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Phantom-Touch-Illusion

    Die Phantom-Touch-Illusion – Phantomberührung – bezieht sich auf ein Phänomen, bei dem ein Mensch das Gefühl hat, berührt zu werden, obwohl keine physische Berührung stattgefunden hat, das auch zeigt, wie das menschliche Gehirn Sinneswahrnehmungen interpretieren kann. Zur Demonstration der Phantom-Touch-Illusion wird oft ein Experiment eingesetzt, bei dem eine Person, die ihre Hand auf einen Tisch legt, eine andere Person eine identische Bewegung neben ihr ausführt, ohne die Hand tatsächlich zu berühren. Wenn die Bewegungen synchronisiert sind und die visuelle Wahrnehmung der Bewegung vorhanden ist, kann die Person auf dem Tisch das Gefühl haben, dass ihre Hand tatsächlich berührt wird, obwohl dies nicht der Fall ist.

    Menschen ordnen übrigens Berührungen oft einer falschen Körperseite oder einem falschen Körperteil zu, wenn sie die Beine oder Füße überkreuz legen, denn in Experimenten werden systematische Berührungen von Hände fälschlicherweise den Füßen zugeordnet und umgekehrt. Bisher nahm man an, dass die Verortung von Berührungen auf Körperteilen von mentalen Körperkarten abhängt, doch hängen Phantomberührungen vermutlich von drei Faktoren ab: Von der Identität des Körperteils, also ob es sich etwa um eine Hand oder einen Fuß handelt, sodass häufig die Berührung der einen Hand an der anderen Hand wahrgenommen wird. Den zweitgrößten Einfluss hat die Körperseite des berührten Körperteils, was erklärt, warum die Berührung am linken Fuß manchmal fälschlicherweise an der linken Hand gespürt wird. Hinzu kommt die gewohnte, anatomische Position des Körperteils, also wo sich Hände und Füße am Körper befinden (Badde et al., 2019).

    Pilacinski et al. (2023) berichten über das Vorhandensein eines kribbelnden Gefühls, das bei Selbstberührung ohne physische Stimulation wahrgenommen wird, wobei man immersive Virtual-Reality-Szenarien nutzte, in denen die Probanden ihren Körper mit einem virtuellen Objekt berührten. An der Studie nahmen 36 Personen teil, die VR-Brillen trugen, die sich zuerst an die VR-Umgebung gewöhnten, indem sie sich darin bewegten und virtuelle Objekte berührten. Im Anschluss bekamen sie die Aufgabe, ihre Hand in der virtuellen Umgebung mit einem virtuellen Stab zu berühren, wobei diese Berührung zu einem kribbelnden oder prickelndes, elektrisierendes Gefühl führte, das der berührten Stelle des virtuellen Körpers entsprach. Interessanterweise wurde die Illusion auch beobachtet, wenn die Probanden unsichtbare Teile ihrer Gliedmaßen berührten. Man vermutet, dass diese Phantom-Touch-Illusion aus dem taktilen Gating-Prozess während der Selbstberührung resultiert, wenn es keinen taktilen Input zu unterdrücken gibt. Der gemeldete Phantom-Touch-Illusion beim Berühren unsichtbarer Körperteile deutet darauf hin, dass das taktile Gating nicht ausschließlich auf dem Sehen basiert, sondern auf multisensorischem Top-down-Input, der das Körperschema einbezieht. Das deutet darauf hin, dass die menschliche Wahrnehmung und das Körpergefühl nicht nur auf visuellen Aspekten basiert, sondern auf einer komplexen Kombination aus vielen Sinneswahrnehmungen und der internen Vorstellung des eigenen Körpers. Nach Ansicht der Forscherrinnen ist es wichtig, zunächst zwischen den tatsächlichen Empfindungen von Phantom-Touch und anderen kognitiven Prozessen zu unterscheiden, die an der Schilderung solcher Empfindungen beteiligt sein können, also etwa Suggestionen oder auch experimentelle Umstände.

    In diesem Zusammenhang sei auf das Phänomen des Phantomschmerzes verwiesen, denn etwa zwei Drittel aller Menschen, denen ein Körperteil amputiert wurde, leiden unter teilweise sehr heftigen Phantomschmerzen, die sie sehr genau lokalisieren können, wobei die Schmerzen sehr unterschiedlich empfunden und als schneidend, brennend, stechend oder krampfartig beschrieben werden, aber auch attackenhaft, einschießend, messerstichartig oder elektrisierend. Diese scheinen umso öfter in Erscheinung zu treten, je näher die Amputation an der Körpermitte liegt, wobei auch die Intensität und Dauer der Schmerzen sich von Mensch zu Mensch sehr unterscheiden können. Neurologen haben gezeigt, dass diese Schmerzen absolut real sind, denn man hat in bildgebenden Verfahren nachgewiesen, dass beim Phantomschmerz alle Teile des Gehirns genau so aktiv sind, als würde der Betroffene einen akuten Schmerz erleiden.(Stangl, 2018).

    Literatur

    Badde, Stephanie, Röder, Brigitte & Heed, Tobias (2019). Feeling a Touch to the Hand on the Foot. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2019.02.060
    Pilacinski, Artur, Metzler, Marita & Klaes, Christian (2023). Phantom touch illusion, an unexpected phenomenological effect of tactile gating in the absence of tactile stimulation. Scientific Reports, 13, doi:10.1038/s41598-023-42683-0.
    Stangl, W. (2018, 16. Juli). Phantomschmerz. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
    https:// lexikon.stangl.eu/2338/phantomschmerz.


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