Kurzdefinition: Der volumensmäßig zweitgrößte Teil des Gehirns hat eine deutlich höhere Zelldichte als das Großhirn. Er spielt eine wichtige Rolle bei automatisierten motorischen Prozessen. Das Kleinhirn erhält aus dem Gleichgewichtsorgan im Ohr Informationen über die Körperlage und steuert Motorik und Koordination, das Erlernen von Bewegungsabläufen, die Feinabstimmung der Augenbewegungen, die Gesichtsmuskulatur beim Sprechen und die Fingerbewegungen beim Schreiben.
Das Kleinhirn (Cerebellum) koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass diese flüssig ablaufen, und ist für Gleichgewicht, Bewegungen und deren Koordination verantwortlich. Störungen in diesem Areal des Gehirns können dazu führen, dass der Betroffene unter Bewegungsstörungen leidet oder das Gleichgewicht verliert. Das Kleinhirn besteht aus einer äußeren grauen Schicht und einer inneren weißen Schicht. Es ist mit drei Faserbündeln mit dem Mittelhirn, der Brücke und dem verlängerten Mark verbunden. Brücke und Kleinhirn werden als Hinterhirn (Metencephalon) zusammengefasst. Es ist unentbehrlich für die Bewegungskoordination, dient als Steuerungszentrale für die unbewusste und bewusste Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und des Muskeltonus. Wichtig auch für die Steuerung von schon erlernten motorischen Fähigkeiten wie z. B. Treten eines Balls oder Spielen eines Instruments. Durch die Bewegungskontrolle des Kleinhirn können Menschen scheinbar mühelos ihr Gleichgewicht halten, was etwa zweibeinigen Robotern bereits extrem schwerfällt und eine hohe Computerleistung erfordert.
Im Detail: Das Kleinhirn ist ein sehr selbstständiger Hirnteil, der die Aufgabe hat, bei allen Bewegungen durch entsprechende Muskelkoordination das Gleichgewicht zu erhalten. Für diese Leistung ist es im Nebenschluss mit allen sensiblen und motorischen Nervenbahnen verbunden und bildet den Integrationsort des Gleichgewichtssinnesorganes (Vestibularapparat). Über die Brücke (Pons) empfängt es außerdem die motorische Bewegungsimpulse aus der Großhirnrinde (Großhirn-Brücken-Kleinhirn-Bahn). Auf diese Weise wird das Kleinhirn in die Lage versetzt, die für bestimmte Bewegungsmuster und -ziele notwendige Muskelkoordination automatisch durchzuführen (Teil des extrapyramidalen motorischen Systems). Das Gehirn ist bekanntlich auch und im Besonderen eine Vorhersagemaschine, denn über sensorische und motorische Systeme hinweg besteht ein zentrales Funktionsprinzip des Gehirns eben darin, intern generierte Vorhersagen zu erstellen, die mit dem Feedback der Außenwelt verglichen werden können, um antizipative Handlungen und Wahrnehmungen zu leiten. Um solche Bewegungen basierend auf den vorhergesagten sensorischen Konsequenzen von Handlungen zu verfeinern, muss das Kleinhirn Abweichungen zwischen tatsächlichem und erwartetem sensomotorischem Feedback auf in der jüngeren Vergangenheit aufgetretene Bewegungsmerkmale zurückführen. Dieses Problem wird vermutlich durch eine überwachte Lernregel gelöst wird, die durch Eingaben in die Kleinhirnrinde instruiert wird, indem das Auftreten von Bewegungsfehlern signalisiert wird.
Das Kleinhirn ist der nach dem Großhirn vom Volumen her zweitgrößte Teil des Gehirns und besitzt aber eine höhere Zelldichte, wobei etwa 50 % aller zentralnervösen Neurone im Kleinhirn liegen. Das Kleinhirn erfüllt wichtige Aufgaben bei der Steuerung der Motorik, denn es ist zuständig für Koordination, Feinabstimmung, unbewusste Planung und das Erlernen von Bewegungsabläufen. Das Kleinhirn ist demnach für die Organisation der Bewegung des Körpers zuständig, denn in ihm kommen ununterbrochen Daten aus allen Bereichen das Körpers an, hauptsächlich aber aus dem Gleichgewichtsorgan, das im Ohr liegt. Die Muskeln melden ihre Spannung an diese Zentrale im Gehirn und bekommen von dort auch Befehle, was sie zu tun und zu lassen haben. Das Kleinhirn wird seinerseits wesentlich durch das Großhirn beeinflusst. Im Detail: Das Halten des Gleichgewichts geschieht anhand der Inputs der Augen, der Muskeln, der Gelenke und des Vestibularorgans im Innenohr. Die Augen nehmen die Umwelt dank den Lichtsinneszellen, den Stäbchen und Zapfen, in der Netzhaut wahr. Wenn Licht durch das Auge fällt, trifft es auf die Netzhaut (Retina) und somit auch auf die Lichtsinneszellen, die in der Folge diese Impulse ans Gehirn weiterleitet. Wichtig dabei ist dabei etwa die Unterscheidung zwischen oben und unten. Das Innenohr informiert über Drehbewegungen und Beschleunigungen, Muskeln und Gelenke liefern Informationen über die Druckverteilung an den Fußsohlen, Spannungsveränderungen in der Muskulatur sowie die Stellung und Belastung der Gelenke, wobei im Bedarfsfall sofortige Korrekturmaßnahmen aktiviert werden.
Nun hat man entdeckt, dass die Neuronen im Kleinhirn auch auf Belohnungen und auch auf das Gefühl einer anstehenden Belohnung reagieren, zumindest bei Mäusen (Wagner et al., 2017).
Zur Veranschaulichung der Komplexität des Zusammenspiels zwischen Gehirn und Bewegung eine kleine Übung: Die Hände werden ausgestreckt vor den Körper gehalten und die rechte Hand formt dabei mit zwei Fingern das Symbol einer Pistole und die linke Hand das Symbol von Hasenohren. Diese Fingerposition wird nun zwischen den beifen Händen gewechselt, wobei man versucht, diesen Wechsel nach einem langsamen Beginn immmer schneller durchzuführen. Dabei wird deutlich, dass es immer schwieriger wird, die beiden Symbole mit den Fingern wirklich korrekt zu formen.
Kleinhirn an der Intelligenz beteiligt
Auch zur Intelligenz des Menschen und zu geistigen Leistungen trägt nach neuesten Forschungn das Kleinhirn bei. Vor allem die graue Substanz (die Zellkörper der Nervenzellen) im Kleinhirn, die die äußere Schicht bildet, steht bei älteren Erwachsenen mit der allgemeinen Intelligenz in Verbindung. Das Schwinden kognitiver Fähigkeiten hängt also vermutlich nicht nur mit Abbauprozessen im Stirnhirn zusammen, denn man fand einen direkten Zusammenhang zwischen dem Volumen der grauen Substanz im Kleinhirn und der allgemeinen Intelligenz, der bei Männern deutlich stärker ausgeprägt war als bei Frauen. Man vermutet daher, dass von der Funktion des Kleinhirns die Geschwindigkeit und die Konstanz der Wahrnehmungen und der Entscheidungen mitbestimmt wird, ebenso, wie die Geschwindigkeit, mit der man neue Fähigkeiten lernt. Möglicherweise hängen also körperliche und geistige Beweglichkeit vor allem bei älteren Menschen zusammen.
Literatur
Wagner, Mark J., Kim, Tony Hyun, Savall, Joan, Schnitzer, Mark J. & Luo, Liqun (2017). Cerebellar granule cells encode the expectation of reward. Nature, doi:10.1038/nature21726.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kleinhirn / (10-02-07)
http://www.blickamabend.ch/news/super-job-9-dinge-die-das-gehirn-ohne-unsere-hilfe-macht-id5244575.html (16-07-22)
Sorry! War ein Fehler im Relativpronomen, wobei statt „Zusammenhang“ ursprünglich „Korrelation“ stand. Wurde korrigiert!
„…denn man fand einen direkten Zusammenhang zwischen dem Volumen der grauen Substanz im Kleinhirn und der allgemeinen Intelligenz, die bei Männern deutlich stärker ausgeprägt war als bei Frauen.“
– ??? – da hat sich wohl ein kleiner Fehlerteufel eingeschlichen. In einem bekannten Magazin war dies wie folgt dargestellt (zum Vergleich):
Bei der Auswertung der Daten beobachteten die Forscher einen direkten Zusammenhang zwischen dem Volumen der grauen Substanz im Kleinhirn und der allgemeinen Intelligenz. Dies war auch dann der Fall, wenn das Gesamtvolumen des Gehirns und das Volumen der grauen und der weißen Substanz im Stirnlappen mit in die Auswertung einbezogen wurden. Allerdings war der Zusammenhang bei Männern deutlich stärker ausgeprägt als bei Frauen.
Liest sich doch bedeutend anders, oder?
Danke, sehr informativ 😉