Küchenpsychologie ist ein populärwissenschaftlicher Begriff und bezeichnet eine naive und unreflektierte Form der Verwendung alltagspsychologischer Kenntnisse. Die Küchenpsychologie gibt meist simple Antworten auf komplexe Fragen und führt Menschen immer wieder in die Irre. Das liegt daran, dass die Psychologie im Alltag immer präsent ist, denn Menschen denken sehr häufig psychologisch, etwa wenn man andere Menschen erlebt und ihr Verhalten verstehen will. Man erzieht Kinder und überlegt, wie man sie erfolgreich zu ihrem Besten lenken kann, man geht Partnerschaften ein, führt Teams, will anderen Menschen gefallen, will andere von seinen Ansichten überzeugen. Und all das tut man, indem man Annahmen über die Psyche anderer Menschen trifft.
Der Erfolg dieser Versuches hängt natürlich davon ab, dass man die richtigen Annahmen trifft, Gefühlsäußerungen anderer korrekt identifiziert, Handlungsmuster zutreffend deutet, Motive, Prägungen, Eigenschaften und vieles mehr in einen sinnvollen Zusammenhang stellt und daraus die richtigen Schlüsse ableitet. Eine solche Analyse ist aber aufwändig und erfordert ein gerüttelt Maß an Zeit und Fachwissen. Im Alltag hat man es aber eilig und scheut den Aufwand. Simple Antworten auf komplexe Situationen sparen Zeit und Energie, wobei solche Erfahrungen sich nachhaltig im Gehirn festsetzen können. Jedes Muster, das man in seiner Umwelt erkannt zu haben glaubt, vermittelt Sicherheit. Die Quellen solcher psychologischer Mythen sind zahlreich:
- Mundpropaganda: Menschen halten Behauptungen für wahr, weil sie von vielen Menschen immer wieder erzählt werden.
- Selektive Wahrnehmung: Menschen neigen dazu, vor allem Informationen aufzunehmen, die ihr Weltsicht bestätigen.
- Kausalität statt Korrelation: Menschen folgern aus dem gleichzeitigen Auftreten von Phänomenen, dass eines der Grund für das andere ist.
- Von sich auf andere schließen: Aus unserem persönlichen Erleben im Alltag schätzt man Dinge viel bedeutsamer ein, als sie es tatsächlich sind.
- Übertreibungen: In vielen psychologischen Mythen stecken oft Körnchen von Wahrheit, die aber maßlos überbewertet werden.
In der Küchenpsychologie wird meist eine Hypothese mit der Realität gleichgesetzt, denn man hat eine Überzeugung aufgebaut, und weil man diese schon lange hat, weil sie auch andere haben und man hier und dort auch schon darüber gelesen hat, denkt man, das muss richtig sein. Zu haben Menschen zahlreiche Annahmen über sich selbst, die sich als Blockaden erweisen können, etwa Glaubenssätze einer im Unbewussten gespeicherten Küchenpsychologie.
Seit neuestem findet sich Küchenpsychologie besonders in den neuen Medien. InfluencerInnen gibt es mittlerweile für so ziemlich jeden Lebensbereich, darunter auch Psychologie und medizinische Fachrichtungen. Während man bei Tipps zur Inneneinrichtung relativ wenig anrichten kann, ist das bei der Psychologie schon deutlich komplizierter, denn da wird explizit Küchenpsychologie geteilt oder unter dem Deckmantel etwa der Bodypositivity Body Shaming betrieben. Zwar gibt es auch verantwortungsbewusste Blogs und Accounts, die ernsthaft und seriös über mentale Gesundheit und psychische Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen oder Burnout aufklären, doch da es keine Inhaltskontrolle gibt, können auch Menschen ohne gesundheitlichen Background ihre Tipps und Gedanken beliebig teilen. So sind etwa achtzig Prozent der 16 bis 19-Jährigen auf Instagram aktiv, wobei vor allem bei jüngeren Zielgruppen vermeintliche Tipps zur Psyche gefährlich sein können. InfluencerInnen sagen den Menschen, was normal ist und was nicht, wobei man durch die ständige Präsenz vom vermeintlich Perfekten junge Menschen stetig unter Druck setzt.
Siehe dazu auch Alltagspsychologie und Alltagstheorien.
Literatur
http://de.wikipedia.org/wiki/Alltagspsychologie (10-11-21)
https://svenrohde.com/wie-kuechenpsychologie-uns-schadet/ (18-12-12)