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multisensorische Lerntheorie

    Die multisensorische Lerntheorie besagt, dass das menschliche Gehirn leichter lernt, wenn beim Lernen mehrere Sinne parallel angesprochen werden. Besonders wichtig ist nach neuesten Forschungen dabei das Bewegungszentrum im Gehirn, denn wenn man Wörter einer fremden Sprache nicht nur hört, sondern diese auch mit einer Geste ausdrückt, prägen sie sich besser ein. Mayer et al. (2015) haben Unterrichtsstrategien untersucht und orientierten sich dabei an der Hypothese der multisensorische Lerntheorie, die Erklärungen für die positiven Verhaltenseffekte der Bereicherung liefert, indem sie den Nutzen der Anreicherung auf die Aktivierung von Hirnarealen zurückführt, die auf die Verarbeitung der Anreicherung spezialisiert sind. Bei der Untersuchung mussten junge Frauen und Männer eine Woche lang abstrakte und konkrete Substantive der eigens für Forschungszwecke erfundenen Fremdwörter lernen. Eine Gruppe sah bei der Präsentation eines Wortes ein dazu passendes Bild, in einem weiteren Setting sollten sie das Bild zusätzlich in der Luft nachzeichnen, und eine weitere Gruppe wurde dazu angehalten, das Wort mit einer Geste auszudrücken. Eine Kontrollgruppe musste die Vokabel im klassischen Sinn ohne Anreicherungen erlernen. Danach überprüfte man anhand von Übersetzungstests mehrmals, ob sich die Studienteilnehmer noch an die Begriffe erinnern konnten, wobei die letzte Überprüfung erst sechs Monate später stattfand. Eine Musterklassifizierung von Gehirnscans erlaubte es, aus der Hirnaktivität zu entschlüsseln, unter welcher Anreicherungsbedingung das Vokabular gelernt worden war. Am besten konnten sich die Probanden an einen zu lernenden Begriff erinnern, wenn sie ihn selbst mit Gesten ausdrückten. Hörten sie den Begriff und seine Übersetzung und sahen zusätzlich ein Bild davon, konnten sie sich die Übersetzung ebenfalls besser merken. Das Nachzeichnen eines Begriffes unterschied sich dagegen nicht vom reinen Hören. Offenbar lernt das Gehirn leichter Fremdwörter, wenn es dabei Informationen aus unterschiedlichen Sinnesorganen erhält. Zwar ist unklar, wie sehr sich der Lernerfolg durch mehrere Sinne steigern lässt, doch man empfiehlt, dass die einzelnen Sinneseindrücke zusammenpassen sollten. Das Gehirn lernt offenbar leichter neue Wörter einer Fremdsprache, wenn Informationen aus mehreren Sinnesorganen miteinander verbunden werden, also auch Schmecken, Riechen und Gefühle beim Lernen beteiligt sind. Die Art und Weise, wie ein Begriff einer neuen Sprache gelernt wird, spiegelte sich auch in der Gehirnaktivität wider.


    Ein Beispiel für multisensorisches Lernen

    Man lernt Spanisch und findet dabei das Wort la manzana für Apfel. Um sich diese Vokabel schnell und langfristig einzuprägen, sollte man so viele Sinne wie möglich ansprechen: Man macht die Bewegung mit der Hand, die man normalerweise beim Apfelschälen und beim Apfelessen macht, stellt sich gleichzeitig vor, wie der eigene Lieblingsapfel schmeckt, zuletzt ruft man sich noch das Geräusch in Erinnerung, das man vernimmt, wenn man in einen Apfel beißt.


    Neue Theorien der Kognitionsforschung nehmen an, dass das menschliche Gedächtnis als Teil von Begriffen auch Körperempfindungen speichert. Es ist bekannt und offensichtlich, dass Menschen oft mit ihren Händen bzw. Gesten auf eine verbale Anfrage oder Anweisung reagieren, aber die funktionellen Zusammenhänge von Bewegungssteuerung und Sprache sind noch nicht vollständig geklärt, insbesondere deren neurophysiologische Grundlage. Ein Wort wie Schneebesen speichert das Gehirn wie in einem Lexikon und assoziiert es etwa mit Konzepten wie unbelebt und Küchengerät, zusätzlich aber verbindet es das Wort mit der individuellen Erfahrung, wie sich ein solcher Schneebesen anfühlt oder dass mit dem Küchengerät eine Schleuderbewegung damit verbunden ist. Koester & Schack (2016) haben nun untersucht, ob spezifische motorische Repräsentationen für das Begreifen von Objekten neurophysiologisch mit konzeptionellen Informationen interagieren, d.h. beim Lesen von Substantiven. Probanden saßen dabei am Bildschirm und hatten drei nebeneinander liegende Würfel vor sich: einer so groß wie ein Apfel, einer wie ein Tischtennisball und einer wie ein Spielwürfel. Auf dem Bildschirm waren ebenfalls nebeneinander drei weiße Felder zu sehen. Nun erschienen Wörter in einem der Felder, einerseits Phantasiebegriffe und andererseits echte Begriffe. Wurde etwa ein Pseudowort wie Quarl eingeblendet, mussten die Probanden nichts tun, erschien jedoch ein echtes Wort wie Orange, so sollten sie den unter dem Feld liegenden Würfel greifen. Mit einem EEG zeichnete man während des Versuchs die Gehirnaktivität auf, so dass man registrieren konnte, wie das Wort im Gehirn verarbeitet wurde. Schon nach einer Zehntelsekunde reagierte das Gehirn, wenn eine Greifaktion erforderlich war, was nicht nur bestätigt, dass das Gehirn über gemeinsame Steuerprogramme für Sprache und Bewegung verfügt, sondern zeigt auch, dass sich die Verarbeitungsschritte des Gehirns sehr schnell verändern und an aktuelle Aufgaben anpassen, in diesem Fall an die Aufgabe, beim Lesen des Wortes zu greifen.

    Ergebnisse empirischer Studien (Zimmer, 2009) zeigen auch den positiven Einfluss sportlicher Aktivitäten auf die kindliche Entwicklung im Hinblick auf Sprachentwicklung. Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen motorischer und sprachlicher Leistung, denn je ausgeprägter die motorischen Fähigkeiten eines Kindes sind, desto besser ist die Leistung beim Verstehen von Sätzen und beim Satzgedächtnis. Zudem gibt es eine Übereinstimmung zwischen dem phonologischen Arbeitsgedächtnis und der Gedächtnisspanne für Wortfolgen mit der feinmotorischen Geschicklichkeit. Daraus kann abgeleitet werden, dass die feinmotorische Ausprägung und die Sprachentwicklung bei Kindern parallel laufen.

    Auch die Suggestopädie Lozanows begründet ihr Lernen explizit auf die Einbeziehung multisensorischer Stimuli und Elemente des Körperlernens (psychomotorisches Lernen). Multisensorisches Lernen ist daher jene Lernform, die Menschen von Geburt an begleitet und vor allem beim Erwerb der Erstsprache die zentrale Rolle spielt In neueren Untersuchungen konnte auch gezeigt werden, dass das menschliche Gedächtnis als Teil von Begriffen auch Körperempfindungen speichert, d. h., ein Wort wie ,Quirl‘ speichert das Gehirn wie in einem Lexikon und assoziiert es mit Konzepten wie unbelebt und Küchengerät, zusätzlich verbindet es das Wort mit der Bewegungserfahrung, wie sich ein Schneebesen anfühlt und dass zum Beispiel eine Schleuderbewegung damit verbunden ist – siehe dazu Embodiment.
     
    Literatur
     
    Koester, Dirk & Schack, Thomas (2016). Action Priority: Early Neurophysiological Interaction of Conceptual and Motor Representations. PLOS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0165882.
    Mayer, K. M., Yildiz, I. B. , Macedonia, M. & von Kriegstein, K. (2015). Visual and motor cortices differentially support the translation of foreign language words. Current Biology, 25, 530-535
    Stangl, W. (2007). Lernstile – was ist dran? [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/PUBLIKATIONEN/Lernstile.shtml (07-11-12)
    Zimmer, Renate (2009). Handbuch Sprachförderung durch Bewegung. Freiburg: Herder.

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