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autogenes Training

    Die Psychologie hat zahlreiche Methoden entwickelt, die geeignet sind, Folgen einer erhöhten Erregungsbereitschaft und Unfähigkeit zur Entspannung wie Ängste, Gereiztheit, Nervosität und andere Stresssymptome zu bearbeiten, Spannungszustände abzubauen und einen Gleichgewichtszustand zu erreichen und zu stabilisieren.

    Anmerkung: Der Begriff Autogenes Training wird heute oftmals auch als Autogene Psychotherapie bezeichnet, denn es handelt sich letztlich um eine psychotherapeutische Methode, die einen gleichrangigen Stellenwert zu anderen Techniken hat, die eine wichtige Rolle im Bereich der Psychotherapie spielen. Nach dem Psychotherapiegesetz ist die Autogene Psychotherapie eine von wissenschaftlicher Seite anerkannte Methode der Psychotherapie, wobei es sich zudem um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, der von einem systematischen Aufbau geprägt ist. Autogene Psychotherapie zielt darauf ab, physische als psychische Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

    Das Autogene Training ist ein Verfahren zur konzentrativen Selbstentspannung und wurde von Johannes Heinrich Schultz(1884 – 1970), Neurologe und Nervenarzt in Jena, entwickelt. Im Verlauf seiner Tätigkeit als Hypnosearzt ging Schultz von der Annahme aus, dass konzentrierte und beständige Arbeit an sich selbst den einzelnen zu einer Vertiefung seiner Erlebnisfähigkeit, einer Bereicherung der geistigen Kräfte und, über eine bewusstere Lebensführung, zu einer positiven Lebenseinstellung führt. Das autogene Training beruht dabei auf der Technik der Hypnose und macht sich die menschliche Empfänglichkeit für Suggestionen zunutze. In einer Hypnose ist das Erregungsniveau des gesamten Organismus weitgehend gesenkt, die Aufmerksamkeit auf und die Wahrnehmung für äußere Reize ist ausgeschaltet und allein auf das innere Erleben und die Anleitungen des Hypnotiseurs gerichtet. In diesem Zustand ist der Hypnotisierte in hohem Maße empfänglich für die Einwirkungen des Therapeuten (Suggestionen). Unter der Bereitschaft des einzelnen, sich beeinflussen zu lassen, kann mit der Hypnose der Zustand vollkommener Entspannung erreicht werden. Ziel des autogenen Trainings ist nun, diesen Hypnosezustand selbst herbeizuführen – durch „Autosuggestion“ (Konditionierung von Reizen durch formelhaft gesprochenen Satz, z.B. „Ich bin ganz ruhig und entspannt“).

    Schultz hatte sich in Theorie und Praxis mit dem menschlichen Gehirn und dem Bewusstsein beschäftigt, und wollte zunächst auf diesem Weg die Gemütslage kranker Patienten positiv beeinflussen, indem er sie wiederholt mit entspannenden Formulierungen konfrontierte. Das Ziel des autogenen Trainings ist demnach die willentliche Auslösung einer Entspannungsreaktion im psychischen Bereich, wobei konditionierte Rückkopplungen über körperliche Vorgänge angestrebt werden.

    Autogenes Training wird zumeist in kleinen Gruppen(seltener im Einzelsetting) in 1-2 wöchentlichen Sitzungen während einer Dauer von 6-10 Wochen vermittelt. Jede Übung mit ihren verschiedenen Komponenten (z.B. „Schwere“ und „Wärme“ und z.B. „Atemwahrnehmung“) dauert insgesamt 3-5 Minuten und wird im Sitzen (ggf. auch im Liegen) bei geschlossenen Augen durchgeführt. Während des praktischen Trainings schweigt der Therapeut. Autogenes Training kann ab dem Kindesalter bis ins hohe Alter praktiziert werden. Allerdings ist die vegetative Ebene ist als erster Ansatzpunkt für eine Entspannung des Gesamtorganismus weniger gut geeignet, da man sie nur über Vorstellungs- und Denkinhalte der Suggestion beeinflussen können. Eine der Vorbedingungen zur Wirksamkeit suggestiver Verfahren ist eine grundsätzliche Entspannungsfähigkeit und eine Fähigkeit des Wahrnehmens von Körperempfindungen, die vielen Menschen heute fehlen. Es empfiehlt sich daher das Erlernen des autogenen Trainings im Selbstunterricht nur unter der Vorbedingung des Beherrschens der progressiven Muskelentspannung, einer weiteren Methode zur Entspannung.

    Praxis des autogenen Trainings

    Eine bewusste Entspannung kann nur unter optimalen Bedingungen erreicht werden, denn nur wer sich in seiner Umgebung wohl fühlt, kann den Zustand der Entspannung erreichen. Es sollte besonders auf die Umgebungstemperatur geachtet werden, die nicht zu warm, aber auch nicht zu kalt gewählt sein darf. Ebenso muss der Raum, in dem entspannt wird, frei von störenden Geräuschen und möglichst abgedunkelt sein. Besonders AnfängerInnen fällt die Entspannung unter solchen optimalen Bedingungen leicher. Durch häufiges Anwenden des autogenen Trainings kommt es zu einer Verbesserung der individuellen Entspannungsfähigkeit, d.f h., ein Geübter kann in kürzerer Zeit eine Form der Tiefenentspannung erreichen als ein Ungeübter.

    Die Voraussetzung für den Erfolg dieses Verfahrens besteht im regelmäßigen Üben, denn Entspannungsfähigkeit kann nur durch kontinuierliches Training im Körper verankert werden. Daher sollte immer nach einem feststehenden Schema geübt werden, wodurch das Gehirn „konditioniert“ werden kann, indem die Impulse immer dieselben sind. Die Formeln und Übungen müssen daher neben den Lernsitzungen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Hause weiter angewendet werden
    Kontraindikationen bestehen bei Personen mit somatoformen Störungen, da hier ohnehin eine intensive Selbstbeobachtung in Bezug auf somatische und psychische Vorgänge vorliegt, die durch das Training nicht weiter unterstützt werden sollte. Auch bei Psychosen und Borderline-Störungen ist das autogene Training nicht angebracht.

    Die Grundstufe des AT besteht aus 6 Teilen. In der Regel wird in jeder Sitzung eine Formel eingeübt. Hierbei sind Knappheit, Präzision und Monotonie der Formeln im Sinne einer hypnotischen Wirkung wichtig. Die Übungsformeln werden 4-6x wiederholt „Ich bin ganz ruhig“ wird 1-2x wiederholt jeweils aber zwischen den anderen Übungsformeln noch einmal wiederholt).
    Beginn mit der Autosuggestion „ich bin ganz ruhig“, „was geschieht, ist gut“

    • „Mein rechter (linker) Arm ist ganz schwer“; und später; „Meine Arme und Beine sind angenehm schwer“;.
    • „Mein rechter (linker) Arm ist ganz warm“; und später; „Mein Körper ist angenehm warm“ oder „Die Wärme fließt in meine Arme und Beine“;.
    • „Mein Herz geht regelmäßig und ruhig” und später ”Mein Herz geht ganz automatisch, von ganz alleine“. Ängste können hier besonders bei Angstpatienten verstärkt werden, versuchen Sie das Wort Herz mit Puls zu ersetzen, wenn auch das Angst macht, lassen Sie diese Übung bis es Ihnen besser geht.
    • ”Mein Atem geht ganz ruhig” und später ”Mein Atem geht von ganz alleine – Es atmet mich”.
    • ”Mein Sonnengeflecht ist strömend warm” und später ”Die Wärme meines Sonnengeflechts strahlt direkt z.B. in mein Herz/ meinen Bauch/ Oder einfach „Mir wird angehnehm war im Bauch“
    • ”Meine Stirn ist angenehm kühl” und später ”Mein Kopf ist frei und klar”.

    Durch die übende Wiederholung kurzer prägnanter Sätze können Erfahrungen aus der Hypnose i.S. der posthypnotischen Suggestion nutzbar gemacht werden. So erlauben Indifferenzformeln eine Reduktion störender Symptome (z. B. „Schmerzen gleichgültig“ bei Rückenschmerzen), personenbezogen ausgewählte Formeln können auch einen Beitrag zur Selbstbestimmung sowie zur Verhaltens- und Erlebensänderung leisten (z. B. „Ich bin ruhig und gelassen“ vor und in Prüfungssituationen).
    Die Übungen sollten täglich, am besten mehrfach, alleine, wiederholt werden. (jeweils 5 Minuten reichen aus).


    Autogenes Training bei der Schmerzbehandlung

    Autogenes Training wird häufig als therapeutischer Ansatz in der multimodalen Schmerztherapie eingesetzt. Kohlert et al. (2021) haben in einer systematischen Übersichtsarbeit und Meta-Analyse die Wirksamkeit von Autogenem Training bei Menschen mit chronischen Schmerzen im Vergleich zu passiven und aktiven Kontrollgruppen untersucht. Insgesamt wurden dreizehn geeignete Studien mit über fünfhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer identifiziert. Meta-Analysen mit zufälligen Effekten ergaben einen signifikant positiven, moderaten Effekt von Autogenem Training auf den primären Endpunkt Schmerz im Vergleich zu passiven Kontrollgruppen. Alle Studien schlossen Menschen mit chronischen Schmerzen ein, darunter Kopfschmerzen (Spannungskopfschmerz, Migräne), Thoraxschmerzen bei kardialem Syndrom sowie Schmerzen bei Multipler Sklerose, Krebs, rheumatoider Arthritis bzw. Reizdarmsyndrom. Die Gesamtheit der Befunde zeigte auch, dass Autogenes Training im Vergleich zur Standardbehandlung zu einer signifikant stärkeren Reduktion der Schmerzen führt, allerdings war in Hinblick auf die Schmerzreduktion Autogenes Training im Vergleich zu anderen psychologischen Interventionen wie Progressiver Muskelentspannung oder Selbsthypnose nur gleich wirksam. Zwar konnten auf diese Weise die positiven Auswirkungen von Autogenem Training auf die Schmerzlinderung nachgewiesen werden, aber die Ergebnisse waren anfällig für Verzerrungen. Für den Einsatz von Autogenem Training spricht aber, dass es vergleichsweise einfach zu erlernen ist und nach dem Erlernen auch selbständig von den Betroffenen durchgeführt werden kann.

    Siehe dazu Autogenes Training

    Literatur

    Kohlert, A., Wick, K., & Rosendahl, J. (2021). Autogenic Training for Reducing Chronic Pain: a Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. International journal of behavioral medicine, doi:10.1007/s12529-021-10038-6.
    Mayer, Karl C. (o.J.). Autogenes Training.
    WWW: http://www.gek.de/ (04-05-24)
    Schultz, J. H.  (1932). Das autogene Training (konzentrative Selbstentspannung). Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung. Leipzig: Thieme.


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