Der Begriff „Brain Rot“ – Gehirnfäule – wird oft verwendet, um einen Zustand geistiger Verflachung, Degeneration oder Stagnation zu beschreiben, der durch wiederholte, monoton wiederkehrende oder geistig wenig herausfordernde Aktivitäten hervorgerufen wird. Der Ausdruck ist in der Regel nicht wissenschaftlich definiert, sondern eher eine umgangssprachliche oder metaphorische Beschreibung. Hier einige der psychologischen Aspekte, die mit diesem Begriff in Verbindung gebracht werden:
- Kognitive Degradation: Der Begriff könnte auf eine Abnahme der geistigen Fähigkeiten hinweisen, wenn das Gehirn nicht ausreichend stimuliert oder herausgefordert wird. Dies kann zu einer Reduzierung der geistigen Flexibilität, der Problemlösungsfähigkeiten und der allgemeinen kognitiven Effizienz führen.
- Monotone oder passive Aktivitäten: Aktivitäten, die wenig geistige Anstrengung erfordern und sich wiederholen, wie exzessives Fernsehen, unreflektiertes Surfen im Internet oder Social Media-Konsum, können als „kognitiv arm“ angesehen werden. In solchen Kontexten kann der Begriff „Brain Rot“ verwendet werden, um die Vorstellung zu vermitteln, dass das Gehirn „verrottet“, weil es nicht ausreichend stimuliert wird.
- Verlust von mentaler Vitalität und Neugier: Ein weiteres psychologisches Merkmal, das mit dem Begriff verbunden sein könnte, ist ein Verlust von Interesse oder Neugier an komplexeren geistigen Aktivitäten oder neuen Lernprozessen. Diese geistige Trägheit kann in einigen Fällen mit der Entwicklung von Problemen wie Langeweile, Anhedonie (Verlust von Freude an gewohnten Aktivitäten) oder sogar depressiven Tendenzen in Verbindung stehen.
- Kognitive Verschwendung: In einem weiter gefassten Sinne kann „Brain Rot“ auch als eine Form von kognitiver Verschwendung verstanden werden, bei der das Gehirn nicht effektiv für produktive oder kreative Zwecke genutzt wird. Dies könnte zu einem Gefühl des Stillstands oder der Unzufriedenheit führen, da das Potenzial des Geistes nicht ausgeschöpft wird.
Die Ursachen von „Brain Rot“ liegen oft in einer unzureichenden geistigen Stimulation. Wenn sich jemand vorwiegend in Umgebungen aufhält, in denen wenig Herausforderung und Abwechslung geboten werden, wie beispielsweise bei repetitiver, monotoner Arbeit oder immer gleichen Aufgaben, kann sich dieser Zustand leicht entwickeln. Auch übermäßiger Konsum von „einfachen“ Medieninhalten, wie exzessives Fernsehen oder die unkritische Nutzung sozialer Medien ohne intellektuelle oder kreative Auseinandersetzung, kann als „Brain Rot“ wahrgenommen werden. Dabei handelt es sich um eine warnende Metapher, die verdeutlicht, dass der Geist nicht nur von äußeren Aktivitäten geprägt wird, sondern es wichtig ist, sich aktiv und bewusst mit anspruchsvollen und tiefgründigen Themen auseinanderzusetzen, um geistig fit und vital zu bleiben.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine übermäßige Nutzung neuer Medien und von Online-Netzwerken tatsächlich gesundheitsschädlich sein kann. Eine besonders problematische Form ist das sogenannte „Doomscrolling“ – das zwanghafte, unkontrollierte Durchscrollen von beunruhigenden Nachrichten und Inhalten auf Bildschirmen. Laut einer Untersuchung aus den USA kann die intensive Verwendung sozialer Medien sogar die Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen, da sich deren Gehirn noch nicht vollständig entwickelt hat und sie deutlich mehr Zeit in den neuen Medien verbringen als die übrigen Menschen, sodass sie besonders gefährdet erscheinen. Immer wieder wird auch der Vorwurf laut, dass einige Online-Netzwerke absichtlich so konzipiert wurden, um Nutzer in eine Art Sucht zu treiben und möglichst lange auf den Plattformen zu halten.
Um diesem „Brain Rot“ vorzubeugen, ist es daher entscheidend, dass Menschen aller Altersgruppen ihre Mediennutzung kritisch hinterfragen und stattdessen bewusst Aktivitäten wählen, die ihre geistigen Fähigkeiten herausfordern und fördern. Regelmäßige Pausen vom Bildschirm, Lesen anspruchsvoller Literatur, das Erlernen neuer Fertigkeiten oder das Lösen komplexer Rätsel können dazu beitragen, die grauen Zellen fit und agil zu halten.
Die wachsende Besorgnis über die negativen Auswirkungen von sozialen Medien, insbesondere TikTok, hat zu rechtlichen Schritten in verschiedenen Teilen der Welt geführt. In den USA haben mehrere Bundesstaaten Klagen gegen die Video-App eingereicht, während in Australien das Parlament sogar ein vollständiges Verbot von Social-Media-Nutzung für Unter-16-Jährige beschlossen hat. Diese Maßnahmen spiegeln die zunehmende Sorge wider, dass die ständige Nutzung von sozialen Medien zu einer Verflachung des geistigen und intellektuellen Niveaus in der Gesellschaft führen könnte.
Interessanterweise wurde der Begriff „Brain Rot“ bereits 1854 von Henry David Thoreau in seinem Werk „Walden“ verwendet, um eine ähnliche Tendenz in der Gesellschaft zu kritisieren. Thoreau beobachtete, wie Menschen dazu neigten, komplexe Ideen zugunsten einfacherer Lösungen abzuwerten. Er sah darin ein Zeichen für einen allgemeinen Rückgang der geistigen Anstrengungen und der Fähigkeit, sich mit anspruchsvolleren Konzepten auseinanderzusetzen.
Angesichts der Tatsache, dass „Brain Rot“ nun zum Oxford-Wort des Jahres 2024 gewählt wurde, scheint diese Beobachtung Thoreaus auch heute noch aktuell zu sein. Die rechtlichen Schritte gegen soziale Medien und der zunehmende Gebrauch dieses Begriffs deuten darauf hin, dass die Gesellschaft nach Wegen sucht, um dieser Tendenz entgegenzuwirken und die geistigen Fähigkeiten der Menschen zu fördern.