Zum Inhalt springen

Blinzeln

    Das Blinzeln oder der Lidschlag ist ein Reflex (Lidschlussreflex) des Organismus auf verschiedenste Reize, z.B. auf einen Luftzug oder ein plötzliches, lautes Geräusch, wobei Menschen auch automatisch etwa einmal alle fünf Sekunden die Augen schließen, bei dem das Gehirn dennoch für ein stabiles Bild der Umwelt sorgen muss. Jeder Mensch blinzelt also pro Minuten rund zehn bis fünfzehn Mal für je eine zehntel Sekunde. Zwar werden die Lider für einen kurzen Moment geschlossen, meist geschieht es jedoch unbemerkt und hat kaum Einfluss auf die Wahrnehmung. Blinzeln wirkt also so, als hätte man die Augen gar nicht geschlossen. Dahinter steckt ein besonderes Phänomen im Gehirn, bei dem Verbindungen im Gehirn, die visuelle Eindrücke reagieren, kurz vor dem Schließen der Lider unterbrochen werden. Während eines Experiments gab man Probanden eine Lichtquelle in die Mundhöhle, die beim Blinzeln die Netzhaut von innen beleuchtete, d. h., die Netzhaut wurde permanent mit Licht angestrahlt, also auch, wenn diese blinzelten. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie konnte man zeigen, dass die Bereiche der visuellen Wahrnehmung bereits kurz vor dem Schließen der Lider ausgeblendet waren.

    Das Blinzeln aber dient in erster Linie der Aufrechterhaltung des Tränenfilms für die dauerhafte Benetzung der Hornhaut mit Tränenflüssigkeit, um das Auge vor dem Austrocknen zu schützen. Dabei wird nicht nur die Hornhaut befeuchtet, sondern auch mit Sauerstoff versorgt. Auch werden mit dem regelmäßigen Lidschlag auf das Auge gelangte feine Partikel weggewischt und über den Tränenkanal abtransportiert.

    Blinzeln kann aber auch eine Funktion in der alltäglichen persönlichen Kommunikation haben, denn dabei ermöglicht der gegenseitige Blick den jeweiligen Zuhörern, den Rednern ein visuelles Feedback etwa durch Nicken zu geben. Zu einem solchen Feedback gehört potenziell auch das Blinzeln, wie Hömke et al. (2018) gezeigt haben. Sie untersuchten die potenzielle Feedback-Funktion des Blinzelns, das tendenziell unterschwellig ist und von kaum jemandem bewusst wahrgenommen wird, sodass sich die Frage stellt, ob die Unterbrechung des gegenseitigen Blicks durch Blinzeln auch kommunikativ sein kann. Dabei wurde ein auf Virtual Reality basierendes experimentelles Paradigma entwickelt, das es ermöglichte, das Blinzeln in einem virtuellen Zuhörer selektiv zu manipulieren und kleine Unterschiede in der Blinzeldauer zu erzeugen, was zu kurzen (208 ms) und langen (607 ms) Blinksignalen führte. Dabei zeigte sich, dass Sprecher unbewusst die subtilen Unterschiede in der Blinzdauer der Zuhörer berücksichtigten und wesentlich kürzere Antworten als Reaktion auf lange Blinzeln der Zuhörer produzierten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass neben den physiologischen, wahrnehmungsbezogenen und kognitiven Funktionen auch das Blinzeln des Zuhörers als kommunikative Signale wahrgenommen werden und das kommunikative Verhalten der Sprecher in der persönlichen Kommunikation direkt beeinflussen. Vermutlich ist der Lidschlag ein wesentlicher Bestandteil für das Erreichen des gegenseitigen Verständnisses in der täglichen sozialen Interaktion. Man vermutet aber auch, dass ein langsamerer Wimpernschlag dem Sprecher das Gefühl vermitteln könnte, verstanden worden zu sein, doch es ist auch nicht auszuschließen, dass Nicken in Kombination mit langem Blinzeln schlicht das Signal aussendet, zu sprechen aufzuhören.

    Schwiedrzik et al. (2018) untersuchten Epilepsie-Patienten und identifizierten jene Gehirnregion, die dafür eine entscheidende Rolle spielten dürfte, d. h., der mittlere präfrontale Cortex gleicht aktuelle Sehinformationen mit zuvor gewonnenen Informationen ab und trägt somit dazu bei, dass man die Welt stabil wahrnimmt, auch wenn die Augen beim Blinzeln kurz geschlossen werden. Man zeigte Probanden ein Gitter­muster aus Punkten, wobei sie angeben sollten, ob dieses entweder horizontal, diagonal oder vertikal ange­ordnet war. Danach wurde ein anderes Gitter vorgelegt. War die Ausrichtung für die Probanden dieselbe, lag dies dar­an, dass sie unbewusst den Bildspeicherinhalt ihres Gehirns von der ers­ten Aufgabe nutzten. Dadurch komnte man die Aktivität der Nervenzellen messen und schließlich den Bildspeicher eindeutig lokalisieren.

    Auf diese Weise gleicht das menschliche Gehirn übrigens auch Unterbrechungen der tatsächlichen Wahrnehmung nicht nur beim Blinzeln, sondern auch auf Grund eines Perspektivenwechsel bei Bewegung aus und sorgt für ein stabiles Bild. Grundsätzlich ist der Gehirnspeicher dafür verantwortlich, dass das Blinzeln nahe zu unbemerkt passiert, denn ein Teil des Gehirns speichert alle vorher gesehenen Eindrücke, während man die Augen kurz ge­schlossen hat. Werden dann die Augen wieder geöffnet, fügt es die alten und neuen Informa­tionen zu einer flüssigen Bildfolge zu­sammen, sodass das kurze Dunkel vergessen ist. Dieser Effekt kann sich vermutlich auch auf höhere kognitive Leistungen auswirken, denn wenn man den Gesichtsausdruck eines Menschen sieht, beeinflusst diese Information die Wahrnehmung des nächsten Gesichtes.

    Blinzeln ist nach neueren Untersuchungen auch reich an räumlichen Informationen, so dass eine kurze Unterbrechung der Wahrnehmung durch Blinzeln für die Verarbeitung visueller Informationen wichtig sein könnte, denn wenn Menschen über einen längeren Zeitraum auf einen monotonen Hintergrund blicken, nimmt der Kontrast ab, mit dem die Signale der Sehnerven an das Gehirn weitergeleitet werden, d.h. es tritt eine Art Ermüdungseffekt ein, der die Wahrnehmung verschwimmen lässt. Yang et al. (2024) konnten durch die Kombination von hochauflösendem Eye-Tracking bei menschlichen Beobachtern mit der Modellierung von Lidschlag-Transienten und der Spektralanalyse visueller Eingangssignale zeigen, dass Lidschlag die Leistung der Netzhautstimulation erhöht und dass dieser Effekt die Sichtbarkeit trotz der Zeit, die durch die Exposition gegenüber der externen Szene verloren geht, deutlich verbessert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Blinzeln, ähnlich wie Augenbewegungen, als rechnerische Komponente einer visuellen Verarbeitungsstrategie fungiert, die motorisches Verhalten nutzt, um räumliche Information in den zeitlichen Bereich umzuformatieren.

    Häufiges Blinzeln kann zudem die Folge einer Tic-Störung sein. Menschen unterscheiden sich übrigens in der Häufigkeit des Blinzelns, wobei Frauen nicht nur schneller sondern auch häufiger als Männer blinzeln – im Durchschnitt 19 gegenüber 11 Mal pro Minute.

    Literatur

    Caspar M. Schwiedrzik, Sandrin S. Sudmann, Thomas Thesen, Xiuyuan Wang, David M. Groppe, Pierre Mégevand, Werner Doyle, Ashesh D. Mehta, Orrin Devinsky & Lucia Melloni (2018). Medial prefrontal cortex supports perceptual memory. Current Biology, 28, doi:10.1016/j.cub.2018.07.066.
    Hömke, Paul, Holler, Judith & Levinson, Stephen C. (2018). Eye blinks are perceived as communicative signals in human face-to-face interaction. PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0208030.
    Yang, Bin, Intoy, Janis & Rucci, Michele (2024). Eye blinks as a visual processing stage. Proceedings of the National Academy of Sciences, 121, doi:10.1073/pnas.2310291121.


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert