Die Schetinin-Pädagogik ist ein vom ehemaligen russischen Musiklehrer Michail Petrowitsch Schetinin nach Ideen von Anton Semjonowitsch Makarenko erschaffenes Unterrichts-Konzept, das nach Ansicht von Sektenexperten stark mit der Anastasia-Ideologie verbunden ist. Die Anastasia-Bewegung ihrerseits hat ebenfalls ihren Ursprung in Russland und basiert auf Büchern von Wladimir Megre. Diese Bücher handeln von einer jungen Frau namens Anastasia, die in der Taiga als Nachfahrin eines uralten Volkes, der Wedrussen, lebt und eine Art gottähnlicher Mensch ist. Anastasia ist dabei von der Zivilisation unbeeinflusst, lebt in vollkommenem Einklang mit der Natur und habe paranormale Fähigkeiten, wie etwa spezielle Heilkräfte oder die Fähigkeit, mit Tieren zu kommunizieren. Zentral ist dabei eine naturnahe Weltanschauung, die im Gegensatz zur hochtechnologisierten Konsumwelt steht, wobei Anastasia zur Erlöserfigur der Menschheit hochstilisiert wird.
Die Schetinin-Pädagogik wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Lyzeum-Internat für komplexe Persönlichkeitsbildung von Kindern und Jugendlichen in Tekos am Schwarzen Meer in der Region Krasnodar entwickelt.
Schulisch spielen neben klassischen Fächern wie Englisch oder Algebra, musische und sportliche Fächer eine große Rolle im Schetinin-Konzept, wobei das Grundprinzip ist, dass die Schüler und Schülerinnen Inhalte selbst erarbeiten und aneinander weitergeben. Ein weiteres zentrales Konzept dieser Pädagogik ist das Vernetzen von rechter und linker Gehirnhälfte, sodass sich im Tagesablauf Vermittlung von Wissen mit Tanz, Gesang, Kunst und Sport ab wechseln. Dieses sogenannte „Rhythmisierte Lernen“ wird mit den Schlagworten „Denken – Bewegen – Singen – Pause“ charakterisiert. Es ist daneben auch wichtig, dass Leben und Lernen eins ist, d. h., dass gemeinsam gekocht, gegessen, gearbeitet und die Freizeit verbracht wird.
Kritisiert wird an dieser Form der Pädagogik, dass sie stark nationalistisch geprägt ist, denn dabei wird nach Ansicht von Experten die Sowjetunion und der Stalinismus verherrlicht. Auch der enge Bezug zur Anastasia-Ideologie und ihren teils fragwürdigen Tendenzen wird als problematisch gesehen. Anastasia ist dabei eine völkisch-esoterische Siedlungsbewegung, deren Ideologie eindeutig braune und weltverschwörerische Züge trägt, denn ein Kernelement ist die Beschwörung des historisch nicht verbürgten Volkes der slawisch-arischen Wedrussen, von denen nach Megres esoterischer Welttheorie die russischen, europäischen und amerikanischen Völker abstammen.
In einem Flyer ist nach dem Bericht der Wochenzeitung WOZ zu lesen: «Offenes und freies Lernen entsteht durch den Kontakt des bioenergetischen Feldes. Wenn hier das Treffen gelingt, kann in zehn Tagen der Mathematikstoff der ganzen Mittelschule erfasst werden. Also elf Jahre Mathematik in zehn Tagen.»
Literatur
https://de.wikipedia.org/wiki/Schetinin-P%C3%A4dagogik (19-11-21)
https://www.fm1today.ch/ostschweiz/sektenschule-in-uznach-was-wir-wissen-und-wie-es-nun-weitergeht-147170411 (22-07-14)
https://www.woz.ch/-c99f (22-07-15)
Ich denke, es geht um diese Vorstellung von «zurück zur Natur», im Einklang mit der Natur leben, einfach und gesundheitsbewusst leben, romantisch und utopisch. Und in einem spirituellen Kontext eingebettet. Auch die Unabhängigkeit mag eine Rolle spielen – das Gefühl, etwas selbst zu gestalten und unabhängig von staatlichen Vorgaben zu leben, Stichwort Individualisierung. Möglicherweise spielt auch die Corona-Pandemie eine Rolle, die den Leuten einen temporären Rückzug auferzwungen hat. Bei manchem mag die Zurückgezogenheit trotz aller Probleme eine Neuorientierung ausgelöst haben. Solche Gefühle können von der Anastasia-Ideologie angesprochen werden.
Quelle: https://www.fm1today.ch/ostschweiz/expertin-zum-fall-uznach-es-besteht-risikopotenzial-147174220 (22-07-17)