Berührungen sind bekanntlich in allen Lebensabschnitten wichtig, wobei vor allem ein Mangel an Berührungen in der frühkindlichen Phase zu Entwicklungsstörungen führen kann. Aber nicht nur die Berührungen durch andere Menschen sind wichtig, sondern auch die Selbstberührungen. Solche spontane Selbstberührungen, also dass Menschen ständig ihre Hände am oder im Gesicht haben, sich über dass Kinn streichen oder sich die Stirn reiben, dient nach Ansicht mancher Wissenschaftler dem emotionalen und kognitiven Gleichgewicht. Offenbar dienen spontane gesichtsbezogene Selbstberührungen als Regulationsmechanismus, den der Organismus eingebaut hat, um Störungen, die durch irrelevante Reize entstehen, wieder auszugleichen. Das können kognitive oder emotionale Störungen sein, also etwa bei Unwohlsein, Angst oder Stress, wenn Menschen gedanklich abschweifen oder sich in ganz alltäglichen Momenten der persönlichen Anspannung befinden. Das menschliche Gesicht ist ausgesprochen gut enerviert und enthält unzählige berührungssensitive Rezeptoren, was besonders für die T-Zone gilt, die von einer Schläfe zur anderen und über Nase und Kinn reicht. Genau in diesem Bereich finden auch die meisten spontanen gesichtsbezogenen Selbstberührungen statt, wobei vermutlich die Impulse der Mechanorezeptoren des Gesichts besonders schnell im Gehirn landen, weil sie nicht erst noch über das Rückenmark vermittelt und kompliziert verschaltet werden müssen.
Von den Tieren berühren sich selbst übrigens nur Primaten, denn auch diese berühren hin und wieder ihr Gesicht, ohne dass man von außen erkennen könnte, warum sie das tun. Selbstberührungen sind meist dann beobachtbar, wenn Menschen oder Affen unter Stress stehen. Inzwischen hat man die elektrische Aktivität des Gehirns kurz vor sowie kurz nach spontanen Gesichtsberührungen analysiert, und festgestellt, dass sich bestimmte elektrische Potenziale des Gehirns durch die Selbstberührung verändern, und zwar jene, die mit der Speicherung von Informationen im Arbeitsgedächtnis und dem emotionalen Befinden in Verbindung stehen. Kurz vor einer Selbstberührung sinken diese Parameter, was bedeutet, dass der Arbeitsspeicher offenbar ausgelastet ist, d. h., mit einem Gefühl emotionaler Belastung einhergeht, während danach diese Parameter wieder ansteigen. Offensichtlich helfen Gesichtsberührungen bei der Regulierung von Gefühlen, etwa bei kognitiver Überforderung und Stressempfinden. Man vermutet, dass diese kurze Eigenstimulation demnach Störungen der Informationsverarbeitung und gleichzeitig emotionale Schwankungen wieder ausbalancieren soll. Allerdings ist nicht allein der Berührungsreiz entscheidend, vielmehr spielt sich neurobiologisch das meiste schon im jenem Zeitbereich, in dem die Hand auf dem Weg zum Gesicht ist, sowie dem ersten Aufsetzkontakt ab. Längere statische Berührungen haben offenbar eine andere Funktion, zum Beispiel wenn man grübelt.
Gesichtskontakt zur Reduktion des Stresslevels
Es wurde festgestellt, dass Erwachsene im Durchschnitt bis zu 800 Mal am Tag unbewusst und ohne ersichtlichen Grund das Gesicht berühren. Laut Forschungen der Psychologie erfüllen diese scheinbar willkürlichen Berührungen eine wichtige Funktion für das Wohlbefinden, da durch den Hautkontakt Stressreaktionen gemildert und der emotionale Zustand reguliert werden. Studien zeigen, dass Berührungen generell die Gesundheit fördern, indem sie Angst und Schmerzen reduzieren sowie den Blutdruck senken. Es konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden, dass Selbstberührungen im Gesichtsbereich maßgeblich den Cortisolspiegel und folglich das Stresslevel beeinflussen. Der Gesichtskontakt gilt dabei als besonders effektiv, da in diesem Bereich eine Vielzahl von empfindsamen Nerven direkt mit dem Gehirn verbunden sind. Dadurch können beruhigende Signale in kürzester Zeit an das Zentralnervensystem weitergeleitet werden. Die Nervenverbindungen, insbesondere der fünfte Hirnnerv (Nervus trigeminus) und der siebte Hirnnerv (Nervus facialis), ermöglichen eine schnellere und effizientere Erreichung des Gehirns durch Berührungen im Gesicht im Vergleich zu anderen Körperregionen.Ein sanftes Streichen über die Wange oder das Berühren der Lippen sendet unmittelbar beruhigende Impulse ins Gehirn. Diese Sofortwirkung ist von entscheidender Bedeutung, da Menschen gerade in stressigen Momenten dringend Erleichterung benötigen.Das Ins-Gesicht-Fassen kann somit das Gehirn beruhigen und dabei helfen, die innere Balance wiederherzustellen.Für Außenstehende kann diese Geste auch sichtbar machen, ob jemand gestresst ist und möglicherweise Unterstützung braucht.
Es konnte beobachtet werden, dass es für viele Menschen eine Herausforderung darstellt, das Gesicht bewusst nicht zu berühren, obwohl dies aus gesundheitlichen Gründen, wie beispielsweise in Pandemiezeiten, ratsam wäre.In solchen Fällen könnte der Versuch unternommen werden, die Aufmerksamkeit auf andere Körperbereiche zu lenken oder alternative Wege zu finden, um Stress abzubauen und die innere Balance wiederherzustellen.Das Berühren des Gesichts ist vermutlich ein wichtiges Überlebensphänomen. Es handelt sich dabei nicht um eine willkürliche Übersprungshandlung, sondern um einen Mechanismus, der dem Gehirn bei der Stressreduktion hilft.Diese Beruhigungsfunktion lässt sich in Experimenten mit Elektroenzephalografie (EEG) nachweisen.Der Auslöser für diesen Effekt sind die feinen Vellushaare im Gesicht, die sich vor allem an Nase, Stirn und Kinn befinden. Diese Haare sind von Rezeptoren umgeben, die den Berührungsreiz direkt an das Gehirn weiterleiten.Es konnte in Experimenten mit Elektroenzephalografie (EEG) nachgewiesen werden, dass die Hemmung der Berührungsreize die Gehirnaktivität bei der Stressreduktion signifikant verstärkt. Die Versuchspersonen zeigen in der Folge ein verstärktes Bedürfnis, sich in Stresssituationen ins Gesicht zu fassen, und zeigen eine Tendenz zur Selbstberührung, bis sich die Erregung gelegt hat. Es lässt sich beobachten, dass Menschen im Durchschnitt bis zu sechshundert Mal täglich zu dieser Form der Selbstberührung greifen, um Stress abzubauen. Ein Beispiel hierfür sind Redner oder Präsentierende, die immer wieder ihre Wangen, Nase, das Kinn oder die Ohren berühren.Es kann angenommen werden, dass diese Fähigkeit zur Selbstberuhigung durch Gesichtskontakt für die Gedächtnisleistung entscheidend ist, da auf diese Weise Stressoren effektiv reduziert werden können. Die Berührung der sensiblen Gesichtspartien scheint ein archaisches Mittel zur Stressreduktion zu sein, das schon bei früheren Menschenarten und sogar bei Primaten zu beobachten war. Dieses Verhalten dürfte also eine wichtige Überlebensstrategie darstellen, die bis heute erhalten geblieben ist (Stangl, 2025).
Literatur
Grunwald, M., Weiss, T., Mueller, S. & Rall, L. (2014). EEG changes caused by spontaneous facial self-touch may represent emotion regulating processes and working memory maintenance. Brain Res. Doi: 10.1016/j.brainres.2014.02.002.
Stangl, W. (2019, 20. Juni). Transaktionsanalyse – Strokes. [werner stangl]s arbeitsblätter.
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Transaktionsanalyse-Strokes.shtml
Stangl, W. (2025, 2. Jänner). Gesichtskontakt zur Reduktion des Stresslevels. Stangl notiert ….
https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/gesichtskontakt-zur-reduktion-des-stresslevels/
https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2022/06/spontane-selbstberuehrung-darum-fassen-wir-uns-ins-gesicht (22-06-20)