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Ankereffekt

    Der Ankereffekt (anchoring effect) ist ein Begriff aus der Kognitionspsychologie und beschreibt das Phänomen, dass Menschen bei bewusst getroffenen Wahlen von vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst werden, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst ist. Die Umgebungsinformationen haben selbst dann einen Einfluss, wenn sie für die die zu treffende Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Der Anker sind in der Regel eine bestimmte Information, wobei die Information der Betreffende selbst aus dem Umständen bilden oder aber von einer anderen Person erhalten kann, häufig ist sie ist aber rein zufällig vorhanden. Diese Information ist dann beim Einschätzen einer Situation und beim Treffen der Entscheidung ausschlaggebend, wobei es keine Rolle spielt, ob diese Information für die zu treffende rationale Entscheidung tatsächlich relevant und nützlich ist.

    Es handelt sich also um eine Urteilsheuristik, bei der sich das Urteil an einem willkürlichen Anker orientiert bzw. um eine systematische Verzerrung in Richtung dieses Ankers. Anker können dabei auf zwei verschiedene Weisen wirken: als unbewusste Suggestion aktiviert ein Anker zu ihm passende Assoziationen, die im Anschluss die Urteilsfindung beeinflussen, also über den Mechanismus des Priming. Der Anker kann aber auch einen Ausgangspunkt oder Startwert für einen bewussten Gedankengang liefern, also im Sinne einer Anpassungsheuristik.

    In einem Experiment wurden Studenten gebeten, ein Glücksrad zu drehen, das zuvor so manipuliert worden war, dass es entweder bei der Zahl „10“ oder der Zahl „65“ stoppte. Anschließend wurden die Probanden nach dem prozentualen Anteil der afrikanischen Länder in den Vereinten Nationen gefragt. Dabei zeigte sich, dass bei den Probanden, bei denen das Glücksrad auf der Zahl „10“ stehen blieb, durchschnittlich den Anteil auf 25% schätzen, während die, bei denen das Rad bei „65“ stehen geblieben war, im Durchschnitt die Antwort 45% schätzten.

    Manche Sportwettenanbieter nutzen den Ankereffekt durch den Einsatz verlockender Zahlen in ihren Werbungen, die diese dann auf der Startseite ihres Wettportals zeigen, sodass sich diese Zahlen bei den Besuchern der Website als Anker im Gehirn einprägen. So kann man dort etwa lesen, dass ein Wettfreund mit nur fünf Euro Einsatz mehrere tausend Euro Gewinn erzielt hat, selbst wenn die Wetterin oder der Wetter dabei genau weiß, dass dies nur in den seltensten Fällen gelingen kann, bleiben diese Zahlen im Gedächtnis. Eine negative Folge davon ist etwa, dass beim Tippen die ohnehin schon riskanten Kombiwetten noch um das eine oder andere vermeintliche sichere Match verlängert werden, nur um ähnliche Gewinne einzufahren. Logischerweise hat man dabei nicht genau die hohe Gewinnsumme des Tickets als Vergleichwert im Kopf, doch der Anker ist bei einem großen Ertrag gesetzt worden.

    An der Börse geht es beim Ankereffekt darum, dass bewusst gewählte Zahlenwerte von momentan vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst werden, ohne dass den Menschen dieser Einfluss bewusst wird, und zwar selbst dann, wenn diese für eine Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Das Urteil wird also durch die erlebte aktuelle Situation geprägt, sodass man diese zum Ausgangspunkt der Bewertung macht, d. h., sie wirkt wie ein Filter oder eben ein Anker. Die Folge ist eine systematische Verzerrung in Richtung des Ankers, und dieser ist ja rein willkürlich, weil er je nach Lage anders positioniert ist und damit zu unterschiedlichen Ergebnissen einer eigentlich objektiv und sachlich fundierten Einschätzung führt. Hat man etwa gerade sechs Richtige im Lotto und die Börse knickt ein, nimmt man das anders wahr, als wenn gerade ein Kolbenfresser den Motor des neuen Autos zerstört hat und eine teurer Reparatur ansteht. Dabei hat der Börseneinbruch, isoliert betrachtet, in beiden Fällen die gleiche Auswirkung, real, aber eben nicht auf die Psyche. Man könnte meinen, das sei gar nicht so bedeutsam, und auf den ersten Blick scheint es auch so zu sein, doch beim genaueren Hinsehen führt der Ankereffekt zu Fehlentscheidungen und die können richtig teuer werden. Denn der Ankereffekt wirkt wie ein Stück Metall neben einem Kompass, das die Nadel in die falsche Richtung zeigen lässt.

    Ein kurioses Forschungsergebnis, wie das menschliche Gehirn nach Vergleichswerten sucht bzw. wenn es diese nicht findet, eine völlig aus der Luft gegriffene Zahl als Bezugspunkt sucht, bewiesen Critcher & Gilovich, denn Gäste eines Restaurants mit dem Namen „Studio 97“ gaben durchschnittlich 8 Dollar mehr aus als die Gäste des Restaurants namens „Studio 17“.


    Randständiges: Beim Persönlichkeits-Coaching werden Anker etwa dafür genutzt, dass man sich damit Erfolge wieder bewusst macht, indem man sich frühere Erfolgsmomente mit Hilfe eines Ankers ins Gedächtnis ruft. So kann man einen Anker setzen, indem man seine besonderen Erfolgsmomente in sein Smartphones eingibt, einen Schrei loslässt, die Faust ballt oder die Faust ballt und zugleich schreit. So kann man später versuchen, vor einer bevorstehenden unangenehmen Situation das Erfolgsbewusstsein wieder zu aktivieren, indem man in Gedanken oder mit kleinen Gesten seinen Anker wieder aktviert.

    Auch im typischen NLP-Training gibt es eine spezielle Ankerübung. Mit der Ankerübung soll man sich angeblich schnellen Zugang zu den eigenen Ressourcen verschaffen, was in Prüfungssituationen besonders hilfreich sein soll. Diese Ankerübung wird wie folgt durchgeführt:

    • Erinnern Sie sich an eine Situation, in der es Ihnen besonders gut ging, als Sie vollkommen entspannt waren.
    • Durchleben Sie diese Situation nochmals mit allen Sinneseindrücken: Fragen Sie sich, was Sie fühlen, was Sie sehen, was Sie hören und was Sie in diesem Augenblick zu sich selbst sagen.
    • Wiederholen Sie dieses „Wiedererleben“, bis dieses „Erleben“ sehr intensiv ist. Dann kann in diesem Moment durch eine Berührung irgendwo am Körper ein sogenannter „Anker“ gesetzt werden.
    • Wiederholen Sie dies, bleibt dieser Anker gesetzt. Dann können Sie sich problemlos jederzeit in diesen angenehmen Moment zurückversetzen, beispielsweise in Stresssituationen wie einer Prüfung.

    Aus Sicht der Psychologie handelt es sich bei NLP um einen mitunter gefährlichen Mix aus manipulativen Psychotechniken, die ohne entsprechenden Hintergrund rein auf Symptome hin orientiert ist.


    Literatur

    Tversky, Amos, & Kahneman, Daniel (1974). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Science, 185, 1124-1131.


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    Ein Gedanke zu „Ankereffekt“

    1. Ankern oder Anker

      Beim Ankern oder Anker setzen werden externe Reize, etwa mit einem Finger in die Fläche der anderen Hand stoßen, mit einer bestehenden Erinnerung bewusst verknüpft. Der Anker kann selbst oder von jemandem anderes gesetzt werden.

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