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Angst

    Angst ist die andere Hälfte von Mut.
    Reinhold Messner

    Fear was my only passion in life.
    Thomas Hobbes (Leviathan)

    And hereupon it was my Mother Dear
    Did bring forth Twins at once, both Me, and Fear.
    Thomas Hobbes (The life of Mr. Thomas Hobbes of Malmesbury written by himself in a Latine poem, and now translated into English. THE LIFE OF Mr. Thomas Hobbes OF MALMESBURY)

    Angst ist wie viele andere Emotionen ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens, denn es ist ganz normal, um sein eigenes Wohl oder das seiner Familie und des Umfeldes zu fürchten. Die Auslöser für Ängste sind vielfältig, wobei Menschen vor allem von irrationalen Ängsten geplagt werden. Das beginnt schon häufig im Kindesalter durch die Erziehung, denn Eltern sind oft überbehütend, das in Kindern ein übervorsichtiges, ängstliches Verhalten manifestiert. Angst ist in dem meisten Fällen erlernt, auch wenn das alte durch die Evolution geprägte Gehirn den Menschen vermittelt, dass alles Neue zunächst mit Vorsicht zu betrachten ist, denn es könnte ja gefährlich sein. Angst ist in diesem Sinne ein nützliches Gefühl und nicht nur eine lästige Emotion, die man schnell loswerden möchte. Angst ist daher für Menschen auch eine wertvolle Ressource, hilft ihnen, hohe Leistungen zu erbringen und kreativ zu sein. Ängste haben viel damit zu tun, wie man eine Sache bewertet, und manche Menschen entwickeln mit der Zeit Horrorszenarien im Kopf, und diese einmal festgesetzten Ängste sind nur schwer wieder aus dem Kopf zu bekommen. Schon Epiktet hat gesagt: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern was wir über die Dinge denken.“ Die Wurzeln der menschlichen Beschäftigung mit der Angst reichen daher bis in die Antike zurück, als man sich im Zuge der Ethik mit ihr auseinandersetzte. In neuerer Zeit behandelte etwa der dänische Philosoph Søren Kierkegaard die Angst als Grundthema der Existenzphilosophie und unterschied zwischen Angst vor etwas Unbestimmtem und Furcht vor einer bestimmten Sache.

    Im Grunde ist daher jede Angst Folge einer Bewertung, was einem Menschen wichtig ist. Wenn man sich keine Sorgen mehr macht, ist einem Menschen nichts mehr wichtig, aber wenn jemand starke Gefühle wie Angst oder Ärger entwickelt, drückt das nur aus, dass ihm die Inhalte wichtig sind, auf die sich die Angst bezieht. Allerdings sollte Angst nicht lähmen, sondern mobilisieren, etwas zu tun, um die vermeintliche oder tatsächliche Bedrohung abzuwenden. Destruktiv ist Angst nur dann, wenn man nichts tut bzw. daran gehindert wird, etwas zu tun. Früher fürchtete man vom Blitz erschlagen oder von der Pest dahingerafft zu werden, oder dass Frauen bei der Geburt sterben. Heute fürchten sich die Menschen vor Alzheimer, da sie jetzt das Alter erreichen, dass sie überhaupt Alzheimer bekommen können. Studien zeigen auch, dass Angst häufig in Aggression umgewandelt wird, vor allem wenn Menschen die Schuld an den Umständen bei anderen suchen und weniger glauben, dass sie sich selbst ändern sollten, um der Angst zu begegnen. Um konstruktiv mit einem solchen emotionalen Ausnahmezustand umgehen zu können, ist es vordringlich hilfreich, das Gefühl der Angst bewusst wahrzunehmen und zuzulassen.

    Mit der Angst ist es übrigens ähnlich wie mit dem Schmerz, denn wer kein Schmerzempfinden hat, entbehrt eines mitunter lebenswichtigen Signals, und wer nie Angst hat, kann früher oder später durch Unvorsichtigkeit Schaden nehmen. Allerdings gibt es auch Ängste, die sich gar nicht auf konkrete, sondern auf eingebildete Gefahren beziehen, doch auch diese muss man aus der Sicht der Psychologie ernst nehmen, denn sie haben für den Betroffenen meist ein Botschaft. Außerdem besteht die Gefahr, dass Ängste krank machen, denn Angst und Stress lösen mit der Zeit auch eine Hemmung des Immunsystems aus, die aber nur in einer wirklich lebensbedrohlichen Situation sinnvoll ist. Dieser Mechanismus ist aber verhängnisvoll, wenn er zu häufig aktiviert wird, sodass die negativen Erfahrungen im Gehirn gespeichert und oft auch über Generationen vererbbar werden. Im Übrigen kann man wie beim Schmerz auch nicht willentlich beschließen, frei davon zu sein, da die Angst meist auf unbewusste Prozesse zurückgeht und am ältesten Teil des menschlichen Nervensystems andockt.


    Angst wird von vielen Menschen nicht als Schutzmechanismus betrachtet,
    sondern als ein Problem oder sogar eine Krankheit.


    Angst ist aber auch eine Reaktion auf Gefahren, der Menschen das Überleben in der Evolution verdanken, denn fürchtete man sich vor einem Löwen, der plötzlich vor einem stand, lief man davon oder griff es an. Für diese beiden Reaktionen war eine Mobilisierung von Muskelkraft notwendig, wobei die dank der verstärkten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol geschieht, das den menschlichen Stoffwechsel innerhalb von Sekunden befeuern kann. Indem man im Laufschritt dem Löwen entkommt oder ihn mit großer Anstrengung erlegt, baute man Cortisol dank der dabei beanspruchten Muskeln wieder ab. Dieser Regelkreis der Angstreaktion hat sich bis heute nicht geändert, sondern er läuft in Situationen, die Angst machen, automatisch ab. Zwar sind Löwen heute eher selten, doch dafür gibt es andere Gefahren, etwa die Bedrohung durch Kriegshandlungen oder Seuchen. Vor diesen kann man nicht fliehen, denn dazu ist Handlungsspielraum des Einzelnen meist zu sehr eingeschränkt, und man kann auch nicht dagegen kämpfen, denn um etwa einen Virus zu eliminieren, gibt es u. U. noch keinen Impfstoff oder kein Medikament. In diesem Fall bleibt die Angst und mit ihr das Cortisol im menschlichen Körper. Dieses Hormon macht Menschen aggressiver, unruhiger, löst Stress aus, wobei in den Skelettmuskeln die Aminosäure Tryptophan zu Kynurenin abgebaut wird. Kynurenin wirkt wie ein Hormon, kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden und so im Gehirn wirksam werden, wobei Kynurenin die Funktion von Nervenzellen verändert und depressive Stimmungen auslösen kann. Untersuchungen am Mausmodell (Agudelo et al., 2014) haben gezeigt, dass bei regelmäßige Bewegung in den Muskeln über komplexe Prozesse Kynurenin-Aminotransferase entsteht, das Kynurerin unschädlich machen kann. Das geschieht dadurch, dass Kynurenin-Aminotransferase eine Umwandlung von Kynurenin in Kynurensäure bewirkt, einen Metaboliten, der nicht mehr in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Offensichtlich ist ein regelmäßiges Training mit spürbarer Belastung der Muskulatur bereits ausreichend, um zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit bei einer Depression zu kommen. Daher kann körperliche Bewegung als Behandlungsstrategie für manche Menschen eingesetzt werden, die depressive Symptome zeigen.

    Ängste sichern zwar evolutionär betrachtet das Überleben der Menschen, doch bilden sie nicht immer die reale Gefahrenlage ab, sodass Angst in vielen Fällen einen unzulänglichen Ratgeber darstellt. Die Risikoeinschätzung des Menschen ist nämlich äußerst unzuverlässig, denn Menschen fürchten sich vor Terrorangriffen und Flugzeugabstürzen, dabei sind Bewegungsmangel oder Alkohol weitaus gefährlicher, doch bringen diese unspektakulären Alltagsgefahren die Menschen selten aus der Ruhe, denn sie glauben, dass sie diese mehr oder minder kontrollieren könnten. Menschen fällt es auch schwer, in Wahrscheinlichkeiten zu denken, wobei sich in Untersuchungen zeigte, dass die meisten Menschen schon mit relativ einfachen Wahrscheinlichkeitsfragen überfordert sind. Das führt dazu, dass die Risikowahrnehmung von Menschen aufgrund von zahlreichen psychologischen Verzerrungseffekten deutlich von den realen Risiken abweicht. Auch ist Angstempfinden keine Konstante, sondern einem historischen Wandel unterworfen, denn früher standen etwa Pandemien im Zeichen eines Emotionsregimes, das geprägt war von dem Bemühen, Panik zu vermeiden, d. h., es dominierte die Angst vor der Angst. Seit einigen Jahrzehnten ist die Angstaber  kulturell aufgewertet worden, und zwar nicht nur persönlich sondern auch öffentlich, denn es ist schon seit vielen Jahren weniger verpönt als früher, über eigene Ängste zu sprechen (Pilgram, 2020).

    Viele Menschen aber auch Tiere fürchten sich bekanntlich in der Dunkelheit, wobei die Amygdala eine entscheidende Rolle bei angstbezogener Reaktionen spielt. Bei Nagetieren etwa erhält die Amygdala direkten Lichteinfall von der Netzhaut, so dass Licht möglicherweise auch eine Rolle beim angstbezogenen Lernen spielt. Eine direkte Wirkung von Licht auf die Amygdala stellt daher einen plausiblen Wirkmechanismus für seine stimmungsaufhellende Wirkung auch von Licht beim Menschen dar. McGlashan et al. (2021) legten dazu Probanden und Probandinnen in einen Gehirnscanner und wurden abwechselnd 30s Blöcken von Licht (10 Lux oder 100 Lux) und Dunkelheit (<1 Lux) ausgesetzt, wobei sich zeigte, dass in den dunklen Phasen die Amygdala gleichbleibend aktiv war, doch sobald das Licht anging, sank ihre Aktivität wieder rasch ab. Licht, verglichen mit Dunkelheit, führte bei moderater Lichtexposition zu einer größeren Unterdrückung der Amygdala-Aktivität als schwaches Licht. Außerdem war die funktionelle Konnektivität zwischen der Amygdala und dem ventro-medialen präfrontalen Cortex bei Licht im Vergleich zu Dunkelheit verstärkt. Die angstlösende Wirkung von Licht trägt also vermutlich dazu bei, dass Menschen dank künstlicher Beleuchtung die helle Phase des Tages lange in die Abend- und Nachtstunden hinaus verlängern. Diese Effekte könnten daher zu den stimmungsaufhellenden Wirkungen des Lichts beitragen, und zwar über eine Reduktion des negativen, angstbezogenen Affekts und eine verbesserte Verarbeitung negativer Emotionen.

    Im Spektrum psychischer Krankheiten spielen Angsterkrankungen eine zentrale Rolle, denn sie sind die häufigste psychische Störung und regelhaft Vorläufer von depressiven und anderen psychischen Erkrankungen. Auch ist das Erleben von Angst ein typisches Merkmal vieler weiterer psychischer Störungen und tritt auch häufig als Folge somatischer Erkrankungen auf. Solche Folgekrankheiten führen dazu, dass viele Betroffene ihr Leben lang mit Einschränkungen zu kämpfen haben, was nicht nur Belastungen für die individuelle Lebensqualität und Persönlichkeitsentwicklung oder die schulische und berufliche Leistungsfähigkeit mit sich bringt, sondern auch massive Auswirkungen auf familiäre und andere soziale Beziehungen zur Folge hat.

    Angst

    In der Psychologie gibt es eine Fülle detaillierter Definitionen der Angst und auch die Angsttheorien, also die Theorien, die die Entstehung der Angst erklären wollen, sind beinahe unüberschaubar, wobei sich grob betrachtet drei Gruppen von psychologischen Angsttheorien unterscheiden lassen, die  sich vor allem mit der Entstehung von Angsterkrankungen befassen:

    • Nach der psychoanalytischen Theorie ist die Angst Resultat eines inneren Konfliktes,
    • behavioristische Theorien betrachten Angst als erlernte Reaktion auf bestimmte Reize, und
    • kognitivistische Theorien sehen als Ursprung der Angst die kognitive Bewertung einer Situation bzw. eines Objektes.

    Man unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Arten von Angst: angeborene Ängste (Gene), erlernte Ängste (Umwelt) und eine genetisch angelegte Neigung, durch die Angst vor bestimmten Dingen erlernt wird. Aus Experimenten an Menschenaffen schließt man, dass Kinder Angst vorwiegend durch die Beobachtung anderer lernen, etwa durch die wahrgenommene Reaktion ihrer Eltern auf bestimmte Situationen übernehmen sie deren Ängste und Befürchtungen. Hinzu kommt, dass Menschen durch Beobachtung völlig unwillkürlich die Angst vor Dingen erlernen können, die überhaupt nicht oder kaum gefährlich sind.


    Die konzeptuelle Unterscheidung zwischen ‚Angst‘ und ‚Furcht‘ stammt aus der Zeit Sigmund Freuds bzw. sogar aus der Zeit der antiken griechischen Philosophen, wobei die vorherrschende wissenschaftliche Theorie besagt, dass Furcht und Angst unterschiedlich sind, mit unterschiedlichen Auslösern und daher getrennten Gehirnkreisläufen. Man nahm bisher an, dass Furcht, eine vorübergehende Reaktion auf eine bestimmte Gefahr, von der Amygdala kontrolliert wird, während Angst einen anhaltenden Zustand erhöhter Besorgnis und Erregung darstellt, der hervorgerufen wird, wenn eine Bedrohung ungewiss ist, und im Gehirn durch den benachbarten Bettkern der Stria terminalis orchestriert wird. Shackman & Fox (2016) haben nun entdeckt, dass diese beiden Hirnregionen für bestimmte und unsichere Arten von Bedrohungen gleichermaßen empfindlich sind. Wenn überhaupt, dann scheinen Furcht und Angst im Gehirn unter Verwendung eines massiv überlappenden Satzes von neuronalen Bausteinen konstruiert zu sein.

    Die Extinktion von Furchreaktionen ist ein adaptiver Prozess, bei dem Abwehrreaktionen nach wiederholter Erfahrung von früheren angstbezogenen Reizen ohne Schaden abgeschwächt werden, wobei die Bildung von Extinktionserinnerungen Interaktionen zwischen verschiedenen cortikolimbischen Strukturen erfordert, was dann zu einem reduzierten Output der zentralen Amygdala führt. Die Amygdala des Gehirns besteht aus einer Reihe von Neuronengruppen, die eng miteinander verbunden sind, d. h., sie wirken als Ganzes und lassen eine anatomisch differenzierbare Struktur entstehen. Neuere Studien zeigen jedoch, dass die zentrale Amygdala nicht nur ein Ausgangsrelais für Furchtreaktionen ist, sondern mehrere neuronale Subpopulationen an Neuronengruppen enthält, die interagieren, um das Niveau der Furchtreaktion zu kalibrieren. Whittle et al. (2021) haben am Mausmodell mittels Optogenetik herausgefunden, dass Neuronen in der zentralen Amygdala neuronale Mikroschaltkreise bilden, die angstbedingte Reaktionen wie Stress oder Angst verstärken oder reduzieren können. Man fand als Regulierung der Angst einen Push and Pull-Mechanismus, durch den einige Neuronen das mit der Angst verbundene Gefühl aktivieren und andere dieses wieder unterdrücken. Wenn das System harmonisch arbeitet, tritt Angst nur dann auf, wenn es wirklich notwendig ist, d. h., Probleme entstehen dann, wenn der Mechanismus aus dem Gleichgewicht gerät. Im zentralen Bereich der Amygdala gibt es neuronale Mikroschaltkreise, die auf Angst spezialisiert sind, denn werden diese Schaltkreise unterdrückt (selektives silencing), führt das zu lang anhaltendem und krankhaftem Angstverhalten, doch wenn sie aktiviert werden, normalisiert sich das Verhalten und Angst tritt nur bei Notwendigkeit auf.


    Definitionen

    „Angst, in Philosophie und Psychologie Reaktion auf eine unbestimmte Bedrohung; in der Existenzphilosophie Bezeichnung für das Gefühl allseitiger Unsicherheit und der Grundlosigkeit des menschlichen Daseins; demgegenüber ist Furcht stets einer bestimmten Bedrohung zugeordnet“ (Das große Duden Lexikon, 1964, S. 264).

    Angst, ein Affekt, der sich von der Furcht durch fehlende oder unbestimmte Gegenstandsbeziehung unterscheidet. Die Angst ist „grundlos“, insofern keine besonderen Gründe für sie angegeben werden können oder der Gegenstand, auf den sie sich richtet, der Stärke des Affekts nicht entspricht. In der Psychoanalyse wird Angst als Trennungsangst (des Säuglings von der Mutter) bestimmt. Die Angst kann – wie andere Effekte – in das Gegenteil umschlagen, z.B. in Aggression. Auch ist man auf die Instinktausstattung des Menschen zurückgegangen und hat die Angst als einen „Gefahrenschutzinstinkt“ erklärt. Bei der Mannigfaltigkeit der Angstzustände, von der „schleichenden“ bis zur panischen Angst, ist eine eindeutige Erklärung aller Phänomene der Angst nicht möglich (vgl. Bertelsmann Lexikon, 1984, S. 220).

    Angst, in der Fachsprache der Psychologie wird öfter zwischen Angst als unbegründet, nicht objektbezogen und Furcht als objektbezogen differenziert; in der Allgemeinsprache ist diese Differenzierung nicht üblich. Eine wachsende, würgende, bodenlose, panische Angst befällt, beschleicht, quält jemanden (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 1995, S. 188).

    Allgemeine Angst: Affekt oder Gefühlszustand, der im Unterschied zur Furcht einer unbestimmten Lebensbedrohung entspricht. Angst steht oft in Zusammenhang mit körperlichen Erscheinungen, besonders an den Atmungsorganen oder am Herzen, auch an den Verdauungs- und Harnorganen. Als Krankheit kommt Angst u.a. bei neurotischen Störungen, z.B. Phobie, vor (vgl. Riemann, F.: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie. München 1999 zit. nach Das Lexikon für Österreich, 2006, S. 272).

    Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Begrifflich wird dabei die objektunbestimmte Angst (lateinisch angor) von der objektbezogenen Furcht (lateinisch timor) unterschieden. Weiterhin lässt sich die aktuelle Emotion Angst unterscheiden von der Persönlichkeitseigenschaft Ängstlichkeit, also häufiger und intensiver Angst zu fühlen als andere Menschen.

    Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Krankhaft übersteigerte Angst wird als Angststörung bezeichnet.

    Evolutionsgeschichtlich hat die Angst eine wichtige Funktion als ein die Sinne schärfender Schutzmechanismus, der in tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Gefahrensituationen ein angemessenes Verhalten (etwa Flucht) einleitet. Da der Energieaufwand für eine Flucht gering ist (wenige hundert kcal), übersehene Bedrohungen aber äußerst folgenschwere Auswirkungen nach sich ziehen können (Tod), ist die „Alarmanlage“ Angst sehr empfindlich eingestellt, was in vielen Fehlalarmen resultiert.

    Angst kann sowohl bewusst als auch unbewusst wirken. Entstehen durch Angst andauernde Kontrollverluste oder Lähmungen, wird von einer Angststörung gesprochen; ist diese Angst an ein bestimmtes Objekt oder eine bestimmte Situation gebunden, spricht man von einer Phobie (vgl. Wikipedia).

    Das deutsche Wort »Angst« entstand aus dem indogermanischen »angh« (eng) mit dem Suffix »st« (dazugehörig), heißt also: »das, was zur Enge gehört«. Ähnlich lateinisch: »angustiae« (Enge).


    Übrigens: Der Angstschweiß eines Menschen enthält spezielle Pheromone, die in gesunden Menschen der Umgebung, wie zahlreiche Studien belegen, Empathie oder selbst furchtähnliche Reaktionen im Gehirn auslösen. Geruchssignale aktivieren ohne große Umwege die Amygdala, das Emotionszentrum des Gehirns, das auch bei der Entstehung und Verarbeitung von Angst eine entscheidende Rolle spielt.

    Im Zeitzuleben-Newsletter fand sich einmal eine Liste der vielen kleinen Alltagsängste:

    Die Angst vor dem Scheitern
    Die Angst vor Peinlichkeit
    Die Angst, die anderen könnten herausfinden, wer ich wirklich bin
    Die Angst vor zu viel Nähe
    Angst vor Menschen allgemein
    Die Angst vor Einsamkeit
    Die Angst davor, vor Menschen zu sprechen
    Die Angst vor Tests und Prüfungen
    Angst vor Clowns
    Die Angst, eine Gehaltserhöhung zu verlangen
    Die Angst, einen Korb zu bekommen
    Die Angst vor Konflikten
    Die Angst vor Beziehungen
    Die Angst, sich selbstständig zu machen
    Die Angst, zu widersprechen

    Und eine Liste von Angststörungen, unter denen bis zu einem Viertel aller Menschen irgendwann in seinem Leben leidet:

    Angst vor sozialen Situationen,
    Angst vor dem Autofahren,
    Angst vor großen Plätzen,
    Angst vor dem Fliegen,
    Angst vor Fahrstühlen
    siehe dazu weiter: Phobien … damit man weiß, wovor man sich überhaupt fürchten kann

    Ängstliche Gesichter werden bei Einatmen schneller erkannt

    Angst FrauDie Atmung ist aber nicht nur für die Sauerstoffzufuhr überlebenswichtig, sondern wirkt sich nach neueren Untersuchungen (Zelano et al., 2016) auch auf die Gehirnfunktionen aus. Probanden, denen man in schneller Abfolge Bilder von Gesichtern, die entweder Überraschung oder Angst ausdrückten, zeigte, konnten die angstvollen Gesichter schneller erkennen, wenn sie das Foto während des Einatmens gesehen hatten als während des Ausatmens. Die Gesichter, die Überraschung zeigten, wurde in beiden Fällen gleichermaßen gut erkannt. Auch zeigte sich dieser Effekt nur, wenn die Probanden durch die Nase geatmet hatten, denn beim Atmen durch den Mund unterschieden sich Ein- und Ausatmen nicht. Offensichtlich gibt es beim Einatmen im Vergleich zum Ausatmen einen Unterschied in der Gehirnaktivität, denn atmet man durch die Nase ein, werden Neuronen im limbischen System stimuliert, vor allem in der Amygdala und im Hippocampus. Evolutionär betrachtet macht das Sinn, denn wenn sich Menschen in Angst oder Panik befinden, wird ihr Atemrhythmus schneller und man atmet mehr ein als im ruhigen Zustand. Diese angeborene Reaktion auf Angst kann in einer gefährlichen Situation von Vorteil sein, denn sie wirkt sich positiv auf die Hirnfunktion aus, indem man Signale, die auf Gefahr hindeuten, schneller erkennt.

    Hasan et al. (2019) haben im Gehirn jene Strukturen identifiziert, die für das Erinnern von Angst zuständig sind. Bekanntlich brennen sich emotionale Erlebnisse besonders stark ins Gedächtnis ein, was nicht nur für schöne Situationen wie eine Hochzeit gilt, sondern vor allem auch für traumatische Erfahrungen wie einen Unfall. Dieser gedächtnisfördernde Effekt von starken Gefühlen ist evolutionär betrachtet durchaus sinnvoll, denn so prägen sich auf diese Weise etwa vergangene Gefahrensituationen besser ein und man kann sie in Zukunft eher vermeiden. Bisher ging man davon aus, dass Erinnerungen wie diese im Hippocampus entstehen und später im Cortex gespeichert werden, doch für mit Angst verknüpfte Gedächtnisinhalte scheint auch der Hypothalamus eine wichtige Rolle zu spielen. In einer Studie bei Ratten hatte sich auf Oxytocin-produzierender Neuronen in dieser evolutionär alten Hirnregion konzentriert, denn dieser Botenstoff ist dafür bekannt, emotionale Reaktionen wie Angst zu steuern. Dabei zeigte sich, dass die Oxytocin-Neuronen kontextabhängiges Angstverhalten kontrollieren und womöglich auch das Wissen über die Angst enthalten, wobei diese Zellen auch Teil eines Schaltkreises sind, der erforderlich ist, um das Angstgedächtnis wieder zu löschen.

    Neuropeptide und Angstreaktion

    Kim et al. (2024) haben neue Methoden zur Untersuchung von Botenproteinen im Gehirn, den Neuropeptiden, entwickelt. Diese Neuropeptide steuern die Angstreaktion im Gehirn von Mäusen und könnten dabei helfen, effektivere Schmerzmittel und Behandlungen für angstbedingte Erkrankungen wie PTBS und Angstzustände zu entwickeln. Bisher wurde angenommen, dass die Angstreaktion im Gehirn durch schnell wirkende Moleküle, sogenannte Neurotransmitter, vermittelt wird. Die Forschungsgruppe konnte nachweisen, dass die primären Botenstoffe in diesem Angstkreislauf nicht, wie bisher angenommen, aus der Gruppe der schnell wirkenden Neurotransmitter stammen, sondern aus der Klasse der langsam wirkenden, größeren Moleküle, den Neuropeptiden. Um die Rolle der Neuropeptide genauer zu untersuchen, wurden neue Methoden entwickelt, welche eine Beobachtung und Manipulation der Neuropeptidfreisetzung im Gehirn lebender Mäuse ermöglichen. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Gefahrenkreislauf im Gehirn auf Neuropeptide und nicht auf Neurotransmitter angewiesen ist und dass mehr als ein Neuropeptid an diesem Prozess beteiligt ist. Die Resultate der vorliegenden Studie könnten zu einer Optimierung von Schmerzmitteln sowie der Entwicklung von Behandlungsmethoden für angstbedingte Erkrankungen beitragen. Es besteht die Erwartung, dass diese Erkenntnisse das Verständnis der Neuropeptide im Gehirn vertiefen und die Erforschung neuer Medikamente vorantreiben, welche mehrere Neuropeptidrezeptoren gleichzeitig anvisieren, um wirksamere Schmerzmittel oder Behandlungsstrategien für Angststörungen wie PTBS zu generieren.

    Ein etwas anderer Literaturtipp: Satire auf die Angst

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der portugiesische Autor Rui Zink macht in seiner Satire „Die Installation der Angst“ die Angst zu einem Produkt, das man sich in seiner Wohnung wie einen Internetanschluss oder eine Alarmanlage installieren lassen kann. Rui Zink stellt in dem Buch eine Frau und Mutter vor, die eines Tages überraschend von zwei Männern besucht wird, die die Angst bei ihr installieren wollen, wobei während der Installation Sousa und Carlos, Spezialisten für die Inbetriebnahme von Angst, verschiedene Spielarten ihres Produkts vorstellen, etwa die Angst vor Gewalt, Terror, Krankheit, Einsamkeit, Entfremdung oder Armut.

    Literatur

    Agudelo, Leandro Z., Femenía, Teresa, Orhan, Funda, Porsmyr-Palmertz, Margareta, Goiny, Michel, Martinez-Redondo, Vicente, Correia, Jorge C., Izadi, Manizheh, Bhat, Maria, Schuppe-Koistinen, Ina, Pettersson, Amanda T., Ferreira, Duarte M.S., Krook, Anna, Barres, Romain, Zierath, Juleen R., Erhardt, Sophie, Lindskog, Maria & Ruas, Jorge L. (2014). Skeletal Muscle PGC-1?1 Modulates Kynurenine Metabolism and Mediates Resilience to Stress-Induced Depression. Cell, 159, 33-45.
    Bibliographisches Institut AG (1964). Angst. Das große Duden Lexikon. Mannheim: Lexikonverlag.
    Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG (2006). Angst. Das Lexikon für Österreich. Mannheim: Dudenverlag.
    Die große Bertelsmann Lexikothek (1984). Angst. Bertelsmann Lexikon. Gütersloh: Bertelsmann Lexikothek Verlag.
    F.A. Brockhaus GmbH (1995). Angst. Brockhaus Enzyklopädie. Mannheim: F.A. Brockhaus AG.
    Hasan, Mazahir T., Althammer, Ferdinand, Silva da Gouveia, Miriam, Goyon, Stephanie, Eliava, Marina, Lefevre, Arthur, Kerspern, Damien, Schimmer, Jonas, Raftogianni, Androniki, Wahis, Jerome, Knobloch-Bollmann, H. Sophie, Tang, Yan, Liu, Xinying, Jain, Apar, Chavant, Virginie, Goumon, Yannick, Weislogel, Jan-Marek, Hurlemann, René, Herpertz, Sabine C., Pitzer, Claudia, Darbon, Pascal, Dogbevia, Godwin K., Bertocchi, Ilaria, Larkum, Matthew E., Sprengel, Rolf, Bading, Hilmar, Charlet, Alexandre, Grinevich, Valery (2019). A Fear Memory Engram and Its Plasticity in the Hypothalamic Oxytocin System. Neuron, 103, 133-146.
    Wikipedia, die freie Enzyklopädie. Angst. Online im Internet: WWW: http://de.wikipedia.org/wiki/Angst (23.10.2011).
    McGlashan, E.M., Poudel, G.R., Jamadar, S.D., Phillips, A.J.K. & Cain, S.W (2021) Afraid of the dark: Light acutely suppresses activity in the human amygdala. PLoS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0252350.
    Kim, Dong-Il, Park, Sekun, Park, Seahyung, Ye, Mao, Chen, Jane Y., Kang, Sukjae J., Jhang, Jinho, Hunker, Avery C., Zweifel, Larry S., Caron, Kathleen M., Vaughan, Joan M., Saghatelian, Alan, Palmiter, Richard D., Han, Sung (2024). Presynaptic sensor and silencer of peptidergic transmission reveal neuropeptides as primary transmitters in pontine fear circuit. Cell, doi:10.1016/j.cell.2024.06.035.
    Ohne Autor (2013). Ohne Sorgen wäre gar nichts wichtig. Interview mit Hans Morschitzky (Linzer Landesnervenklinik) über die Angst in den OÖN vom 28. Februar 2012.
    Pilgram, J. (2020). Die andere Hälfte von Mut. Süddeutsche Zeitung vom 5. November 2020.
    Shackman, A. J., & Fox, A. S. (2016). Contributions of the Central Extended Amygdala to Fear and Anxiety. The Journal of Neuroscience, 36, 8050–8063.
    Stangl, W. (2024, 24. Juli). Neuropeptide und Angstreaktion . Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/5294/neuropeptide-und-angstreaktion.
    Whittle, Nigel, Fadok, Jonathan, MacPherson, Kathryn P., Nguyen, Robin, Botta, Paolo, Wolff, Steffen B. E., Müller, Christian, Herry, Cyril, Tovote, Philip, Holmes, Andrew, Singewald, Nicolas, Lüthi, Andreas & Ciocchi, Stéphane (2021). Central amygdala micro-circuits mediate fear extinction. Nature Communications, 12, doi:10.1038/s41467-021-24068-x.
    Zelano, Christina, Jiang, Heidi, Zhou, Guangyu, Arora, Nikita, Schuele, Stephan, Rosenow, Joshua & Gottfried, Jay A. (2016). Nasal Respiration Entrains Human Limbic Oscillations and Modulates Cognitive Function. The Journal of Neuroscience, 36, 12448-12467.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Phobien.shtml (11-02-11)

     


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    3 Gedanken zu „Angst“

    1. Tracy Dennis-Tiwary

      Das erste Prinzip von Angst ist Information. Hör ihr zu. Das zweite Prinzip ist, dass die Information manchmal nicht nützlich ist. Lass sie los und tauche wieder in die Gegenwart ein. Lass die Zukunftsangst los. Der dritte Grundsatz lautet: Wenn du die Angst losgelassen hast, aber zurückkehrst und feststellst, dass sie doch nützliche Informationen hat – über die Welt, über Dinge, die dir wichtig sind, über die Zukunft, über die Hoffnung –, dann verbinde sie mit einem Ziel.

    2. Angstforscherin

      Das menschliche Angstsystem ist so ausgelegt, dass man nur auf kurzfristige Bedrohungen reagiert, etwa mit Angriff oder Weglaufen. Ein Problem ist aber, dass Pandemie und Krieg lang anhaltende Situationen sind, in denen Angreifen oder Weglaufen nicht möglich sind. Wenn diese Zustände sehr lange anhalten, dann wird zu viel Cortisol ausgeschüttet, wodurch das Immunsystem geschwächt werden kann, d. h., langfristige Stressreaktionen sind belastend für den Körper. Um dem vorzubeugen ist es wichtig zu realisieren, dass es noch um Bedrohungsszenarien geht, die einem nicht direkt nach dem Leben trachten. Auch ist es sinnvoll, direkt vor dem Schlafengehen keine Nachrichten mehr anzusehen, sondern mindestens eine Stunde vorher herunterzufahren und etwas Angenehmes zu tun, etwa Musik zu hören oder ein Buch zu lesen. Erholsamer Schlaf ist in diesen Zeiten besonders wichtig.

    3. Kurz gefasst

      Von Geburt an sind alle Menschen unbekannten und gefährlichen Situationen ausgesetzt, und Angst ist die natürliche Reaktion auf solche Situationen, wobei das, was Angst auslöst bzw. wovor sich jemand konkret fürchtet, ganz individuell ist und zu einem beträchtlichen Maße von individuellen Lern- und Lebenserfahrungen abhängt. Angst entsteht in der Amygdala, einem mandelkernförmigen Gebiet des Gehirns, denn hier werden die eingehenden Informationen gefiltert und an die entsprechenden Areale weitergeleitet. Unter anderem werden dabei die Hormone Adrenalin und Cortisol aktiviert, wodurch es zu einer Anspannung der Muskulatur, einer Erhöhung von Blutdruck, Puls und Blutzucker und dadurch zu einer maximalen Leistungsbereitschaft des Körpers kommt, was Menschen im Notfall in die Lage versetzt, sofort reagieren zu können, zu flüchten oder anzugreifen.

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