Spaced Repetition bzw. verteilte Wiederholung ist eine evidenzbasierte Lerntechnik, die in der Regel mit Karteikarten oder ähnlichen Hilfsmitteln durchgeführt wird. Neu eingeführte und schwierigere Inhalte auf Karteikarten werden dabei häufiger bearbeitet, während ältere und weniger schwierige Karteikarten weniger häufig bearbeitet werden, um den psychologischen Abstandseffekt auszunutzen. Der Einsatz von verteilten Wiederholungen erhöht nachweislich auch die Lerngeschwindigkeit.
Obwohl das Prinzip in vielen Kontexten nützlich ist, wird die abstandsbasierte Wiederholung üblicherweise meist in solchen Kontexten angewendet, in denen ein Lernender sich viele kleinteilige Lernelemente wie Vokabeln oder Geschichtsdaten aneignen möchte und diese auf längere Zeit im Gedächtnis behalten soll. Zur Unterstützung des Lernprozesses wurde eine Reihe von Spaced-Repetition-Programmen entwickelt, die in physischer oder virtueller Form angeboten werden.
Im Grunde basiert das Prinzip auf den Regeln des Vergessens von Herrmann Ebbinghaus, der die Vergessenskurve (daher auch Ebbinghaussche Kurve) entdeckt hat und den Grad des Vergessens innerhalb verschiedener Zeitspanne veranschaulicht. Sie wurde durch Selbstversuche mit sinnleeren Silben entdeckt und soll unter anderem zeigen, wie lange ein Mensch neu Gelerntes behält und wie viel Prozent er nach einer bestimmten Zeit davon wieder vergessen hat. Dabei erfasste er auch die Anzahl der Wiederholungen in Abhängigkeit von der Zeit, die nötig waren, um nach einer Pause die auswendig gelernten Inhalte fehlerfrei reproduzieren zu können (Ersparnismethode). So zeigte sich, dass man bereits 20 Minuten nach dem Lernen nur noch 60 % des Gelernten abrufen kann, nach einer Stunde nur noch 45 % und nach einem Tag gar nur mehr 34 % des Gelernten. Sechs Tage nach dem Lernen ist das Erinnerungsvermögen bereits auf 23 % geschrumpft und dauerhaft werden nur 15 % des Erlernten gespeichert. Diese Zahlen sind allerdings sehr stark von den Inhalten abhängig, wobei natürlich auch das verständnisvolle Lernen andere Werte ergibt. Die Gehirnforschung und die Psychologie haben auch belegt, dass persönlich bedeutsames Lernen ganz anderen Vergessenskurven unterliegt. In jedem Falle bestätigen alle Forschungen zum Vergessen, dass die Verteilung des Lernstoffes über einen größeren Zeitraum wesentlich effektiver ist als geballtes Lernen.
Siehe dazu auch die Arbeitsblätter zur Vergessenskurve.
Alternative Namen für spaced repetition sind spaced rehearsal, expanding rehearsal, graduated intervals, repetition spacing, repetition scheduling, spaced retrieval und expanded retrieval.
Glas et al. (2020) haben übrigens den Spacing-Effekt bei Mäusen untersucht und sind dabei der Frage nachgegangen, was beim Spacing-Effekt im Gehirn passiert und warum gerade Lernpausen so förderlich für das Erinnerungsvermögen sind. In den Experimenten sollten Mäuse sich in einem Labyrinth die Position eines versteckten Schokoladestücks merken. Die Mäuse erhielten dreimal hintereinander die Möglichkeit das Labyrinth zu erkunden und ihre Belohnung zu finden, einschließlich Pausen unterschiedlicher Länge. Mäuse, die mit längeren Pausen zwischen den Lernphasen trainiert wurden, konnten sich die Position der Schokolade nicht so schnell merken, doch am nächsten Tag war das Erinnerungsvermögen der Mäuse umso besser, je länger die Pausen am Vortag gewesen waren. Während des Labyrinth-Tests maß man zusätzlich die Nervenzellaktivität im präfrontalen Cortex, also in jener Gehirnregion, die für Lernvorgänge von besonderem Interesse ist, da sie für ihre Rolle bei komplexen Denkaufgaben bekannt ist. So konnte man auch zeigen, dass eine Inaktivierung des präfrontalen Cortex die Gedächtnisleistung der Mäuse beeinträchtigte. Folgten drei Lernphasen kurz aufeinander, würde man intuitiv erwarten, dass dieselben Nervenzellen aktiviert werden, denn schließlich handelt es sich ja um das gleiche Experiment mit der gleichen Information. Nach einer langen Pause wäre es hingegen logisch, dass das Gehirn die anschließende Lernphase als neues Ereignis interpretiert und mit anderen Nervenzellen verarbeitet. Als man aber die Nervenzellaktivitäten in den unterschiedlichen Lernphasen verglich, stellte man allerdings genau das Gegenteil fest, denn bei kurzen Pausen schwankte das Aktivierungsmuster im Gehirn mehr albei zu langen Pausen, d. h., in schnell aufeinanderfolgenden Lernphasen aktivierten die Mäuse meist unterschiedliche Nervenzellen. Nach längeren Pausen wurden dagegen die Nervenzellen der ersten Lernphase auch später wieder genutzt. Indem das Gehirn auf dieselben Nervenzellen zurückgreift, kann es womöglich die Verknüpfungen zwischen diesen in jeder Lernphase stärken, d. h., die Kontakte müssen nicht erst von Grund auf neu aufgebaut werden. Das könnte die Erklärung dafür sein, warum das Erinnerungsvermögen von langen Pausen profitiert.
Literatur
Glas, Annet, Hübener, Mark, Bonhoeffer, Tobias & Goltstein, Pieter M. (2020). Spaced training enhances memory and prefrontal ensemble stability in mice. Current Biology, doi:10.1101/2020.12.17.417451.