Geschlechtsdysphorie bezeichnet das Gefühl eines signifikanten Unbehagens oder Leidens aufgrund einer Diskrepanz zwischen dem biologischen Geschlecht, mit dem eine Person bei der Geburt zugewiesen wurde, und dem Geschlecht, mit dem sie sich selbst identifiziert. Dieser Zustand kann sich in unterschiedlichen Ausprägungen manifestieren und sowohl psychische als auch physische Aspekte betreffen. Menschen mit Geschlechtsdysphorie empfinden oft, dass ihr biologisches Geschlecht nicht mit ihrem inneren Erleben des Geschlechts übereinstimmt, was zu einer starken Unzufriedenheit mit den eigenen Geschlechtsmerkmalen führen kann. Geschlechtsdysphorie kann das gesamte Leben einer Person beeinflussen, insbesondere in Bezug auf soziale Interaktionen, die psychische Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden. Die Störung ist häufig mit anderen psychischen Gesundheitsproblemen wie Angststörungen, Depressionen und sozialen Isolationserfahrungen verbunden, was die Notwendigkeit von Unterstützung und Behandlung unterstreicht.
Die soziale Anerkennung der Geschlechtsidentität ist ein entscheidender Faktor im Umgang mit Geschlechtsdysphorie. Diskriminierung, Stigmatisierung und das Fehlen von rechtlicher Anerkennung des Geschlechts können das psychische Wohlbefinden von betroffenen Personen erheblich beeinträchtigen. Der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Akzeptanz und Integration von transgeschlechtlichen Menschen hat in den letzten Jahren zugenommen, ist jedoch immer noch mit vielen Herausforderungen und Vorurteilen konfrontiert.
Die Diagnose von Geschlechtsdysphorie erfolgt in der Regel anhand von spezifischen Kriterien, die im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) der American Psychiatric Association festgelegt sind. Zu den diagnostischen Kriterien gehören unter anderem:
- Ein starkes und andauerndes Bedürfnis, das Geschlecht zu wechseln oder das eigene Geschlecht zu verleugnen.
- Ein starkes Verlangen, die körperlichen Merkmale des anderen Geschlechts zu haben oder zu übernehmen.
- Das Gefühl von Unbehagen oder Leiden im Zusammenhang mit den biologischen Geschlechtsmerkmalen oder den Geschlechtsrollen.
- Eine deutliche Beeinträchtigung des sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichs aufgrund dieses Unbehagens.
Wichtig ist, dass nicht jeder Mensch, der sich mit einem Geschlecht identifiziert, das dem zugewiesenen Geschlecht nicht entspricht, zwingend unter Geschlechtsdysphorie leidet, denn Geschlechtsdysphorie wird nur dann diagnostiziert, wenn das Unbehagen signifikant und anhaltend ist und das tägliche Leben erheblich beeinträchtigt.
Die Behandlung von Geschlechtsdysphorie variiert je nach den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Person, wobei der Weg zur Behandlung äußerst individuell ist und in der Regel eine umfassende Aufklärung, psychologische Unterstützung und ein interdisziplinäres Team von Fachleuten erfordert. Zu den häufigsten Behandlungsansätzen gehören:
- Psychotherapie: Psychologische Unterstützung, insbesondere in Form von Beratung oder Therapie, hilft betroffenen Personen, ihre Identität zu verstehen und zu akzeptieren. Therapeutische Interventionen fokussieren auf die Verarbeitung von Konflikten und die Verbesserung des psychischen Wohlbefindens.
- Hormonelle Behandlungen: In vielen Fällen entscheiden sich Menschen mit Geschlechtsdysphorie für eine hormonelle Therapie, um die körperlichen Merkmale zu verändern und an das empfunden Geschlecht anzupassen. Dies kann die Einnahme von Testosteron oder Östrogen umfassen.
- Chirurgische Eingriffe: Einige Personen wählen geschlechtsanpassende chirurgische Eingriffe (wie eine Geschlechtsumwandlungsoperation), um ihre Geschlechtsmerkmale dem empfundene Geschlecht anzupassen.
Eine neuere Studie an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Innsbruck durchgeführt, wo sich immer mehr Jugendliche mit dem Wunsch nach Geschlechtsveränderung melden gibt es nicht die eine Ursache für Geschlechtsdysphorie, sondern es ist ein komplexes Zusammenspiel biologischer, gesellschaftlicher und individueller Faktoren. Es werden drei Gruppen von Jugendlichen unterschieden:
- Jugendliche mit einem stabilen Wunsch nach Geschlechtsänderung ohne weitere psychische Symptome,
- Jugendliche mit schwankendem Wunsch und zusätzlichen psychischen Problemen wie Depression oder Selbstverletzung, und
- Jugendliche, bei denen die Geschlechtsfrage möglicherweise von einem Trauma oder einem sexuellen Übergriff überdeckt wird.
Die Diagnose- und Behandlungsphase umfasst mindestens ein Jahr, wobei die Jugendlichen zunächst psychotherapeutisch betreut werden, um die Ursachen ihres Unwohlseins zu erfassen. Nach Abschluss der Abklärung kann eine Hormontherapie beginnen, wenn die Geschlechtsdysphorie weiterhin besteht. Operative Eingriffe im Genitalbereich sind in Österreich jedoch erst ab 18 Jahren erlaubt. Es wird auch beobachtet, dass einige Jugendliche nach Jahren der Hormontherapie zu ihrem ursprünglichen Geschlecht zurückkehren.
Die Zahl der Beratungen steigt, aber die Anzahl der Betroffenen in der Bevölkerung bleibt konstant, wie aus internationalen Studien hervorgeht. Zwischen 0,5 und 5 Prozent der Menschen identifizieren sich als transgender, und bis zu 8 Prozent berichten, sich manchmal mit ihrem Geschlecht unwohl zu fühlen. Experten betonen, dass ein gesamtgesellschaftlich entspannter Umgang mit Geschlecht und Geschlechterrollen wünschenswert wäre, um Verunsicherungen zu verringern und den Druck auf junge Menschen zu mindern, irreversible Entscheidungen zu treffen.
Literatur
American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5. Aufl.). American Psychiatric Publishing.
Fuchs, M. (2021). Geboren im falschen Körper? Pädiatrie & Pädologie, 56, 67–72.