Die Ethnologie oder Völkerkunde erforscht und vergleicht die Kulturen ethnischen Gruppen und indigenen Völker, vor allem ihre Wirtschaftsweisen, soziale und politische Organisation, Religionen, Rechtsvorstellungen, medizinischen Kenntnisse und Praktiken, und ihre kulturellen Hervorbringungen wie Musik oder Literatur. Die Ethnologie ist eine beschreibende, theoretisch orientierte und vergleichende Kultur- und Sozialwissenschaft, deren Forschungsziel es ist, dynamische kulturelle und gesellschaftliche Prozesse, Sinnstiftungen und Handlungskontexte vor allem aus der Sicht der Akteure zu verstehen. Dabei beschäftigt sich die Ethnologie auch mit aktuellen Erscheinungen, auch wenn für deren Verständnis Kenntnisse über den geschichtlichen Werdegang bedeutsam sind. Im Unterschied zu anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die sich auf einzelne Felder von Gesellschaft und Kultur konzentrieren, wie etwa die Politikwissenschaften, die Wirtschaftswissenschaften oder die Psychologie, ist die Ethnologie ganzheitlich ausgerichtet, d. h., sie richtet ihren Blick auf komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Teilbereichen kultureller Dynamik und sozialer Praxis.
Als empirische Kulturwissenschaft setzt sich die Ethnologie mit kulturellen und sozialen Prozessen in alltäglichen Lebenswelten auseinander. Im Zentrum stehen dabei Alltagskulturen und Individuen im Kontext ihrer sozialen und historischen Bedingungen. Mit Hilfe der Feldforschung und der empirischen Kulturanalyse werden vergangene und gegenwärtige Gesellschaften sowie die aktuellen gesellschaftlichen Problemlagen untersucht. Zu den zentralen Methoden gehören das teilnehmende Beobachten, Gespräche und Interviews sowie das Lesen und Interpretieren von Quellen, wozu auch das Erstellen und Interpretieren von Fotografien, Audio- und Videoaufnahmen gehört. Methodisch zeichnet sich die durch langfristige Feldforschungen vor Ort aus, die mit einer Teilnahme am Alltagsleben der zu untersuchenden Gesellschaft einhergeht. EthnologInnen bedienen sich sowohl hermeneutischer als auch analytischer Theorien und Methoden.
In die Methoden fließen zahlreiche psychologische Fragestellungen ein, insbesondere bei der Untersuchung der Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum, denn ein grundsätzliches Thema der Ethnologie ist das spannungsgeladene, dialektische Verhältnis zwischen ‚Selbst‘ und ‚Fremdem‘, das Verstehen des Anderen und die Verständigung mit ihm sowie, sich in ihm spiegelnd, das emphatische Verstehen und Relativieren der eigenen Existenz und Lebensweise. Dies macht die gesellschaftspolitische Relevanz aus, die von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit im Zuge der neuen Globalisierung zunehmend erkannt wird. Heute sind EthnologInnen könnendabei als kompetente Übersetzer zwischen scheinbar verschiedenen kulturellen und ethnischen Entitäten fungieren, Konflikte und Bruchstellen besser erkennen helfen.
Literatur
http://www.eth.uni-heidelberg.de/fachprofil.html (16-12-14)