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Doomscrolling

    Doomscrolling oder auch Doomsurfing wird definiert als die übermäßige Zeitspanne, die Menschen der Aufnahme von dystopischen Nachrichten widmen. Doomscrolling und Doomsurfing beziehen sich auf die manchmal suchtähnliche Tendenz, weiterhin durch schlechte Nachrichten zu surfen oder zu scrollen, auch wenn diese Nachrichten traurig, entmutigend oder deprimierend sind. Das menschliche Gehirn hat bekanntlich einen Hang zu schlechten Nachrichten, wobei das Gehirn negative Informationen nicht nur schneller verarbeitet, sondern diese bleiben auch länger im Gedächtnis. Dieser Effekt wird in der Psychologie als Negativitätsbias bezeichnet.

    Die neuen Medien bzw. sozialen Medien sind so aufgebaut, dass sie das Belohnungssystem im Gehirn triggern, denn jedes Mal, wenn man eine neue Nachricht sieht, eine Push-Nachricht oder eine Reaktion auf einen Post erhält, kommt es zu einem kurzfristigen Befriedigungseffekt. Auf lange Sicht ist der permanente Konsum schlechter Nachrichten allerdings für viele Menschen eher eine Belastung, denn Schlafstörungen, Angstgefühle und depressive Symptome können die Folge eines solchen dauerhaften Stresszustandes sein, der sich einstellt, wenn man Tag für Tag von negativen Schlagzeilen berieselt wird.

    Die Auswertung einer Online-Umfrage unter Erwachsenen in den USA, in der es um den Medienkonsum, aber auch körperliche Beschwerden und psychische Probleme wie Stress und Ängste ging, zeigte, dass 16,5 Prozent der Befragten Anzeichen eines problematischen Nachrichtenkonsums aufwiesen, denn sie hatten merklich häufiger psychische oder körperliche Erkrankungen. Allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, ob der Medienkonsum die Ursache für die Probleme ist oder ob andere Faktoren dafür eine Rolle spielen.

    Vor allem in Krisenzeiten ist Doomscrolling ein ganz natürliches Verhalten, auch wenn er aus Sicht der Psychohygiene nicht sinnvoll ist, denn das menschliche Gehirn braucht Pausen bei der Verarbeitung von Epidemien, Kriegen, Krisen und Bedrohungen. Deshalb legen viele Menschen ihr Mobiltelefon während solcher Krisenzeiten kaum noch aus der Hand immer auf der Suche nach der nächsten Schreckensmeldung, der neuesten Schlagzeile. So kommt es zu einem endlosen Lesen von negativen Nachrichten, wobei das Gehirn die negativen Wörter schneller, intensiver, besser verarbeitet, sodass ein gewisser Drang wenn nicht gar eine Art Sucht daraus entstehen kann. Weil Menschen negative Nachrichten so stark wahrnehmen, stressen sie aber auch mehr und können sie überfordern, wobei sie mit einer Über- und einer Unterinformiertheit vermutlich genau dasselbe erreichen, nämlich einen passiven Zustand der Erstarrung, einmal aufgrund der Tatsache, dass Menschen sich dann nicht mehr mit dem Ereignis auseinandersetzen und einmal, dass die Psyche nicht damit zu Rande kommt, weil es für sie einfach zu viel ist.

    Dieser Mechanismus des menschlichen Gehirns ist aber grundsätzlich evolutionär sinnvoll, denn er schützt Menschen, wobei er sich vermutlich bereits in der Steinzeit entwickelt hat.

    Anmerkung: Angeblich soll der Begriff im Jahr 2018 zum ersten Mal auf Twitter verwendet worden sein. Doomscrolling ist eine Wortschöpfung aus »doom«, Englisch für Untergang oder Verderben, und »scrollen«, dem Verschieben des Bildschirms.


    Problematisch sind laut Experten vor allem kurze Videos, je kürzer, desto höher das Suchtpotenzial, denn der User klickt sich von Clip zu Clip, immer in der Erwartung, dass das nächste Video besser ist als das vorherige. Mit jedem Klick wird das Belohnungssystem im Gehirn bedient, auch bei negativen Videos, was bedenklich ist, wenn man schon beim Frühstück anfängt zu scrollen und das Gefühl hat, nicht mehr aufhören zu können. Doch nicht nur die Suchtgefahr ist das Problem, auch schlechte Nachrichten schlagen auf die Stimmung, denn die negativen Bilder setzen sich im Gehirn fest, Gefühle manifestieren sich in Bildern, alles wird dunkel und trist. So kommt es zu einer Selbstvergiftung durch die inneren Bilder, wobei neben Depressionen, Ängsten, Hoffnungslosigkeit und innerer Leere auch körperliche Symptome wie Zittern oder Schweißausbrüche auftreten, so dass es mit zunehmender Wiederholung immer schlimmer wird, weil man Freude, Liebe und Hoffnung verliert.
    Ein Ausweg kann sein, das Offline-Glück mit allen Sinnen zu suchen, d.h. viel Offline-Zeit mit guten und schönen Erlebnissen zu suchen, wobei die guten und schönen Erlebnisse nicht am Computer oder Handy stattfinden sollten, sondern in der Dreidimensionalität, mit allen Sinnen. Es gibt kein Patentrezept, denn der eine empfindet Glücksgefühle, wenn er sich in der Natur bewegt, der andere geht lieber ins Museum, arbeitet im Garten oder spielt Fußball. Beim Lesen eines Buches, eines Comics oder beim Blättern in einer Gartenzeitschrift kann man im Gegensatz zu Filmen im Internet das Tempo selbst bestimmen. Unterstützung kann man sich von Freunden und Familie holen, reden, telefonieren, gemeinsam spazieren gehen, denn so gelingt es oft besser, aus einer Negativspirale herauszukommen. Es geht darum, wieder Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und sich gegebenenfalls Hilfe von Experten zu holen. Negative Bilder im Kopf kann man nicht überschreiben, aber man kann sie beiseite schieben und neue, positive Bilder verankern, um wieder eine Balance zu finden, mit der man gut leben kann.
    Zusammenfassung eines Artikels von Dietlind Hebestreit in den OÖN vom 29. März 2024.


    Literatur

    https://www.merriam-webster.com/words-at-play/doomsurfing-doomscrolling-words-were-watching (20-12-12)
    https://www.zeit.de/news/2022-08/28/doomscrolling-was-macht-exzessiver-news-konsum-mit-uns (22-08-29)


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