Impathie

Impathie bezeichnet die Fähigkeit, sich in die Gedanken, Absichten oder Emotionen anderer Menschen hineinzuversetzen, ohne deren emotionale Zustände selbst mitzuerleben. Im Unterschied zur Empathie, bei der emotionale Resonanz (z. B. Mitgefühl oder Mitleid) eine zentrale Rolle spielt, beschreibt Impathie ein primär kognitives Verstehen der inneren Welt anderer – vergleichbar mit der kognitiven Empathie oder Theory of Mind. Sie ermöglicht es, andere Menschen realistisch einzuschätzen und ihre Perspektiven nachzuvollziehen, ohne sich emotional vereinnahmen zu lassen. Impathie spielt eine zentrale Rolle in sozialen Interaktionen, Kommunikation sowie im therapeutischen und pädagogischen Kontext, da sie hilft, andere zu verstehen, ohne sich emotional zu überlasten.

Impathie ist bedeutsam in sozialen, therapeutischen und beruflichen Kontexten, in denen emotionale Distanz bei gleichzeitigem Verstehen wichtig ist – z. B. bei Psychotherapeuten, Ärzten, Führungskräften oder Lehrpersonen. Sie trägt zur sozialen Kompetenz, Konfliktlösung und interpersonellen Kommunikation bei, ohne die emotionale Belastung, die mit intensiver affektiver Empathie einhergehen kann.

Während viele Menschen empathisch mit anderen umgehen, haben sie oft Schwierigkeiten, die eigenen Emotionen zu erkennen und anzunehmen. Neubrand beobachtet das in ihrer therapeutischen Praxis regelmäßig. Impathie bedeutet nämlich, aufmerksam mit sich selbst umzugehen, Gefühle nicht zu verdrängen oder zu bewerten, sondern ihnen Raum zu geben. Ein Beispiel: Wer einen Kloß im Hals spürt, sollte diesem Gefühl nachspüren, es benennen (z. B. als Traurigkeit) und reflektieren, woher es kommt – etwa ein unverarbeiteter Verlust. Daraus können heilende Handlungen entstehen, wie etwa einen Brief an eine verstorbene Person zu schreiben. Forschungsergebnisse zeigen, dass Impathie die psychische Gesundheit stärkt, den Selbstwert erhöht und depressive Tendenzen mindern kann. Außerdem fördert sie Empathie gegenüber anderen. Das Konzept ist nicht völlig neu, denn schon Carl Rogers sprach in den 1970er-Jahren davon, sich selbst zum empathischen Begleiter zu machen, aber es wurde sehr wenig systematisch erfasst und wissenschaftlich untersucht. Impathie ist auch keine Form von Egoismus, sondern ein achtsamer, wohlwollender Umgang mit sich selbst. In einer Zeit, in der viele sich intensiv mit Selbstoptimierung und Social Media vergleichen, ist nicht jede nach innen gerichtete Aufmerksamkeit hilfreich, denn entscheidend ist, wie man mit sich selbst in Kontakt tritt. Während Empathie sowohl kognitive als auch affektive Anteile umfasst, ist Impathie auf das intellektuelle Erfassen fremder Zustände beschränkt. In der neueren Forschung wird Impathie teilweise als Schutzmechanismus betrachtet, der emotionales Überengagement verhindert, aber dennoch soziales Verständnis ermöglicht.

Literatur

Decety, J., & Jackson, P. L. (2004). The functional architecture of human empathy. Behavioral and Cognitive Neuroscience Reviews, 3(2), 71–100.
Kanske, P. (2018). The social mind: Understanding others‘ emotions, thoughts, and intentions. Zeitschrift für Psychologie, 226(2), 87–98.
Singer, T., & Lamm, C. (2009). The social neuroscience of empathy. Annals of the New York Academy of Sciences, 1156(1), 81–96.


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