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Power-Napping

    Manche Schlafforscher plädieren für einen kurzen Mittagsschlaf, Power-Nap (Mittagsschlaf von 20-30 Minuten), um die durch längere Konzentrationsphasen häufiger werdenden Aufmerksamkeitsausfälle zu verringern, denn wer dreißig Minuten schläft, steigert nach Untersuchungen die Reaktionsfähigkeit um bis zu sechzehn Prozent und verringert Aufmerksamkeitsausfälle um 34 Prozent. In Japan und den USA wird der „Power Nap“ gefördert, denn dort werden ArbeitnehmerInnen Schlafräume zur Verfügung gestellt. In Japan heißt das Schlafen zwischendurch „inemuri„, was soviel bedeutet wie „anwesend sein und schlafen“. Inemuri ist in Japan in allen öffentlichen Bereichen zu finden und wird weitgehend toleriert: In der Schule, am Arbeitsplatz, im Parlament, in der U-Bahn, sogar im Theater und im Konzert. Inemuri ist die in Japan übliche öffentliche Form des Nickerchens, ein so ist es in Japan nicht unüblich, während einer Konferenz, einer Pause oder in der Bahn zu schlafen. Diese Art von Schlaf ist jedoch so flach, dass man die Umgebung noch soweit wahrnimmt, um etwa an der richtigen Haltestelle auszusteigen. Entscheidend ist dabei die Sitzposition, denn sie verhindert, dass man zu tief im Schlaf versinkt. Schlafen im Sitzen ist allerdings nicht jedermanns Sache, und letzten Endes spricht auch medizinisch einiges für den klassischen Liegeschlaf, weil er seltener zu schmerzhaften Körperfehlstellungen und Verspannungen führt. Auch in China ist der Mittagsschlaf „Xeu-Xi“ gesellschaftlich akzeptiert .

    Auch in den USA gilt es als leistungssteigernde Maßnahme. Da nun auch Harvard-Forscher und die NASA nachgewiesen haben, dass ein mittäglicher Kurzschlaf die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit messbar steigert, gibt es immer mehr Firmen die Power-Napping sogar aktiv organisieren.

    Übrigens in alten Geschichten, Erzählungen und Gemälden findet man, dass die Idee des Powernapping alles andere als neu ist, denn bis zur Industrialisierung gehörte der Mittagsschlaf zum Alltag. Erst später hatte sich der Mensch den Erfordernissen der Produktion anzupassen und der Mittagsschlaf verschwand aus der Arbeitswelt, wobei sie selbst in Südeuropa, wo die Siesta in der Mittagshitze aus Notwendigkeit eine Tradition hat, zurückgedrängt wurde. Untersuchungen von Schlafforschern zeigen übrigens, dass der kurze Mittagsschlaf dem natürlichen Biorhythmus entspricht und  einen positiven Effekt auf das Immunsystem hat aber auch den Stresspegel senkt. Powernapper leiden seltener an Kopf- und Rückenschmerzen, und Herzkranke haben ein um 37 Prozent verringertes Risiko für einen Infarkt.

    Stangl & Kanning (2013) haben experimentell herauszufinden versucht, ob sich Powernapping positiv auf die Leistung von Büroangestellten auswirkt. Insgesamt 64 Angestellte einer Bank erklärten sich bereit, bei dem eintägigen Versuch mitzumachen, der in verschiedenen Filialen stattfand. Sie durften sich aussuchen, ob sie zur Schlaf- oder zur Kontrollgruppe gehören wollten: Die Teilnehmer der ersteren verbrachten eine leicht verkürzte Mittagspause, durften dafür aber im Anschluss zwanzig Minuten lang in einem abgedunkelten, ruhigen Raum schlafen oder dösen. Die Probanden der zweiten Gruppe verbrachten ihre Pause ohne Powernapping. Der Status vor dem Schlaf und dessen Effekt wurde mit dem Konzentrationstest d2 gemessen, der kurz vor Mittag, um 14 und um 17 Uhr durchgeführt wurde. Das Ergebnis zeigte, dass die Schläfer im Schnitt etwa 14 Prozent mehr Zeichen bearbeitet hatten als die Kontrollgruppe und hatten dabei deutlich weniger Fehler gemacht, denn deren Anteil lag bei den Teilnehmern ohne Schlaf erst bei etwas mehr als neun und stieg um 17 Uhr auf weit über zehn Prozent an. Bei den Ausgeschlafenen lag er zu beiden Uhrzeiten bei etwa sechs Prozent.


    powernapping
    [Stangl & Kanning, 2013, S. 34]


    Power-Napping läßt sich übrigens erlernen bzw. einüben, etwa mit Yoga, autogenem Training oder Progressiver Muskelentspannung. Am einfachsten zu lernen ist die Progressiver Muskelentspannung, eine Methode, die etwa bei Stress, Schlafstörungen, Muskelverspannungen oder Schmerzen angewandt wird. Ihr Prinzip beruht darauf, dass eine kräftige Anspannung der Muskulatur zu einer verstärkten Durchblutung führt. Nach dem Entspannen empfindet man dies oft als durchströmende Wärme. Progressiver Muskelentspannung übt man am besten im Liegen. Zunächst wird die Muskulatur einer Hand angespannt, indem man etwa die Faust ballt, und anschließend gelockert. Dann wiederholt man das mit der anderen Hand. Während der Übung sollte ruhig und gleichmäßig weitergeatmet werden. Dies gilt vor allem für die Anspannungsphase, die etwa sieben Sekunden dauert. Danach folgt eine Entspannungsphase von etwa 30 Sekunden.

    Der neueste Trend: Coffee Nap

    Nach einem Bericht eines amerikanischen Newsportals haben Wissenschaftler entedeckt, dass eine Kombination aus Kaffee und Schlaf am besten wach macht. Sobald Koffein über die Blutbahn ins Gehirn gelangt und sich an Rezeptoren festsetzt, die normalerweise von Adenosin besetzt sind – Adenosin entsteht bei jeder Form von Gehirnaktivität und macht den Menschen müde – werden die Rezeptoren von Koffein blockiert, sodass sich Adenosin dort nicht mehr festsetzen kann. Diese Wirkung kann eine kurze Schlafphase nach dem Kaffee verstärken, denn Schlaf reduziert den Adenosinlevel im Gehirn. Wichtig ist wie beim Power-Napping nicht zu lange zu schlafen, wobei nach Ansicht der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zwanzig Minuten ausreichen, denn nach dieser Zeit setzt die Tiefschlafphase ein, die es wie beim Power napping zu vermeiden gilt. Das Koffein braucht im übrigen etwa genau so lange, um über das Verdauungssystem ins Blut und schließlich ins Gehirn zu gelangen. Während des Coffee nap hat sich der Adenosinlevel reduziert, so dass mehr Rezeptoren für das Koffein frei sind und seine volle Wirkung entfalten kann.

    Slama et al. (2015) haben übrigens in einer Untersuchung gezeigt, dass nicht nur ein Mittagsschlaf den Leistungsabfall nach dem Mittagessen verringern kann, sondern auch helles blaues Licht. Das ist nicht verwunderlich, da beanntlich das bläuliche Licht von Computermonitoren das Schlafverhalten von Menschen negativ beeinflusst.

    Hinweise für Powernaps

    Maximal dreißig Minuten, um nicht in Tiefschlaf zu gelangen, sonst ist man nachher müder als vorher. Wichtig ist ein ruhiger Platz, an dem man diese Zeit völlig ungestört ist. Am besten teilt man durch den Powernap den wachen Tag in zwei Teile, also etwa sechs bis acht Stunden nach dem Aufstehen. Zu diesem Zeitpunkt hat man nach der inneren Uhr ein kleines Tief, und der Abstand zum Nachtschlaf ist groß genug. Übrigens ist ein Powernap kein Mittagsschlaf, denn der dauert meist zu lange und baut den Schlafdruck ab, der für das Einschlafen notwendig ist!


     Studie: Mittagsschlaf verjüngt Ihr Gehirn um mehr als 6 Jahre – BILD.de 😉


    Literatur

    Slama, H., Deliens, G., Schmit, R., Peigneux, P., Leproult, R. (2015). Afternoon Nap and Bright Light Exposure Improve Cognitive Flexibility Post Lunch. PLoS ONE 10(5): e0125359. doi:10.1371/journal.licht
    Stangl, B. & Kanning, U. P. (2013). Effekte des Powernapping im Büro. Steigert ein kurzer Mittagsschlaf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit? Personalführung, 12, 33-34.
    Stangl, W. (2007). Mittagssschlaf.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/Schlaf-Forschung.shtml (07-04-21)


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    3 Gedanken zu „Power-Napping“

    1. Pressemeldung

      Eine Studie des University College London ergab, dass regelmäßige kurze Nickerchen während des Tages gut für das Gehirn sind und dazu beitragen, seine Größe über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Johns Hopkins Medicine berichtet, dass ein 30- bis 90-minütiges Nickerchen für das Gehirn älterer Erwachsener von Vorteil sein kann, während ein Nickerchen von mehr als anderthalb Stunden sich negativ auf die Kognition und die Gedächtnisbildung auswirken kann. Diese Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass ein moderates Nickerchen am Tag für die Erhaltung der Gesundheit und Größe des Gehirns von Vorteil sein könnte, insbesondere bei Erwachsenen mittleren und höheren Alters.

    2. Bedenken gegen den Mittagsschlaf

      Trotz vieler Studien, die den Mittagsschlaf positiv bewerten, gibt es auch Bedenken, denn das regelmäßige Bedürfnis nach einem Mittagsschlaf kann bei manchen Menschen auf eine schlechte Schlafhygiene oder sogar auf eine ernsthafte Grunderkrankung hinweisen. Bei nicht wenigen Menschen kann sich der Mittagsschlaf negativ auf die Stimmung und die allgemeine Leistungsfähigkeit auswirken, so dass bei Schlafproblemen oder Schlafveränderungen in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden sollte.
      Quelle
      Stangl, W. (2023, 29. August). Bedenken gegen den Mittagsschlaf.
      https://notiert.stangl-taller.at/gesundheit/bedenken-gegen-den-mittagsschlaf/.

    3. Powernapper

      Offensichtlich ist das menschliche Gehirn im Wachzustand mit so vielen Prozessen beschäftigt, dass kreative Lösungen manchmal schwierig sind. Der Schlaf ist eine Zeit, in der das Gehirn viel effizienter arbeiten kann als im Wachzustand, obwohl viele Menschen den Schlaf als Ruhezeit betrachten. Doch für das Gehirn ist es eher so, dass man die Kinder ins Bett gebracht hat und endlich andere Dinge erledigen kann, ohne dass sie stören. Das Gehirn denkt sich: ‚Toll, du störst nicht mehr – endlich kann ich alles erledigen‘.
      Die Vorgänge im Gehirn lassen sich durch die elektrische Aktivität erklären, denn wenn das Gehirn arbeitet oder spricht, produziert es schnelle elektrische Wellen mit geringer Amplitude (Betawellen), die kreative Prozesse unterdrücken. Im Ruhezustand produziert das Gehirn langsamere Alphawellen mit höherer Amplitude, und dann beginnt der Mensch einzunicken. Nun, da man sich dem Schlaf nähert, bilden sich Thetawellen, die auch mit Tagträumen in Verbindung gebracht werden. Im Tiefschlaf produziert der Mensch dann Deltawellen.
      Vor allem die Thetawellen, die beim Einschlafen und während des Powernap aktiv sind, könnten dafür verantwortlich sein, dass man Probleme und Situationen aus einer anderen Perspektive wahrnimmt oder sogar einen Geistesblitz hat.

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