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Phrenologie

    Die Phrenologie ist eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus der von Franz Joseph Gall formulierten Lokalisationslehre oder Schädellehre entwickelte topologisch ausgerichtete Lehre, die versuchte, geistige Eigenschaften und Zustände bestimmten, klar abgegrenzten Hirnarealen zuzuordnen. Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben andererseits unterstellt.

    Franz Joseph Gall, in Tiefenbronn bei Pforzheim geboren, studierte in Straßburg Medizin und übersiedelte 1781 nach Wien, wo er sich auf die Erforschung des menschlichen Gehirns spezialisierte und u.a. den Faserverlauf der Nerven vom Rückenmark zum Gehirn entdeckte. Bekannt wurde er für den von ihm postulierten Zusammenhang der Schädelform mit den darunter gelegenen Gehirnorganen, und war überzeugt, dass sich die Charaktereigenschaften bestimmten Hirnregionen zuweisen lassen und man deren Ausprägung an der Schädelform ablesen könne. Es galt dabei, Dellen und Beulen zu ertasten und den von Gall definierten Eigenschaften zuzuordnen, wobei es bald unter Laien ein beliebter Zeitvertreib wurde, sich gegenseitig auf der Suche nach bestimmten Wesensmerkmalen an den Kopf zu greifen.

    Gall stellte in seinen Schriften zahlreiche seelische Vermögen auf, etwa Scharfsinn, Mut, Witz, Wortgedächtnis u. a., wobei jedes dieser Vermögen seinen Sitz an einer bestimmten Stelle im Gehirn haben und von außen erkennbar sein sollte. Allerdings wurden die Annahmen Galls und seines Schülers Spurzheim, die damals großes Aufsehen erregt hatten, sämtlich als falsch erwiesen, besonders seit Marie-Jean-Pierre Flourens die Lokalisationsforschung auf wissenschaftliche Grundlagen stellte und später im Jahre 1870 Fritsch und Hitzig die elektrische Reizung der Großhirnrinde einführten. Flourens erforschte unter anderem in Tierversuchen die Lokalisation von Gehirnleistungen und fand auch die Funktion des Kleinhirns als Koordinator von Bewegungen. 1828 wurde Flourens in die Académie des sciences aufgenommen und 1855 zum Professor am Collège de France berufen. Flourens wurde durch seine Forschungen zu einem der größten wissenschaftlichen Gegner der Phrenologie Franz Joseph Galls.

    Gall begann 1796 über die seine Schädellehre, Phrenologie oder Kranioskopie Privatvorlesungen zu halten, und erntete sowohl begeisterte Zustimmung als auch Ablehnung. Als Kaiser Franz die Vorlesungen verbot, kehrte Franz Joseph Gall Wien den Rücken und er verließ die Stadt 1805, worauf aber eine triumphale Vortragsreise durch weite Teile Deutschlands folgte, wobei er sogar eine Begegnung mit Goethe hatte und dessen Schädelwölbungen untersuchte.

    Die Phrenologie als Seelenlehre ist zu unterscheiden von der von ihr und ihrem Pionier Gall beeinflussten Kraniologie (Schädelkunde) bzw. von der Kraniometrie (Lehre von der Schädelvermessung) als Werkzeug der Rassenkunde, die vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts, besonders im Zusammenhang mit rassistischen Theorien, populär wurde. Kraniometrische Vermessungen waren in der Anthropologie und Ethnologie noch weit verbreitet, heutzutage finden sie außer bei der Vermessung von tierischen Schädelknochen noch Anwendung in der Archäologie, um Erkenntnisse über die Evolution der menschlichen Spezies zu gewinnen.

    Literatur

    https://de.wikipedia.org/wiki/Phrenologie (14-09-17)
    https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/phrenologie (14-09-17)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Jean-Pierre_Flourens (14-09-17)


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