Als Reflex bezeichnet man in der Psychologie die einfache, automatische, angeborene Reaktion auf einen sensorischen Reiz, wie den Kniesehnenreflex oder den Lidschlussreflex. Reflexe sind von Geburt an vorhandene, unwillkürliche (d. h. nicht steuerbar ablaufende) Reaktionen des Organismus auf innere oder äußere Reize. Man unterscheidet verschiedene Arten von Reflexen.
Beispiel: Bei der medizinischen Überprüfung des Kniesehnenreflexes oder Patellasehnenreflexes wird durch einen leichten Schlag auf die Patellarsehne unterhalb der Kniescheibe ausgelöst, der ruckartig die Dehnung der Sehne verändert bzw. erhöht. Diese Erhöhung der Sehnenspannung wird über Nervenbahnen weitergeleitet, wobei auf kurzem Weg über das Rückenmark eine reflexartige Aktivierung der kniestreckenden Muskulatur erfolgt. Die Abkürzung über das Rückenmark ist deshalb sinnvoll, denn wenn eine schnelle, starke Dehnung auf die Sehne einwirkt und der Körper erst auf eine Antwort des Großhirns warten müsste, ist es für diesen motorisch schnell ablaufenden Prozess meist zu spät. Dieser Reflex stellt daher eine Schutzreaktion dar, ist auch nicht trainierbar und bleibt im Wesentlichen immer gleich. Ein Ausbleiben des Reflexes weist auf eine Schädigung der jeweiligen Rückenmarkssegmente oder des Oberschenkelnervs hin.
Bei Eigenreflexen sind der Ort der Reizauslösung und der Ort, an dem die physiologische Reaktion (Erfolgsorgan) darauf erfolgt, identisch (Zehenbeugereflex), während diese Orte bei Fremdreflexen verschieden sind. Erstere werden auch monosynaptische, letztere polysynaptische Reflexe genannt. Während diese beiden durch Reflexbögen vermittelt werden, treten bedingte Reflexe erst nach Konditionierung auf. Reflexbögen beschreiben die Stationen, die bei Auslösung eines Reflexes nacheinander im Körper aktiviert werden.
Persistierende frühkindliche Reflexe haben Auswirkungen auf Lernen und Verhalten von Kindern
Jedes Baby entwickelt noch im Mutterleib Reflexe, die durch Reize aus der Umwelt ausgelöst werden und sein Überleben sichern. So führt etwa der Saugreflex dazu, dass ein Neugeborenes zu saugen beginnt, wenn seine Lippen berührt werden, doch verschwinden solche Muster im Lauf des Kleinkindalters. Durch Stress, Rauchen oder Alkoholkonsum in der Schwangerschaft kann dieser Prozess aber gestört werden, ebenso durch eine verlängerte Geburt sowie Infektionen beim Neugeborenen, die die Entwicklung verzögern, können dazu führen, dass frühkindliche Reflexe erhalten bleiben.
Bei solchen erhalten gebliebenen Reflexen reagiert später ein Schulkind aber nicht so wie ein Neugeborenes, sondern es fällt durch Entwicklungsverzögerungen auf, etwa in Form von Konzentrationsproblemen, nicht Stillsitzen können, Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten oder fehlende Impulskontrolle. Das Nervensystem kann solche erhalten gebliebenen Reflexe zwar meist unterdrücken, dennoch binden sie Aufmerksamkeit, die den Kindern dann fehlt. Anzeichen für eine solche Entwicklung kann sein, dass ein Kind oft stürzt, es allgemein ungeschickt erscheint, in der Grob- und Feinmotorik oder in der Sprachentwicklung verzögert ist, ihm Lesen und Schreiben schwer fällt. Häufig sind die Ursachen dafür frühkindliche Restreflexe, die nicht in das Gehirn integriert worden sind. Abhilfe schafft hier ein Reflexintegrationstraining mit Methoden, die dazu dienen die neuromotorische Reife von Kindern zu überprüfen, den individuellen Entwicklungsbedarf festzustellen und mit einem gezielten Unterstützungsprogramm ein neuronales Nachreifen zu ermöglichen.
Anmerkung: Nicht selten erhalten solche Kinder die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, da die Symptome ähnlich sind, doch bei ADHS sind nicht solche verbliebenen Reflexe die Ursache.
Literatur
http://www.biologische-psychologie.de/entries/64 (12-03-21)
Vielen Dank für die schnelle und Auführliche Antwort!
In meinen Studienuntelagen steht, dass die Greifreflexe und auch die Schreitreaktion eines Babys strukturierte motorische Verhaltensweisen sind. Ist dann also davon auszugehen, dass das Baby diese mit einem gewissen Ziel macht? Diese Verhaltensweisen dienen ja zur Übung der Bewegungen und verschwinden nach gewisser Zeit wieder um dann als kontrollierte Bewegungen wieder aufzutauchen. Kann man sagen, dass Reflexe bestehen bleiben und nicht verschwinden, wie die oben genannten? Oder werden die oben genannten als Verhaltensmuster bezeichnet, da sie den Sinn des Einübens der Bewegungsabläufe haben?
LG Annette
Ich denke, dass es sich dabei um Definitionsfragen handelt, die jeweils aus der Perspektive der Fachdisziplin zu betrachten sind. Es dürfte etwas schwierig sein, Verhaltensmuster bei Kleinkindern hinsichtlich ihrer Intentionalität zu beurteilen.
W. S.
Hallo,
kann mir jemand den Unterschied zwischen Reflexen und strukturiert motorischem Verhalten erklären?
Vielen Dank schonmal.
LG Annette
Reflexe und strukturiertes motorisches Verhalten unterscheiden sich vor allem in ihrer Komplexität und der Art der Steuerung, denn Reflexe sind schnelle, automatische Reaktionen auf bestimmte Reize, die ohne bewusste Kontrolle ablaufen. Reflexe werden in der Regel durch das Rückenmark vermittelt und erfordern keine bewusste Entscheidung oder Planung durch das Gehirn. Ein Reflex ist also ein sehr einfacher, festgelegter Vorgang, der auch meist unveränderlich und angeboren ist. Im Gegensatz dazu ist strukturiertes motorisches Verhalten komplexer und wird durch das zentrale Nervensystem gesteuert, wobei das Gehirn eine zentrale Rolle spielt. Diese Bewegungen sind dabei meist zielgerichtet und können durch Lernen und Übung verändert oder angepasst werden. Sie erfordern eine bewusste Planung und Entscheidung, etwa beim Greifen nach einem Objekt oder beim Laufen. Während Reflexe also automatische Reaktionen auf bestimmte Reize sind, handelt es sich bei strukturiertem motorischem Verhalten um Bewegungen, die in einem komplexe Kontext und mit einem bestimmten Ziel ausgeführt werden.
W. S.