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Biorhythmus

    Biorhythmen bzw. biologische Rhythmen sind regelmäßig wiederkehrende Zustände und Veränderungen von Organismen, wobei sich in der Biologie die Chronobiologie mit den damit in Zusammenhang stehenden Phänomenen beschäftigt. Die meist populärwissenschaftlich viel weiter gefasste Biorhythmuslehre, bei der persönliche Hochs und Tiefs berechnet werden sollen, hat damit nichts zu tun.  Die Biorhythmen sind intraindividuell sehr konstant, können aber interindividuell variieren, z.B. hat jeder Mensch zu einer anderen Zeit des Tages die höchste Temperatur. Die Variabilität kann dabei bis zu einer Stunde betragen. Es gibt bei Tieren die Morgentypen wie die Lerche, die am Morgen die höchste Temperatur aufweisen und Abendtypen wie die Eule, die abends die höchste Temperatur aufweist. Biorhythmen werden nicht nur über endogene, sondern auch exogene Zeitgeber beeinflusst.

    Bereits Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden tageszeitabhängige Veränderungen der Pulsfrequenz und der Körpertemperatur beschrieben. 1814 prägte der Mediziner Virey den Begriff der „inneren Uhr„. Heute weiß man, dass alle Lebewesen, vom Einzeller bis zum Menschen, und deren Organisationsebenen, vom subzellulären Niveau bis zu komplexen Organsystemen, Rhythmen unterliegen. Dabei umfasst der Periodenbereich biologischer Rhythmen Bruchteile von Sekunden bis zu Jahren.

    Seit vor mehr als einer Milliarde Jahren einzellige Organismen den inneren Taktgeber erfanden, hat die Evolution unterschiedlichste innere Uhren in fast jedem Organ hervorgebracht. Zwar merkt man allen Taktgebern noch deutlich an, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben, aber sie besitzen trotz ähnlicher Aufgaben nur noch wenige gemeinsame Bestandteile. Dennoch laufen alle Chronometer im Körper synchron, da es eine Art Zeitzentrale im  suprachiasmatische Nucleus gibt. Vom diesem Kern führen Nervenstränge zur Zirbeldrüse, wo unter anderem das Schlafhormon Melatonin gebildet wird. Entsprechend dirigiert der suprachiasmatische Nucleus den Schlafrhythmus und in der Folge die vielfältige Biorhythmen des Körpers.

    Es gibt Hinweise darauf, dass ein schlechter Schlaf mit einem kardiovaskulären Risiko verbunden ist, wobei sich die Forschung in diesem Bereich jedoch häufig auf erinnerungsabhängige Fragebögen oder Tagebücher stützt. In einer Studie von Nikbakhtian et al. (2021) wurde der Zusammenhang zwischen dem mit einem am Handgelenk getragenen Beschleunigungsmesser ermittelten Zeitpunkt des Einschlafens und kardiovaskulären Erkrankungen untersucht. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der UK Biobank wurden dabei über einen Zeitraum von sieben Tagen mit Beschleunigungsmessern untersucht, um den Zeitpunkt des Einschlafens und Aufwachens zu ermitteln. Auf dieser Grundlage untersuchte man den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Schlafbeginns und der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Am geringsten war das Auftreten eines Herz-Kreislauf-Leidens bei jenen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die regelmäßig zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr ins Bett gingen, während eine Schlafenszeit erst ab Mitternacht hingegen ein um 25 Prozent höheres Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bedeutete, wobei schon bei einem Zeitraum zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr das Risiko um zwölf Prozent höher lag. Regelmäßig Bettruhe vor 22:00 Uhr war aber ebenfalls mit einer um 24 Prozent höheren Herz-Kreislauf-Gefährdung verbunden, wobei Frauen insgesamt deutlich mehr durch spätere Schlafenszeit gefährdet waren als Männer. Durch das Einschlafen ab 24:00 Uhr kommt es möglicherweise zu einem längeren Schlafen in der Früh, und dadurch das Morgenlicht nicht zu sehen ist, das die innere Uhr des Körpers steuert.

    Überlagert und beeinflusst wird der menschliche Biorhythmus auch von Ernährungsgewohnheiten, was vor allem das Absinken der Leistungsfähigkeit um die Mittagszeit betrifft, in der Konzentrationsfähigkeit und Leistungsvermögen plötzlich herabgesetzt sind. Grund dafür ist ein abgesenkter Blutzuckerspiegel, wobei diese  Hypoglykämie in ihrem Verlauf zu einer Unterversorgung mit Glukose führt, der Hauptenergiequelle für alle Gehirnaktivitäten. Im Gehirn werden etwa zwanzig Prozent des Stoffwechsels umgesetzt, neben dem lebensnotwendigen Sauerstoff vor allem die Energielieferanten Zucker und Fett. Diese Bausteine können nun aber nicht hochkonzentriert zugeführt werden, denn das damit bewirkte Energiepotenzial fiele genau so schnell wieder ab, so dass man sich anschließend noch erschöpfter als vorher fühlt. Sinnvoller sind hier Lebensmittel, die benötigte Energiemengen nur langsam in den Blutkreislauf freigeben und damit das Gehirn ausreichend und konstant versorgen, manchmal als Brain Food bezeichnet. Die Hülsenfrüchte sorgen mit Kohlenhydraten für einen konstanten Blutzuckerspiegel, Walnüsse liefern Omega-3-Fettsäuren und Bananen versorgen das Gehirn mit Serotonin, Avocados enthalten Vitamine, Folsäure, Kalium, Magnesium, Eisen, Kupfer und Lecithin. Auch günes Gemüse wirkt mit seinen Inhaltsstoffen effektiv gegen freie Radikale, was die Sauerstoffzufuhr positiv beeinflusst und der Müdigkeit entgegenwirkt. Zusätzlich sollte auch ausreichend Flüssigkeit zugeführt werden.

    Biorhythmus in der Esoterik

    Der wissenschaftlich klingende Begriff Biorhythmus wird allerdings auch in der Esoterikszene missbraucht bzw. verkauft, denn die Anbieter von Rechnern behaupten, die körperliche und intellektuelle Leistungsfähigkeit sowie den Gemütszustand eines Menschen anhand von einfachen Berechnungen feststellen und voraussagen zu können. Ausgangspunkt ist die nicht unplausible Idee, dass alles in der Natur Rhythmen unterworfen ist, die bei allen Menschen gleich und daher ausgehend vom Geburtszeitpunkt berechenbar sind. Diese esoterische Biorhythmik geht von drei Grundrhythmen mit unterschiedlicher Periodik aus, wobei der körperliche Zyklus 23 Tage, der emotionale 28 Tage und der geistige Rhythmus 33 Tage dauern soll. Bei der Geburt sollen diese Rhythmen gemeinsam mit einer ersten Periode in positiver Richtung beginnen und sich dann sinusartig fortsetzen, wobei es zu bestimmten Konstellationen der zyklischen Wellen kommt – ähnlich den Konstellationen in der Astrologie -, wobei diese Konstellationen dann entweder positive oder negative Auswirkungen haben können. Zwar wurde diese Methodik des Biorhythmus schon vor über hundert Jahren entwickelt, erlebte aber erst mit dem Aufkommen der elektronischen Taschenrechner und Heimcomputer ihren Durchbruch. Bisher konnte diese Form eines Biorhythmus verständlicherweise wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden, sodass die postulierten „Wirkungen“ eines Biorhythmus in Form berechenbarer Wellen und Zyklen dann auf Grund des Glaubens daran als self fullfilling prophecy möglicherweise für den Einzelnen in manchen Situationen wirksam sein können.

    Literatur

    Nikbakhtian, Shahram, Reed, Angus B, Obika, Bernard Dillon, Morelli, Davide, Cunningham, Adam C, Aral, Mert & Plans, David (2021). Accelerometer-derived sleep onset timing and cardiovascular disease incidence: a UK Biobank cohort study. European Heart Journal, doi:10.1093/ehjdh/ztab088.
    Stangl, W. (2001). Biorhythmus – Biologische Rhythmus – Schlaf – Musik – Jet lag – Taktgeber. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/Biorhythmen.shtml (01-11-09).


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