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Approximative Mengenrepräsentation

    Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen beginnt nicht erst mit dem Eintritt in die Schule, sondern bereits im frühen Kindesalter, wobei schon bei Säuglingen Wissen über grundlegende arithmetische Gesetzmäßigkeiten erkennbar ist. Sie verfügen über ein approximatives Verständnis für Mengen und Mengenrelationen, was ihnen ermöglicht Mengenunterschiede festzustellen und vor allem Veränderungen von Mengen zu erkennen. Diese approximative MengenrepräsentationZahlensinn, number sense – bezeichnet somit die Fähigkeit von Menschen, die Größe von Mengen ungefähr bestimmen zu können. Man geht davon aus, dass diese Fähigkeit genetisch determiniert und von Geburt an funktionsfähig ist, denn schon Neugeborene haben ein Basisverständnis von Mengen im Verhältnis von 1:2, um so etwa 8 von 16 oder 16 von 32 Punkten unterscheiden zu können.

    Dieser Zahlensinn ermöglicht es Menschen also, größere Mengen ungefähr bestimmen zu können, lange bevor es zu einem echten Zählen kommt. Zu dieser approximativen Mengenrepräsentation kommt ein zweites quantitatives Verarbeitungssystem hinzu, und zwar das der präzisen Anzahlrepräsentation, das auf der Basis der Arbeitsgedächtniskapazität dafür verantwortlich ist, dass kleine Anzahlen ohne Zählen exakt erfasst werden können. Schon zehn Monate alte Säuglinge können bis zu drei Objekte parallel repräsentieren und präzise verarbeiten, obwohl sie aber noch gar nicht wissen, dass die Zahlwörter eins, zwei, drei den Objekten der Mengen zugeordnet werden.

    Erst mit dem weiteren Spracherwerb beginnen Kinder ein Zahlwortverständnis oder einen Zahlenbegriff zu entwickeln, wobei sie ab einem Alter von etwa achtzehn Monaten erste Zahlwörter produzieren und mit etwa zwei Jahren die Zahlwortreihe meist noch mit Lücken aufzusagen und Dinge abzuzählen beginnen. Diese Fertigkeiten entwickeln sich zwischen zwei und die Jahren weiter, bis die Kinder die Zahlwortreihe zunächst bis fünf und dann bis zehn flüssig und ohne Auslassungen und Fehler aufsagen und Objekte abzählen können. Zur Feststellung des Zahlenverständnisses junger Kinder kommt übrigens die „Gib-mir!“-Aufgabe zum Einsatz.

    Von einem ersten exakten Zahlenverständnis, also dem Verständnis der natürlichen Zahlen, das dem von Erwachsenen gleich kommt, kann mit etwa zweieinhalb Jahren ausgegangen werden, wobei dieses exakte Zahlenverständnis nicht mehr nur die einfache Unterscheidung verschiedener Mengen beinhaltet, sondern die Kinder dazu befähigt, die ersten Zahlwörter „eins“ und „zwei“ mit der entsprechenden Anzahl von Objekten zu verknüpfen.

    Vierjährige verstehen, dass beliebig große Mengen von Objekten abgezählt werden können und dass durch die exakte Zuordnung von Zahlwort und Objekt die genaue Anzahl von Objekten einer Menge festgestellt werden kann, wobei das für das letzte Objekt verwendete Zahlwort nun gleichzeitig für die Anzahl der Objekte dieser Menge steht.

    Dieses angelegte Grundwissen ist für Eltern und Erzieher bzw. Erzieherinnen wichtig, da sie damit arbeiten können, um die nächsten Verständnisstufen der Mathematik zu erreichen, wobei bedeutsam ist, dass die Kinder Zahlen nicht einfach nur auswendig lernen, sondern lernen, Mengen und Verhältnisse zu verstehen und im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen.

    Literatur

    Dornheim, D. (2008). Prädiktion von Rechenleistung und Rechenschwäche. Der Beitrag von Zahlen-Vorwissen und allgemein-kognitiven Fähigkeiten. Berlin: Logos.
    Dornheim, D., & Weinert, S. (2019). Kognitiv-sprachliche Entwicklung. In D. Urhahne, M. Dresel &
    F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrerberuf
    (S. 273-294). Heidelberg: Springer.
    Lehrl, S. (2018). Qualität häuslicher Lernumwelten im Vorschulalter. Eine empirische Analyse zu Konzept, Bedingungen und Bedeutung. Springer: Wiesbaden.
    Lehrl, S., Kluczniok, K. & Roßbach, H.-G. (2016). Longer-term associations of preschool education: The predictive role of preschool quality for the development of mathematical skills through elementary school. Early Childhood Research Quarterly 36, 475-488.
    Lehrl, S. & Dornheim, D. (2020). „Was Hänschen nicht lernt …“!?
    WWW: https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/verwaltung/presse/045-UNI-PUBLIKATIONEN/uni.vers/2020-forschung/02-was.pdf


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