Active Recall – aktives Abrufen – ist eine einfache und effektive Lernmethode, die auf dem Abruf von Information aus dem Gedächtnis basiert, denn jeder Abruf von Informationen verstärkt die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn. Je intensiver man dabei nachdenkt und versucht sich zu erinnern, desto stärker verbinden sich die Gehirnzellen und desto nachhaltiger wird man lernen (Bliss & Lomo, 1973).
Die Grundlage für sinnvolles Lernen mit Active Recall ist das Verstehen, denn nur dann, wenn man einen Inhalt wirklich verstanden hat, wird man die Inhalte auch später noch im richtigen Zusammenhang abrufen können, wobei man bei dieser Lernmethode die Dinge sinnvoll einordnen und mit bereits abgespeicherten Informationen in Verbindung bringen muss.
Aktives Abrufen bedeutet also, beim Lernen immer wieder Informationen aus dem Gedächtnis hervorzuholen, indem man in jeder Phase des Lernprozesses überprüft, was man vom Lernstoff bereits behalten hat. Allein das Abrufen von Informationen und Daten aus unserem Gehirn stärkt nicht nur die Fähigkeit, Informationen zu behalten, sondern verbessert auch die Verbindungen zwischen verschiedenen Konzepten in unseren Gehirnen, die oft weit verstreut abgespeichert sind. Metastudien zeigen auch, dass das permanente Überprüfen bzw. der aktive Abruf eines unmittelbar davor erstmals gelesenen oder gehörten Wissens jene Lerntechnik ist, die nicht nur einen hohen Nutzen hat, sondern auch mit minimalem Training effektiv umgesetzt werden kann.
Sowohl beim Erinnern an Fakten als auch bei Schlussfolgerungen, wenn es also darum darum geht, sich an Konzepte zu erinnern, schneiden Lernende mit aktivem Abrufen deutlich besser ab als Lernende mit anderen Lernmethoden. Daher ist es auch vom Zeitaufwand her effektiver, sich im Verlauf des Lernens zwischendurch selbst einmal zu testen, als diesen Lernabschnitt mehrmals zu lesen.
Der Grund, warum manche Lernende das aktive Erinnern nicht gerne anwenden, ist vermutlich, dass es schwieriger und geistig anstrengender ist als das bloß nochmalige Lesen oder Überfliegen eines Lernstoffes. Doch der entscheidende Punkt dieser Lernmethode ist aber, dass genau diese kognitive Anstrengung den Lerneffekt ausmacht. Je mehr man sich anstrengen muss, um Informationen abzurufen, desto effektiver wird das Gehirn beim Speichern und Abrufen dieser Informationen auch in der Zukunft sein. Hinzu kommt, dass es zu einer stärkeren Verknüpfung mit bisher bereits bestehenden Informationen kommt, als wenn man einen Lernstoff bloß wiederholt.
Eine klassische Methode des aktiven Abrufes ist das geschlossene Buch, das man etwa auch anwenden kann, wenn man Notizen macht. d. h., die Notizen nicht einfach aus dem Lehrbuch oder Skriptum abzuschreiben, sondern diese in eigenen Worten aus der Erinnerung zu formulieren. Danach sollte man unmittelbar kontrollieren, wieviel in den Notizen richtig ist bzw. ob man diese Notizen korrigieren und ergänzen muss.
Diese Methode des aktiven Abrufens kann man auch sehr gut mit der Karteikartenmethode in Verbindung bringen, wobei zusätzlich die Methode des zeitgesteuerten Lernens bzw. die Wiederholung in Intervallen ergänzend eingesetzt wird, wobei der Zeitraum zwischen den einzelnen Wiederholungen immer größer wird.
Ebenfalls anwenden kann man diese Methode beim Lernen von Gedichten anwenden, indem man zuerst das Gedicht ein bis zwei Mal langsam ganz durchliest, dann man mit einem Blatt Papier das rechte Drittel einer Gedichtzeilen abdeckt und es noch einmal liest. In den meisten Fällen wird es schon beim ersten Mal gelingen, die Zeilenenden auswendig zu sprechen. Wenn nicht, zieht man einfach das Abdeckblatt eine Zeile nach unten und wiederholt die Zeile noch einmal. Wenn man das zwei bis drei Mal getan hat, verdeckt man mit dem Blatt ein weiteres Drittel der Zeilen usw.
Abi-Note 0,7: So schaffte es einer der besten Schüler
BR24 berichtet am 27. Juli 2023, dass Sebastian Binder aus Waldkirchen sein Abitur am Gymnasium Waldkirchen mit 0,7 gemacht hat, denn er brachte es auf unglaubliche 895 von 900 möglichen Punkten. Sein Erfolgsrezept wird dort beschrieben: „In den Schoß seien ihm die Topleistungen nicht gefallen, so der bald 18-Jährige im BR24-Interview. Es sei schon mit viel Aufwand und Lernen verbunden gewesen. Wie man richtig büffelt? Das müsse jeder für sich selber ausprobieren, welche Methode die richtige sei. Er habe sich den Stoff immer laut vorgelesen und aufgesagt: „Als würde ich es mir selber erklären.“ Skizzen oder Rechnungen habe er immer nachgezeichnet oder nachgerechnet. Experten sprechen von der „Active-Recall-Methode„. Für den Teenager sei es wichtig gewesen, alles regelmäßig zu wiederholen, gerade vor wichtigen Prüfungsphasen. „Immer nur auf eine Schulaufgabe zu lernen, bringt nicht so viel. Lieber über einen längeren Zeitraum öfter wiederholen“, sagt Sebastian. Außerdem habe er ein Gespür für die Fragen entwickelt, die in Prüfungen gestellt werden könnten.“
Literatur
Bliss, T. V. & Lomo, T. (1973). Long-lasting potentiation of synaptic transmission in the dentate area of the anaesthetized rabbit following stimulation of the perforant path. The Journal of physiology, 232, 331–356.
Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J. & Willingham, D. T. (2013). Improving Students’ Learning With Effective Learning Techniques: Promising Directions From Cognitive and Educational Psychology. Psychological Science in the Public Interest, 14, 4–58.
Karpicke, Jeffrey & Blunt, Janell (2011). Retrieval Practice Produces More Learning than Elaborative Studying with Concept Mapping. Science, 331, doi:10.1126/science.1199327.
Stangl, W. (2014). Gedichte auswendig lernen. Werner Stangls Texte zum Lernen.
WWW: https://lerntipps.lerntipp.at/gedichte-auswendig-lernen (14-12-06)
https://www.br.de/nachrichten/bayern/abi-note-0-7-so-schaffte-es-einer-der-besten-schueler-bayerns,TlHOFos (23-07-27)