Der Geruchssinn ist entwicklungsgeschichtlich einer der ältesten Sinne, denn keine andere Wahrnehmung empfinden Menschen so unmittelbar wie das Riechen. Während Sehen, Hören, Fühlen und Schmecken kognitiv vorgefiltert werden, gelangen Geruchsinformationen unmittelbar ins Gehirn, da die Riechnerven direkt in die Nase reichen, wobei die Gerüche in annähernd der gleichen Gehirnregion wie Emotionen verarbeitet werden. Die Moleküle etwa eines Parfums erreichen die Nase und dort das Riech-Epithel mit dem Riech-Schleim, durch den diese dort teilweise mithilfe spezialisierter Transportproteine hindurchgeschleust werden. Schließlich docken sie an einem Rezeptormolekül an, wodurch ein Signal in einem der Riechnerven ausgelöst wird, das den Riechkolben (Bulbus Olfactorius ) erreicht. Studien hatten gezeigt, dass Geruchsmoleküle Rezeptorzellen in der Nase zu elektrischen Signalen veranlassen, die an spezielle Nervenbündel (Glomeruli) im Riechkolben gesendet werden, wobei der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Glomeruli-Aktivierung für einen Geruch einzigartig ist, denn Rosenduft erzeugt etwa eine deutlich andere Signatur der Glomeruli-Aktivierung als etwa Schweißgeruch. Die Signale werden von den Glomeruli aus anschließend an die Hirnrinde weitergeleitet, wo die Reaktionen oder Erinnerungen im Zusammenhang mit dem Geruch aktiviert werden. Man kann sich die Geruchssignatur an den Glomeruli wie eine Melodie vorstellen, denn die Reihenfolge der Noten und ihre Klangdauer führt dazu, dass man eine bekannte Melodie erkennt. Analog dazu führt das Muster der Aktivierung der Glomeruli zum Erkennen eines Geruchs. Dort wird die Information verarbeitet und an das Zentralnervensystem weitergeleitet, wo dieses Signal mit Erinnerungen oder Gelernten verknüpft wird, aber auch mit anderen Sinneseindrücken abgeglichen wird, woraus schließlich die Empfindung Rosenduft entsteht. Dafür reichen oft ganz wenige Moleküle. Übrigens: Steigt Menschen aber ein angenehmer Duft in die Nase wie der Geruch von Maiglöckchen oder Ananas, dann läuft die Reaktion im Vergleich zu unangenehmen Gerüchen eher gemächlich ab, d. h., es erfolgt keine schnelle Reaktion, sondern eine ausführliche Kommunikation zwischen dem Bulbus Olfactorius und dem Großhirn. Es gibt im Gehirn eine permanente Schleife zwischen Riechkolben und Großhirn, d. h., der Riechkolben wird stets auf den neuesten Stand gebracht, wobei das, was man riecht, ins Verhältnis zu früheren Erfahrungen mit diesem Geruch gesetzt wird. Ein solches Update aus dem Großhirn dauert nach neueren Untersuchungen etwa acht Zehntelsekunden.
Durch optogenetische Verfahren hat man jüngst experimentell künstliche Geruchseindrücke im Gehirn von Mäusen erzeugt und damit Einblicke in die neuronalen Mechanismen des Riechens gewonnen. Chong et al. (2020) sind dabei der Frage nachgegangen, ab welchem Grad der Veränderung des Musters ein Geruch noch erkennbar ist, wobei das an Mäusen aus einer genetisch veränderten Zuchtlinie verwendet wurden, deren Gehirnzellen sich gezielt aktivieren lassen, indem sie auf feine Lichtimpulse reagieren, wodurch es möglich ist, über die Impulse im Riechkolben der Tiere künstlich das Muster einer Geruchswahrnehmung auszulösen. Man trainierte die Versuchstiere zunächst darauf, ein auf der Lichtaktivierung von sechs Glomeruli basierendes Signal mit einer Belohnung zu verknüpfen, denn wenn sie diesen Phantom-Geruch wahrnahmen, drückten sie einen Hebel und bekamen etwas zu trinken. Wenn sie den Hebel nach der Aktivierung eines anderen Satzes von Glomeruli betätigten, also nach der Simulation eines anderen Geruchs, gab es hingegen keine Belohnung. Nach dem Training veränderte man das Timing und die Mischung der Glomeruli-Aktivierung, um festzustellen, inwieweit die Mäuse die Reize noch als den Signal-Geruch interpretierten. Veränderte man das Anfangssignal innerhalb jedes geruchsbestimmenden Glomeruli-Sets, kam es zu einer 30-prozentigen Abnahme der Fähigkeit der Mäuse, das Geruchssignal als den bekannten Auslöser zu interpretieren. Die Veränderungen der letzten Glomeruli in jedem Satz führten hingegen nur zu einem Rückgang der genauen Geruchswahrnehmung um fünf Prozent. So konnte man die minimale Anzahl und Art von Reizen feststellen, die der Riechkolben benötigt, um einen bestimmten Geruch zu identifizieren.
Der menschliche Cortex organisiert alle sensorische Informationen, um Unterscheidungen und Generalisierungen zu ermöglichen, wobei die systematische Darstellung des chemischen Geruchsraums im olfaktorischen Cortex bisher noch nicht vollständig erforscht wurde, sodass weitgehend unklar war, wie Geruchsbeziehungen kodiert werden, um chemisch unterschiedliche, aber ähnliche Gerüche, wie Zitrone und Orange, in Wahrnehmungskategorien, wie Zitrusfrüchte, einzuordnen. Pashkovski et al. (2020) haben nun durch die Kombination von Chemoinformatik und Multiphotonen-Bildgebung am Mausmodell gezeigt, dass sowohl der piriforme Cortex als auch seine sensorischen Inputs aus dem Riechkolben chemische Geruchsbeziehungen durch korrelierte Aktivitätsmuster darstellen. Die Informationen der Riechzellen werden im Gehirn also mit bereits bekannten Gerüchen abgeglichen. Dort wird auch entschieden, ob ähnliche Gerüche auseinandergehalten werden können, d. h., als wie spezifisch der Geruch wahrgenommen wird. Dabei unterscheiden sich die cortikalen Geruchscodes jedoch von denen im Bulbus, denn der Cortex bündelt stärker die Repräsentationen für verwandte Gerüche, schreibt paarweise Geruchsbeziehungen selektiv um und stimmt demnach besser mit der Geruchswahrnehmung überein. Bei der passiven Geruchserfahrung baut der Cortex hingegen aktiv eine strukturierte Repräsentation des chemischen Geruchsraums auf, welche die Geruchsbeziehungen hervorhebt, wobei diese Repräsentation bei allen Individuen sehr ähnlich ist, jedoch plastisch bleibt, damit das olfaktorische System verwandte Geruchssignale sowohl gemeinsamen als auch personalisierten Wahrnehmungen zuordnen kann. Durch diesen Mechanismus kann etwa ein geübter Koch verschiedene Formen eines Zitrusgeruches wie Limetten, Zitronen oder Mandarinen unterscheiden, die für Ungeübte einfach als zitronig daherkommen.
Der Geruchssinn ist wohl das älteste Sinnessystem der Evolution, denn bevor Lebewesen im Meer einander hören oder sehen konnten, konnten sie einander olfaktorisch wahrnehmen. Mangels Geräuschen und Licht mussten sich die ersten Wasserbewohner also vorwiegend an chemischen Signalen orientieren, sodass die Nase, das Riechhirn und das damit verbundene limbische System für Emotionen und Gedächtnisbildung zu den ältesten Arealen des Gehirns von Tieren und Menschen zählen. Bei heutigen Primaten sind die Größen des visuellen und des olfaktorischen Zentrums im Gehirn oft negativ korreliert, was bedeutet, dass Affen, die sich besonders stark auf ihre Augen verlassen, dafür schlechter riechen können. Offenbar wurden die Kapazitäten für den Geruchssinn im Laufe der Evolution zugunsten eines besseren Sehsinns eingetauscht. Vermutlich waren das olfaktorische und das visuelle System während der Evolution des Gehirns weniger stark aneinander gekoppelt und haben sich vielmehr unabhängig voneinander entwickelt. Auf eine voneinander unabhängige Entwicklung einzelner Hirnbereiche deuten auch die Vergleiche mit Schädeln anderer früher Affen hin, denn einzelne Gehirnregionen wuchsen mit dem größer werdenden Gehirn nicht gleichmäßig mit, sondern haben sich mosaikartig verändert, wobei es mehrmals und unabhängig voneinander zu Vergrößerungen einzelner Strukturen und manchmal auch zu erneuten Verkleinerungen kam.
Das olfaktorische System ist dabei kein atavistischer Rest der menschlichen Evolution, sondern es erfüllt wesentliche Aufgaben, etwa indem es den Geschmackssinn der Zunge ergänzt, denn diese erkennt lediglich fünf Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, bitter, umami). Alles Übrige erledigt die Nase, das sind etwa achtzig Prozent der beim Essen und Trinken empfundenen Geschmacksnoten.
Es wurde nachgewiesen, dass Menschen insgesamt rund achthundert Geruchsrezeptor-Gene haben, von denen die Hälfte abgeschaltet ist, dennoch sind die Geruchsrezeptor-Gene die größte Genfamilie im Genom des Menschen und machen etwa zwei Prozent der Gene aus. Der Geruchssinn ist dabei ein dynamischer Genpool, denn es findet keine negative Selektion statt und Mutationen sind erlaubt, sodass Gene dadurch an- und abgeschaltet werden können. Daher ist bei Menschen in diesem Genbereich eine Weiterentwicklung möglich und Raum für die Evolution, ganz im Gegenteil zu geschlossenen Gen-Systemen wie der Fortpflanzung, dem Hormonhaushalt oder dem zentralen Nervensystem, denn Mutationen könnten in diesen Bereichen dramatische Folgen haben.
Der Riechsinn bzw. die olfaktorische Wahrnehmung ist eine der komplexesten Formen der Wahrnehmung, da sie eng mit dem Geschmackssinn interagiert. Riechen ist somit das komplexeste Sinnessystem, das Menschen überhaupt haben, denn sie besitzen 350 verschiedene Riechrezeptoren, an denen Duftmoleküle andocken können, wobei jeder Rezeptor auf ein bestimmtes Molekül spezialisiert ist. Die meisten Gerüche sind komplexe Kombinationen von Duftstoffen, d. h., jeder Duft kann aus 100 bis 150 Komponenten bestehen und erst wenn das Gehirn diese Kombinationen gelernt hat, kann es den Duft wiedererkennen. Bisher wurde angenommen, dass Geruchsrezeptoren Informationen in Form eines linearen, additiven Codes an das Gehirn melden, doch unter realistischen Bedingungen verarbeitet das olfaktorische System jedoch einen weitaus komplexeren Input, in der Regel Mischungen von zahlreichen Gerüchen. Xu et al. (2020) fanden nun heraus, dass die nasalen olfaktorischen sensorischen Neuronen bereits ein komplexes Muster von Signalen an das Gehirn weitergeben, wobei die Reaktionen einzelner Neuronen innerhalb des peripheren olfaktorischen Epithels durch das Vorhandensein anderer Gerüche entweder verstärkt oder abgeschwächt werden können, was etwa die gemeinsame Wahrnehmung eines Geruchs in einer Mischung, die andere dominiert, erklären könnte. Dieser Effekt tritt aber innerhalb des peripheren Sinnesorgans auf Rezeptoren und nicht innerhalb des Gehirns erklären könnte. Mithilfe einer 3D-Bildgebungsmethode (Scape-Mikroskopie) hat man nun bei Mäusen festgestellt, wie tausende verschiedene Zellen in der Nase auf verschiedene Gerüche und Mischungen reagieren. Dabei entdeckte man, dass die Informationen, die die Nase über eine Mischung von Düften an das Gehirn sendet, weit mehr als nur die Summe ihrer Teile sind, denn die Signale, die an das Gehirn gesendet werden, werden demnach bereits durch Wechselwirkungen in der Nase geformt.
Wie bei der haptischen Wahrnehmung geht man auch bei der olfaktorischen Wahrnehmung davon aus, dass sie dem Gehirn bei der visuellen Wahrnehmung als Merkmalsspeicher dient, denn so werden etwa überfüllte Mülltonnen automatisch mit unangenehmen Gerüchen verknüpft. Der Geruchsinn nimmt mit dem Alter ab, wobei etwa ein Drittel der über 70-Jährigen ihren Geruchsinn weitgehend verloren hat, was bedeutet, dass von diesen viele Erinnerungen, die an einen Duft gekoppelt im Gehirn gespeichert wurden, nicht mehr abgerufen werden können. Die Nase sendet mit jedem Atemzug Informationen über die den Menschen umgebende Düfte an das Gehirn, und zwar direkt an das Erinnerungs- und das Emotionszentrum, weshalb Düfte einen ungefilterten Zugang zu Gefühlen und Trieben erschließen. Ein Geruch kommt gelangt also von der Nase ins limbische System, d. h., es gibt gewissermaßen eine Standleitung von der Nase zu den Gefühlen. Im Unterschied zu den anderen Sinnesorganen verfügt das Riechsystem über eine direkte Beziehung zum Gehirn, sodass Duftreize ungefiltert zu Zentren weitergeleitet werden, die Gefühle und Gedächtnisinhalte steuern, d. h., ihre Wirkungen treten gleichermassen schnell wie unausweichlich ein. Gerüche werden ständig wahrgenommen und bestimmen die Stimmung des Menschen. Menschen sind vom ersten bis zum letzten Atemzug von Duftmolekülen umgeben, sodass kein Sinn so viele Gefühle auslösen kann wie das Riechvermögen, wobei Menschen Geruchserlebnisse spontaner und klarer erinnern als alle anderen Erfahrungen in ihrem Leben.
Nikolaus Bernau fordert in einem Artikel in der Berliner Zeitung vom 24. September einen olfaktorischen Denkmalschutz. Er gesteht zwar, dass das schwer zu realisieren und vielleicht auch gesundheitsschädlich sei, doch sollte über die Bewahrung von Düften nachgedacht werden, und zwar wenigstens zum Spaß. Er schreibt dazu anriechlich: „Kürzlich war‘s, beim Suchen nach den kühlen Flaschen in einem Keller in Dahlem. Herum stehen einige Regale mit alten Büchern, einstige Luftschutztüren pressten die kalte Luft zusammen gegen die flirrende Gartenhitze. Vielleicht lagen irgendwo auch noch uralte Kohlen, eine ausgetrocknete Bierflasche, eine mumifizierte Maus. Oder war ein Marmeladenglas vergoren und geplatzt? Jedenfalls stand in der Nase sofort das heimelig-gruselige Gefühl wie im Haus der Braunschweiger Großeltern, nahe der Okerniederung gelegen. Nach dem Krieg war es aus der Ruine aufgebaut worden, immer wieder wurde die Geschichte erzählt, dass nur gewölbte Keller den Bomben widerstehen konnten. Muffduft, der Sicherheit verspricht. Oder dieser intensive Ata-Duft bei einem Familienfest vor einem halben Jahr. Die ganze Verwandtschaft von München über Köln, Wuppertal, Braunschweig bis Kiel scheint über Jahrzehnte das gleiche Putzmittel benutzt zu haben. Selbst glatt polierte Kunststeintreppen, die aussehen wie angeschnittene Mortadella, oder Geländer mit gedrehten Stahlstäben und Kunststoffrelings sind davon imprägniert. Oder unser Ost-Berliner Treppenhaus: In der Hitze stieg der einst von Sassnitz bis Pölnitz bekannte DDR-Geruch wieder hoch. Rätselhafterweise war am übernächsten Absatz, trotz gleich verrottendem Fensterrahmen und zertretenem Linoleum, nichts davon zu merken. Hier riecht es immer vor allem nach unterlassener Renovierung, uralter Farbe und abplatzendem Mörtel. Aber im Geschoss dazwischen setzte sich kernig der Duft des real existierenden Sozialismus durch, fegte ohne Probleme gegen die schlappen Parfüme des Kapitalismus und schon gar gegen Öko-Putzmittel aus dem weit geöffneten Fenster. Wofasept, erklärte mir vor Jahren eine Nachbarin, hieß diese Desinfektionschemie. Ermordete angeblich jeden Keim im Handumdrehen. In der Alten Staatsbibliothek Unter den Linden gab es einmal einen ähnlichen olfaktorischen DDR-Erlebnisraum, ein kleines Nebentreppenhaus. Wenn es sommerheiß oder winterüberheizt war, konnte man kaum atmen darin. Bis es bei der letzten Sanierung porentief gereinigt wurde. Und niemand daran dachte, dass hier Geschichte weggeputzt wird? Unendlich viele Texte gibt es zum speziellen Duft der DDR in Interzonenzügen oder zum Duft des Westens, wie er von der Stasi angeblich sogar aus Paketen erschnuppert und nach dem 9. November massenhaft wahrgenommen wurde. Aber je länger die Zeiten dauern, desto weniger erklärbar werden diese Texte. Wir fordern also den olfaktorischen Denkmalschutz. Wo der Duft vergangener Zeit noch schwebt, sollte er bewahrenswert sein.“
Der Geruchssinn stellt einen der wichtigsten Sinne im alltäglichen Leben und Erleben dar, unter anderem bei der Entdeckung von Gefahren oder bei sozialen Interaktionen mit anderen. Der individuelle Körpergeruch ist ein komplexes Gemisch. Körperausscheidungen wie Schweiß oder Talg werden einerseits von Bakterien, die die Haut besiedeln, zersetzt, andererseits reagieren sie mit Chemikalien in der Luft, wobei sich die Körperausdünstungen mit dem Alter verändern. Der Verlust des Geruchssinns bedeutet für Menschen nicht nur eine massive Veränderung ihres sensorischen Lebens, sondern bewirkt auch psychische und soziale Verhaltensänderungen. In Folge eines Verlustes der Riechfunktionen kommt es neben der Beeinträchtigung der Lebensqualität auch zu einer Umstrukturierung im Gehirn und des Mikrobioms, also jener Billionen von Mikroorganismen, die auf unsere Gesundheit und unser Verhalten einwirken.
Gerüche spielen daher auch in der Kommunikation eine wichtige Rolle. Personen, die wir nicht riechen können, kann man tatsächlich meist nicht leiden, auch dann nicht, wenn man sich dazu zwingt. Forscher konnten bei Tierversuchen zeigen, dass im Gehirn Netzwerke von Neuronen existieren, die eintreffende Geruchsinformationen bündeln und erst dann an andere Gehirnregionen weiterleiten, wobei durch diese Bündelung die Daten für die jeweils zuständigen Hirnareale leichter verständlich werden – es findet also eine Vorverarbeitung bzw. vielleicht sogar Vorinterpretation statt. Besonders gefordert wird der Geruchssinn, wenn sich Menschen ineinander verlieben bzw. bei der Partnerwahl. Der Geruchssinn ist in der Lage, genetische Individualität über den Geruch zu erkennen, denn ist das Immunsystem des Partners gegensätzlich, stärkt diese Paarung die eigene Abwehr und wird so präferiert. Der Geruch eines solchen Partners wird also meist unbewusst als positiv bewertet und die Chancen steigen, dass auch sonst die Chemie untereinander stimmt.
Schulze et al. (2017) haben untersucht, wie sich Erwartungen an einen Geruch dessen Wahrnehmung beeinflussen. Wenn Menschen jemanden sehen, der ein angewidertes Gesicht macht, weil er einen schlechten Geruch in der Nase hat, kommt ihnen selbst der Geruch auch gleich unangenehmer vor. Dass Menschen denselben Geruch unterschiedlich bewerten, liegt daran, dass der piriforme Cortex sich schon vor der Wahrnehmung des Geruchs einschaltet. Der piriforme Cortex verarbeitet das, was Menschen sehen, und kreiert eine Erwartung, wie der Geruch riechen wird, was dann beeinflusst, wie sie den Duft dann tatsächlich empfinden. In den Daten der Magnetresonanztomographie zeigte sich nämlich, dass die Zellen des piriformen Kortex schon aktiv wurden, noch bevor ein Geruch in der Luft lag. Probanden fanden denselben Geruch also angenehmer, wenn sie vorher ein erfreutes Gesicht gesehen hatten, als wenn ihnen vorher ein angeekeltes Gesicht gezeigt worden war, was sowohl für Aromen wie Karamell oder Zitrone als auch für den Geruch nach Schweiß oder Knoblauch galt, nur den Fäkaliengeruch konnte auch ein positiver Gesichtsausdruck nicht aufwerten.
Wissenschaftler des Mainzer Instituts für Experimentelle Psychologie ließen fünfhundert Probanden in schwarzen Gläsern einen Riesling trinken, dessen Geschmack sie anschließend bewerten sollten, wobei die Verkostung in einem völlig weißen Raum stattfand, der später farbig ausgeleuchtet wurde. Wurde der Raum in rotes Licht getaucht, schien der Wein ein intensives fruchtiges Aroma zu verströmen, schmeckte anderthalb mal süßer als bei blauem oder weißem Licht, und die Versuchspersonen waren bereit, pro Flasche einen Euro mehr zu bezahlen. Strahlten die Lampen grün, entfaltete der Wein ein apfelartiges Aroma, schmeckte äußerst sauer, und die Versuchspersonen erklärten, für ihn am wenigsten ausgeben zu wollen. Nicht besser wurde der Wein bei blauem Licht beurteilt, denn dann schmeckte er wie Wasser und hatte einen leicht bitteren Nachgeschmack. Erst bei gelbem Licht schmeckte der Riesling genau wie erwartet nach Pfirsich und Aprikose.
In Kaufhäusern oder Supermärkten wird die olfaktorische Kommunikation bewusst eingesetzt, um den Umsatz zu steigern, denn wer von draußen in einen Supermarkt kommt, wird meist von einem anregender Duft nach frischem Brot empfangen, d. h., der Bäcker wird meist gleich an den Markteingang positioniert. Häufig werden natürliche Zusatzstoffe mitgebacken, die den Duft nach frischen Backwaren noch verstärken. Mit diesen Marketingstrategien sollen Emotionen geweckt und das Unbewusste angesprochen werden. Der Duft nach frischem Brot erinnert viele Menschen an ihre Kindheit, wodurch generell die Stimmung steigt. Manche Supermärkte versprühten Orangen- oder Schokoladenduft über die Klimaanlage, denn mit solchen Düften erhält der Betreiber des Marktes oder Kaufhauses einen direkten Zugang zum Gedächtnis und zu positiven Erinnerungen. Ein Duft, der positive Erinnerungen im Gehirn aktiviert, schaltet rationale Barrieren teilweise aus, sodass unter Umständen mehr gekauft wird als beabsichtigt. Zur Weihnachtszeit löst der Geruch von Zimt und Tannennadeln bei Menschen umgehend positive, weil an Weihnachten erinnernde Emotionen aus, während das Parfum eines unsympathischen Menschen sofort eine ärgerliche Stimmung aufkommen lässt. Düfte steuern somit bewusst oder unbewusst Empfindungen und Verhaltensweisen in erheblichem Maße, sodass ohne Gerüche die Welt viel von ihrer Emotionalität verlöre.
Übrigens: Keine Zeit im Jahreskreislauf ist annähernd mit so vielen Gerüchen behaftet wie die Weihnachtszeit, wobei sich das olfaktorische Gedächtnis über Tannenreisig, Lebkuchen, Kerzen, Glühwein und Zimt definiert. Solche Geruchserinnerungen sind stark mit positiven Emotionen und positiven Erinnerungen verbunden, die sich in der frühen Kindheit ins Gedächtnis geprägt haben, da diese alljährlich gemeinsam mit diesen Gerüchen abgespeichert wurden.
Geruchstraining: Das Lernen von Düften
Nach Hanns Hatt, einem Geruchsforscher an der Ruhr-Universität Bochum, stimuliert Geruchstraining das menschliche Gehirn mehr als Gehirnjogging, denn das Lernen von Düften ist für das menschliche Gehirn sehr anspruchsvoll. Düfte sind die am dauerhaftesten abgespeicherten Informationen in unserem Gehirn, denn wenn man bewusst riecht und damit Emotionen und Erinnerungen zulässt, die ein Duft auslöst, dann werden viele verschiedene Zentren im Gehirn aktiviert, und zwar mehr als beim Gehirnjogging mit Zahlenspielen oder Sudoku. Übrigens: Untersuchungen zeigen, dass Embryos im Mutterleib riechen können und dadurch schon im Bauch der Mutter Düfte kennenlernen, denn Kinder reagieren auf einen Duft, den sie zuvor noch nie selbst gerochen haben. Embryos lernen daher auch Düfte zu bewerten, denn Gerüche, die die Mutter ablehnt und die bei ihr besonders negative Emotionen hervorrufen, übertragen sich auf den Embryo, der diesen Duft schon als negativ abspeichert.
Menschen, die ihren Geruchssinn aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit verloren haben, wünschen sich auch nichts sehnlicher, als wieder riechen zu können, selbst wenn es sich dabei um den Hinterhofgeruch einer Großstadt handeln sollte.
Geruch und Orientierung
Man weiß, dass viele Tiere wie Ameisen, Hunde oder Ratten sehr gut darin sind, Gerüche zu benutzen, um einen Weg durch ihre Umgebung oder im Experiment durch ein Labyrinth zu finden. Hamburger & Knauff (2019) haben nun gezeigt, dass auch der Mensch in der Lage ist, sich nach olfaktorischen Gesichtspunkten durch seine Umwelt zu navigieren. In einer Pilotstudie absolvierten Probanden ein Wegfindungsexperiment mit zwölf Gerüchen als Orientierungshilfe, bei der sie sich in einem fotorealistischen, virtuellen Labyrinth zurechtfinden mussten. Den Weg zum Ziel konnten sie dabei nur über ihren Geruchssinn finden, denn ob sie an einer Kreuzung nach rechts oder links abbiegen sollten, musste anhand unterschiedlicher Geruchsmarken getroffen werden, wobei das auch mit vorher nicht konkret definierten Gerüchen möglich war. Offensichtlich ist es den Menschen möglich, ihre im Hippocampus abgespeicherten kognitiven Landkarten mit Duftmarken zu versehen.
Im Gegensatz zum Menschen verlassen sich Mäuse vor allem auf ihren Geruchssinn, der unter anderem ihr Sozialverhalten beeinflusst, zum Beispiel bei der Reviermarkierung und dem sozialen Status. Es ist jedoch noch unklar, wie Gerüche in der Nase erkannt und dann verarbeitet werden, um eine Reaktion auszulösen. Natürliche Düfte, die sich durch den Wind ständig verändern und so raum-zeitlich komplexe Duftfahnen bilden, können von Säugetieren wie Mäusen als räumliche Information, die in der zeitlichen Struktur der Düfte enthalten ist, wiedergegeben werden, da dies für ihr Verhalten von großer Bedeutung ist. So spielt die Lokalisierung eine wichtige Rolle bei der Nahrungssuche, aber auch bei der Flucht vor Gefahren. Derzeit versucht man, die entsprechenden Mechanismen auf der Ebene von Zellen bzw. Zellnetzwerken im Mausmodell zu untersuchen und erhofft sich Hinweise darauf, wie die Duftdynamik zu entsprechendem Verhalten führt (Stangl, 2019).
Emotion und Geruch
Gerüche sind stark mit Emotionen verbunden, wobei grundsätzlich gilt, dass eine geruchsaktive Verbindung flüchtig sein muss, da Menschen flüchtige Verbindungen mit einem Molekulargewicht unter 400 Dalton (eine atomare Maßeinheit, deren Wert auf 1/12 der Masse eines Atoms des Kohlenstoffisotops 12C festgelegt ist) riechen können. Größere Verbindungen passen nämlich nicht in die Rezeptoren. Organische Moleküle gelangen über die Nase oder die Mundhöhle zum Nasendach, wo sich die Rezeptoren befinden und eine Wechselwirkung stattfindet. Diese Wechselwirkung erfolgt relativ schnell, denn von hier aus verlaufen Nervenleitungen zum limbischen System im Gehirn und der Mensch reagiert sofort, meist unmittelbar emotional, wobei es mindestens eine Billion unterscheidbarer Gerüche gibt. Diese Gerüche bestehen aus Duftmolekülen, wobei ein Geruch entweder von einem einzelnen Aromastoff, wie dem Vanillin in der Vanilleschote, oder von einer Kombination geruchsaktiver Einzelkomponenten abhängen kann, wie etwa der Geruch von Kaffee, der durch etwa 40 Verbindungen bestimmt wird.
Beim Riechen werden sehr alte Gehirnareale angesprochen, die mit dem limbischen, also dem Gefühlssystem des Gehirns, sehr eng verknüpft sind, sodass Gerüche direkten Einfluss auf das Gefühlserleben nehmen können, was in der Regel unbewusst erfolgt. Bekannt ist die Aussage, dass man jemanden nicht mehr richen kann, und das kommt nicht von ungefähr, denn auch menschliche Gerüche können Gefühle auslösen. Umgekehrt können aber Gefühle auch die Zusammensetzung des körpereigenen Geruchs verändern, wobei vor allem Wut oder Angst solche Veränderungen auslösen können. Im Vergleich zum Menschen sind aber vor allem Hunde dafür besonders sensibel, denn diese können riechen, wenn Menschen Angst vor ihnen haben. Gerüche bestimmen daher in hohem Ausmaß das menschliche Erleben und Empfinden mit, wobei das sogar den Schlaf beeinflussen kann, indem bei sehr intensiven guten oder schlechten Gerüchen sogar Träume dadurch verändert werden.
Riechen und Fühlen haben offenbar evolutionär einen gemeinsamen Ursprung, denn vergleicht man kleinste Proben von Hirnstrukturen, die für Emotionen zuständig sind, mit jenen, die für das Riechen zuständig sind, zeigen sich große Ähnlichkeiten, etwa hinsichtlich der Dichte der Neuronen. Untersuchungen zeigen daher auch häufig, dass Menschen, deren Geruchssinn eingeschränkt ist, häufiger psychisch krank sind, d. h., die Riechstrukturen im Gehirn sind bei ihnen kleiner und sie sind dabei oft antriebslos und zeigen wenig Interesse für ihre Umgebung.
Gerüche bleiben lange im Gedächtniszentrum gespeichert, denn wer glücklich durch ein duftendes Blumenfeld schlendert, der wird sich auch das nächste Mal beim Duft von Blumen an dieses schöne Gefühl erinnern. Im Körper gibt es zahlreich Duftsensoren, mit denen man zwar nicht riecht, die aber dennoch auf Duftstoffe reagieren. Die Wirkung von Duftstoffen im Körper selber ist bei den meisten Menschen ziemlich gleich, im Gegensatz zum Riechen durch die Nase, bei dem jeder Mensch unterschiedlich wahrnimmt, so etwa Raumdüfte. Bestimmte Raumdüfte wie Zitrone, Lemongrass, Myrte und Thymian können die Raumluft reinigen und so eine bessere Atmosphäre schaffen, wobei ausgiebiges Lüften davor wichtig ist, denn die Grundlage für die Anwendung von ätherischen Ölen sollte immer die frische Luft sein. Allerdings kann das Ausbringen von zusätzlichen Duftstoffen die Luftqualität von Innenräumen belasten, denn auch wenn es besser riecht, ist die Luftqualität nicht immer besser, da die verbrauchte und schadstoffbelastete Luft lediglich maskiert wird.
Der Körpergeruch spielt auch bei Freundschaften eine Rolle
Der Geruch neuer und alter Bücher
Der Geruch von neuen Büchern hängt eng mit der Beschaffenheit und der Leimung des Papiers zusammen, wobei man drei verschiedene Gerüche von Büchern unterscheiden kann. Der erste ist ein künstlicher Geruch, der daher kommt, dass das Papier einen hohen Anteil künstlicher Hilfsstoffe aufweist, die das Papier geschmeidig weich machen und diesem eine besonders glatte Oberfläche verleihen. Der zweite Geruch ist oft ein stechender fast säuerlicher Geruch, der daher kommt, dass das Papier bis 1990 sauer geleimt wurde. Durch die Abbaureaktionen unter den sauren Bedingungen bilden sich verschiedene, stechend riechende Verbindungen, wie etwa Essigsäure. Diese Säuren gefährden übrigens die Zellulosefasern und damit den Erhalt der Bücher. Der muffige Geruch schließlich kommt von den unzählige Mikroorganismen wie Pilzen, Bakterien oder Kleinstlebewesen, die alles Natürliche wie eben Zellulose mit der Zeit zersetzen. Alte Bücher riechen daher oft nach einer Kombination aus Gras-Noten, einer Spur Säure und einem Hauch Vanille, wobei manche Menschen den typischen Geruch alter Bücher mögen, auch wenn oder vielleicht gerade weil er ein Anzeichen für Verfall ist, denn Bücher sind aus organischem Material, das nicht ewig Bestand hat. Der oft muffige Geruch von alten Büchern ist das Ergebnis von hunderten flüchtigen Verbindungen, die dem Papier entströmen und als man einmal die ausströmenden Stoffe von historische Dokumenten aus dem 19. und 20. Jahrhundert untersuchte, fand man insgesamt fünfzehn Substanzen, die sich sogar als Marker eigenen, um den Zustand des Papiers und damit das Alter zu beschreiben. Ausschlaggebend sind dabei vor allem Säuren, die sich vor allem in den Büchern aus dem 19. Jahrhundert finden lassen.
Siehe dazu den literarischen Text Vom Geruch der Bücher.
Nase als Gehirnkühler
Beim Atmen durch die Nase wird nicht nur die eingeatmete Luft erwärmt, sondern dadurch auch das Blut im Inneren des Organs abgekühlt, das anschließend in das Gehirn fließt, wo es somit für eine Kühlung sorgt. Wie übrigens Bourke, Porter, & Witmer (2018) herausfanden, dienten die schon gewundenen Nasengänge einer Gruppe von Dinosauriern für einen effizienten Wärmeaustausch zwischen Körper und Luft und sorgten so für eine Kühlung des Gehirns. Die großen Körper der meisten Dinosauriern müssen im warmen Erdmittelalter sehr heiß geworden sein, wobei gerade stark gepanzerte Tiere wie die Ankylosaurier zwar gut Wärme im Körper halten konnten, dafür war die Abkühlung bei drohender Überhitzung allerdings sehr schwierig. Durch Simulationen entdeckte man nun, dass ein gewundener Atemgang die Wärme ebenso effizient austauscht wie die Nasenmuscheln der Säugetiere.
Hinweis für alle, bei denen bei Kälte die Nase rinnt: Die Nase reagiert ähnlich wie auf Staub auch auf ihre Umgebung, d. h., sie läuft immer dann, wenn sich die Temperatur ändert, denn die Nase dient nicht nur zum Riechen, sondern erfüllt auch die Funktionen Reinigung, Befeuchtung und Erwärmung. Bei Kälte melden Temperaturfühler in der Nase dem Gehirn eine Untertemperatur, worauf das Gehirn mit einem Heizbefehl reagiert, was zur Folge hat, dass sich die Blutgefäße ausweiten und warmes Blut die Nasenmuscheln überströmt. Durch diesen Reflex schwellen die Nasenmuscheln an und erwärmen die Luft, damit keine kalte Luft die Bronchien reizt. Gleichzeitig erhöht sich auch die Sekretproduktion, um die Schleimhäute feucht zu halten, wobei durch den Kältereiz die Schleimproduktion jedoch so hoch werden kann, dass das normale Abfließen in den Rachen nicht mehr vollständig funktioniert. Das Nase-Laufens ist bei Menschen mit intakter Schleimhaut etwas ganz Normales, denn nur bei jahrelangem Nasenspraymissbrauch, sehr starkem Nikotinmissbrauch oder nach Operationen kommt es vor, dass die Nase diese wichtige Funktion nicht mehr erfüllt.
Die erstaunlichen Fähigkeiten des Geruchssinns verführten einen Journalisten zu folgender hübschen Schlagzeile:
Riechen ist Bodybuilding fürs Gehirn
Geruch als Business
Ines Hinterkörner schrieb am 15. November 2019 in den Salzburger Nachrichten zum Thema Duft: „Duft berührt und verführt. Es scheint, als hätte Duft eine geheimnisvolle Macht. Hat er auch. Aber das hat wenig mit Magie zu tun, sondern mit Biologie. Duft geht direkt ins Gehirn. Sein Weg führt von der Quelle eines Duftes zu dem Ort, wo Riechinformationen gebündelt und ins limbische System geleitet werden. Hier entstehen Gefühle und Erinnerungen. Duft ist so alt wie die Menschheit selbst. Ursprünglich hatte er nur einen Zweck, nämlich die Götter gnädig zu stimmen. Das ist heute nicht viel anders. Heute sind Konsumenten eine neue Art von Göttern, die bei Laune gehalten, die gnädig gestimmt werden müssen. Das Verbrennen von Kräutern, Rinden und Blüten reicht dafür allerdings nicht mehr aus. Denn die neuen Götter haben unterschiedlichste Vorlieben, die rasch wechseln können, weil sie vom Zeitgeist abhängig sind. Sie betrachten Duft als Accessoire – und jeder weiß, wie launisch die Mode ist – zur Betonung ihrer persönlichen Note. Zeitgeist & Lifestyle geben den Ton an Zeitgeist, Lifestyle und Mode sind moderne Komponenten eines Duftes, Emotion, Erinnerung und Sinnlichkeit eher archaische. Gemeinsam bilden sie die Ingredienzien, aus denen moderne Düfte in ihrer mittlerweile verwirrenden Vielfalt komponiert sind. Verwirrend deshalb, weil ihre Zahl in die Hunderte, manche sprechen von Tausenden, geht. Pro Jahr. Der Grund: Jeder, ob Couturehaus oder Kleiderkette, ob Edeljuwelier oder Sportartikelhersteller, wirklich jeder, der Duft machen will und es tut, will ein Stück vom großen Kuchen, der das Duftgeschäft in den letzten Jahren geworden ist, haben. Allein für heuer wird das Marktvolumen auf 41 Mrd. US-Dollar geschätzt – die neuen Götter haben nicht nur unterschiedlichste Ansprüche, sie haben auch Geld. So ist Duft zu einem Business geworden, das sich in erster Linie rechnen muss. Entwicklung und globale Vermarktung kosten viel Geld. Mit wenigen Ausnahmen ist jede Neuheit, die heute in die Parfümerien kommt, perfekt justiert auf den Zeitgeist, den Lifestyle und die avisierte Zielgruppe, neuerdings zum Großteil junge Frauen mit Affinität zu Social Media. Anzunehmen, die Vielfalt würde nur produziert, um uns glücklich zu machen, wäre ein wenig naiv. Oder perfektes Marketing.“
Geruch und weibliche Attraktivität
Es ist bekannt, dass Menschen ihren eigenen unverwechselbaren Körpergeruch haben, der auch eine eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielt. Lobmaier et al. (2018) haben die individuellen Unterschiede im Körpergeruch von Frauen überprüft, und zwar ob einige Frauen generell attraktiver riechen als andere oder ob Geruchspräferenzen eine Frage des individuellen Geschmacks sind. Dabei untersuchten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, ob der Spiegel der Fortpflanzungshormone die Attraktivität des Körpergeruchs von Frauen erklärt, um zu klären, ob die Attraktivität des Körpergeruchs als chemosensorischer Marker der reproduktiven Fitness fungieren könnte. Bei den Frauen wurde der Duft kontrolliert, um alle Faktoren zu minimieren, die den Duft verfälschen könnte, denn so durften die Frauen nicht mittels Pille“die Empfängnis verhüten, in der Zeit der Dufterhebung nicht mit jemandem das Bett teilen, sie mussten neutrale Duschmittel verwenden, durften an diesen Testtagen keinen Alkohol trinken und keine scharfen Speisen essen. Zur Zeit der höchsten Fruchtbarkeit klebten diese Frauen über Nacht Baumwolle-Pads in ihre Achselhöhlen, wobei zusätzlich über Speichelproben ihre Hormonspiegel bestimmt wurde, um zu klären, ob der Östradiol-, Progesteron-, Testosteron- und Cortisolspiegel im Speichel die Attraktivität des Körpergeruchs erklärt. Die Männer mussten anschließend für jeden Geruch 0 bis 100 Punkte vergeben. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen mit hohen Östrogen- und niedrigen Progesteronwerten olfaktorisch am anziehendsten für Männer waren, was aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll ist, denn dieser Hormonspiegel mit hohem Östrogen und wenig Progesteron deutet auf eine aktuell hohe weibliche Fruchtbarkeit hin. Männer suchen also gemäß Evolutionstheorie nach Frauen, mit der sie sich möglichst erfolgreich fortpflanzen können. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Attraktivität nicht durch den Cortisol- oder Testosteronspiegel erklärt werden kann. Indirekt lässt sich aus den Ergebnissen auch erschließen, dass hormonelle Verhütung den körpereigenen Geruch verfälschen könnte.
Historisches: Im antiken Ägypten trug ein Sklave eine Duftschale vor dem erblindeten Pharao her, damit dieser sich beim Gehen daran orientieren konnte.
Literatur
Bourke, J. M., Porter, W. R. & Witmer, L. M. (2018). Convoluted nasal passages function as efficient heat exchangers in ankylosaurs (Dinosauria: Ornithischia: Thyreophora). PLoS ONE 13(12), doi:10.1371/journal.pone.0207381.
Chong, Edmund, Moroni, Monica, Wilson, Christopher, Shoham, Shy, Panzeri, Stefano & Rinberg, Dmitry (2020). Manipulating synthetic optogenetic odors reveals the coding logic of olfactory perception. Science, 368, doi:10.1126/science.aba2357.
Hamburger, Kai & Knauff, Markus (2019). Odors Can Serve as Landmarks in Human Wayfinding. Cognitive Science, 43, doi:10.1111/cogs.12798.
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https://forum.vorablesen.de/t/der-duft-der-buecher/30489 (13-03-08)
Ein Forschungsteam hatte zehn Tage lang Beobachtungen in einer Buchhandelskette angestellt und festgestellt, dass die Kundschaft bei Schokoladenduft mehr als doppelt so häufig in Büchern stöberte und weniger zielgerichtet nach Titeln suchte, wobei vierzig Prozent mehr Liebesromane und Kochbücher verkauft wurden.
Das menschliche olfaktorische System erfasst Moleküle von Aromen schon vor der Begrifflichkeit, nämlich orthonasal beim Erschnuppern und retronasal über die Mundhöhle beim Kauen und Schlucken, d. h., die Reize gelangen vom Riechkolben aus in das Gehirn, wo dann ein Gesamtpaket zu einem bestimmten Erlebnis geschnürt wird, was für Behaglichkeit oder Ekelgefühle sorgen kann.
Fragt man Menschen, welche Kindheitserinnerungen sie mit Weihnachten verbinden, so fallen den meisten zuallererst Gerüche ein. Viele verknüpfen die wichtigsten Festtage des Jahres mit dem Duft von Keksen wie Vanillekipferln, Zimtsternen und Lebkuchen. Manche denken spontan an die Frische von Tannennadeln oder die klebrige Süße von Baumrinde. Vielleicht ist es auch das Aroma des Bratens im Ofen oder der am Christtag besonders intensiven Rindsuppe.
Olfaktorisch induzierte autobiografische Erinnerungen kommen vermutlich deshalb zustande, weil die zuständigen Nervenbahnen von der Nase über nur eine Schaltstelle direkt ins Riechzentrum des Gehirns führen, während es bei allen anderen Sinnen mehrere Schaltstellen gibt, d. h., Riechen wird viel unmittelbarer verarbeitet als Sehen, Tasten oder Hören. Auch gibt es eine enge Verbindung mit jener Gehirnregion, in der das Gedächtnis für Erinnerungen sitzt.