen, denn das ist bei jedem Betroffenen verschieden. In der Hauptsache findet man somatische Ursachen bzw. körperliche Faktoren, wie etwa eine Veränderung der Gehirnsubstanz, die sich auf die Entwicklunge der Krankheit auswirkt. Körperliche Faktoren nehmen ebenfalls Einfluss auf den Krankheitsverlauf und und die Krankheitsdauer, d. h., die Erkrankung kann durch sie länger anhalten und auch intensiver sein. Genetische Faktoren bzw. erbliche Einflüsse auf die Krankheit lassen sich häufig feststellen, denn so gibt es in manchen Familien eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Schizophrenie zu erkranken, als in anderen. So hat ein Kind ein Erkrankungsrisiko von etwa zehn bis fünfzehn Prozent, wenn schon ein Elternteil von einer schizophrenen Psychose betroffen ist. Psychosoziale Einflüsse bzw. Faktoren der Umwelt wie Familie, Freunde, Arbeitskollegen sind häufig für den weiteren Verlauf der Erkrankung entscheidend. Bei manche Menschen mit einer geringen Vulnerabilität kann schon mäßiger Stress zum Überschreiten der gerade noch erträglichen Grenze ausreichen. Vor allem chronischer Stress mit einer erhöhten Verletzbarkeit nehmen Einfluss auf die Erkrankung, aber auch akuter Stress wie unerwarteten Schicksalsschläge im Leben haben eine nicht zu unterschätzende Rolle. Drogen, Alkohol, Kaffee und Tabak verursachen zwar alleine keine Psychose, aber sie können eine neue Episode auslösen.

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