Zum Inhalt springen

Weisheit

    Weisheit stellt sich nicht immer mit dem Alter ein.
    Manchmal kommt auch das Alter ganz allein.
    Jeanne Moreau

    Erfahrung ist eine nützliche Sache.
    Leider macht man sie immer erst kurz nachdem man sie brauchte.
    Johann Wolfgang von Goethe

    Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken:
    sie beleuchtet stets nur das Stück des Weges, das wir bereits hinter uns haben.
    Konfuzius

    Ob ein Mensch klug ist, erkennt man an seinen Antworten.
    Ob ein Mensch weise ist, erkennt man an seinen Fragen.
    Nagib Mahfuz

    Die Kunst der Weisheit besteht darin zu wissen, was man übersehen muss.
    William James

    Denn dies wird ja als der erste Schlüssel zur Weisheit bestimmt:
    das beständige und häufige Fragen.
    Peter Abaelard

    No one ever found wisdom without also being a fool.
    Erica Jong

    Wenn du eine weise Antwort verlangst, musst du vernünftig fragen.
    Johann Wolfgang von Goethe

    Aber eine weise Antwort ist nicht für alle Leute eine befriedigende Antwort.
    Friedrich Maximilian Klinger

    Il y a longtemps que le rôle de sage est dangereux parmi les fous.
    Diderot

    Es gibt nur ein Anzeichen von Weisheit: gute Laune.
    Michel de Montaigne

    Wissen kann übermittelt, Weisheit aber nur erworben werden.
    Otto Pötter

    Das Grimmsche Wörterbuch definiert Weisheit als Einsichten in und Wissen über sich selbst und die Welt bzw. reifes Urteil in schwierigen Lebensfragen, im Brockhaus wird sie definiert als menschliche Grundhaltung, die auf einer allgemeinen Lebenserfahrung und einem umfassenden Verstehen und Wissen um Ursprung, Sinn und Ziel der Welt und des Lebens sowie um die letzten Dinge gegründet ist.

    In der Psychologie hat sich Stanley Hall theoretisch mit diesem Thema auseinander gesetzt hat und sie als die im Alter wachsende philosophische Ruhe, Unparteilichkeit und den Wunsch nach dem Ableiten moralischer Maxime umschrieben, d. h., er definiert Weisheit als ein Charakteristikum des guten Alterns. Sternberg grenzt den Begriff Weisheit von den Konzepten zu Intelligenz und Kreativität ab und stellt fest, dass Weisheit durch sechs Dimensionen beschrieben werden kann: schlussfolgerndes Denken, Lernen auf Basis von Ideen und der Umgebung; Urteilsfähigkeit, Intuition, Nutzen von Informationen und Erfahrung und Klugheit. Smith & Baltes (1990) schließlich bezweifeln, ob eine Rekonstruktion des Phänomens Weisheit nach streng wissenschaftlichen Kriterien aufgrund der enormen Komplexität und des Facettenreichtums überhaupt möglich ist. Auf dem Hintergrund der Kybernetik zweiter Ordnung entsteht das theoretisch das Potential zur Weisheit, wenn die Gebundenheit eines Systems an solchen Unterscheidungen, d.h., an irgendwelchen Vorstellungen von sich selbst bzw. der Welt entfällt. Das System identifiziert sich dann mit seinem Eigenwert, der die Eigenschaft hat, sich unabhängig von Unterscheidungen zu stabilisieren (Diagonalisierung).

    Staudinger et al. (1994) geht von drei Ansätzen aus: ein erster Ansatz versucht Weisheit als Persönlichkeitsmerkmal zu erfassen, ein zweiter erfasst Weisheit als Charakteristikum des Denkens, wobei Weisheit als eine außergewöhnlich hohe und nur von wenigen Menschen erreichte Stufe der kognitiven Entwicklung betrachtet wird, und ein dritter Ansatz, der Weisheit als Expertentum in fundamentalen Fragen der Lebensplanung, -gestaltung und –deutung erfasst. Auf diesem dritten integrativen Ansatz, baut das psychologische Berliner Weisheitsparadigma von Baltes und Staudinger auf. Dieses Berliner Weisheitsparadigma betont die Aspekte der Expertise und des Wissens, wobei man Weisheit empirisch zu erfassen sucht, indem man Probanden und Probandinnen hypothetische Dilemmasituationen vorlegt und nach deren Lösung fragt. Die Antworten der Testpersonen werden anschließend unter verschiedenen Gesichtspunkten numerisch ausgewertet, woraus sich ein Durchschnittswert von eins bis sieben errechnen lässt, wobei sieben für das höchste erreichbare Ausmaß an Weisheit steht. Kriterien für weise Aussagen sind demnach reiches Faktenwissen, reiches prozedurales Wissen, Wert-Relativismus und Toleranz, Lebensspannen-Kontextualismus und Wissen um und Umgang mit Unsicherheit.

    In einer amerikanischen Studie von Igor Grossmann et al. (im Druck) wurden mittels Telefoninterviews von 247 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Altersgruppen 25 bis 40, 41 bis 59 und über 60 Jahren, die Strategien verschiedener Altersgruppen bei der Konfliktlösung untersucht. Es zeigte sich, dass Menschen über 60 Jahre im Vergleich mit Jüngeren deutlich mehr Eigenschaften aufweisen, die in der psychologischen Literatur als Aspekte von Weisheitgelten, etwa die Fähigkeit, in einem Konflikt verschiedene Blickwinkel einzunehmen, Verständnis für unterschiedliche Werte und Ansichten aufzubringen, den Einsatz für Kompromisslösungen oder die Erkenntnis, dass menschliche Einschätzungen immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind, da ihnen nur begrenzte Informationen zur Verfügung stehen. Die Antworten der Probanden und Probandinnen auf verschiedene Konfliktszenarios wurden von Wissenschaftlern, die das Alter der Antwortenden nicht kannten, beurteilt, wobei die über 60-Jährigen durchgängig höhere Werte erhielten. Zusätzlich ließen die Forscher die Antworten noch einmal von Experten beurteilen, die sich beruflich mit der Lösung von Konflikten auseinandersetzen, wie beispielsweise von Geistlichen, Richtern und Psychotherapeuten. Die Weisheit der Älteren war weitgehend unabhängig von der Intelligenz, der Bildung oder dem sozioökonomischen Status, d.h., die beteiligten Akademiker waren nicht weiser als die Befragten ohne solche Ausbildung. Vermutlich ist die Weisheit der Älteren neben ihrer größeren Lebenserfahrung auch dadurch bedingt, dass sie eine größere Distanz zu Konflikten gewonnen haben und weniger emotional involviert sind.

    Nach Jule Specht erlangen deshalb nur sehr wenige Menschen Weisheit, da es einerseits für Weisheit der Lebenserfahrung bedarf, die häufig erst im höheren Alter erreicht wird, und andererseits eine hohe Offenheit für neue Erfahrungen notwendig ist, die eher im jungen Erwachsenenalter zu finden ist. Auf Grund dieser gegenläufigen Entwicklung ist Weisheit insgesamt daher eher selten. Dennoch kann sich die Persönlichkeit im Alter genauso stark verändern kann wie in den Jugendjahren.


    weisheit


    Psychologie der Weisheit – Judith Glück, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, im Interview

    Was sind die Aufgaben und Ziele der Weisheitsforschung, welche Personen würde sie selbst als weise bezeichnen und wie kann sich jeder selbst der Weisheit ein Stück annähern? Nach Ansicht von Judith Glück hat Weisheit sehr viel mit Wissen zu tun hat, und zwar nicht mit Buchwissen, sondern einem auf Lebenserfahrung basierenden Wissen, denn die Auseinandersetzung mit schwierigen Lebenserfahrungen kann weise machen. Zur Weisheit gehört auch Selbstreflexion, denn ein weiser Mensch wird nie von sich sagen, dass er diese Dinge ungeheuer gut kann, weil er sich vielleicht mehr als ein anderer dessen bewusst ist, was er alles nicht kann. Glück nimmt an, dass es fünf Merkmale gibt, die weise Menschen auszeichnen. Zunächst eine allgemeine Offenheit, d. h., keine Angst vor neuen Ideen, Veränderungen, Sichtweisen haben, sondern diese als spannend und positiv sehen. Damit verwandt ist die Sensitivität für eigene Gefühle, denn wer bereit ist, sich anzuschauen, was er selbst empfindet, kann viel lernen. Man muss viele Fragen an sich selbst stellen: Was macht mir Angst? Wo habe ich Schwächen, die ich nicht so gern sehe? Diese zu erkennen hilft einem, mit den eigenen Gefühlen besser umzugehen, mit sich ins Reine zu kommen und sich weiterzuentwickeln. Das Gegenstück dazu ist drittens die Empathie, also die Gefühle und Sichtweisen anderer wahrzunehmen und wichtig zu finden. Jeder theoretischer Weisheitsbegriff steht jedoch im leeren Raum, wenn die Weisheit nicht in einen Zusammenhang mit menschlichem Handeln gebracht werden kann. Weise Entscheidungen erfordern daher immer eine Balance zwischen der eigenen Person, der Umwelt und allen anderen Nebscgeb, die davon betroffen sind, und zwar sowohl langfristig als auch kurzfristig.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Eine zentrale Ressource ist auch die Reflektivität, also die Bereitschaft, Dinge in ihrer Komplexität zu sehen, und schließlich die Fähigkeit, Unkontrollierbarkeit auszuhalten, was Menschen mit zunehmendem Alter lernen, denn viele Dinge passieren einfach und es gibt Grenzen, was man kontrollieren kann. Im Grunde stimmt es, dass Weisheit statistisch gesehen eher mit dem Alter kommt, weil man dann Lebenserfahrung über die Zeit schon angesammelt hat. Und auch, weil gerade das Altern diese Unkontrollierbarkeitserfahrungen mit sich bringt, wobei es oft Krisen und Konflikte sind, da diese die eigene Weltsicht durcheinanderwerfen. Wenn Laien weise Menschen beschreiben, betonen sie eine gewisse Gelassenheit, eine Freude am Leben, selbst wenn jemand auch sehr viel Negatives erlebt hat. Es sind allerdings nicht nur Krisen und schwerwiegende Ereignisse, dass Menschen weise werden, sondern viele haben auch aus positiven Ereignissen gelernt, etwa ein Kind zu bekommen kann die Perspektive auf die Welt grundlegend verändern. Dieses Erlebnis bringt wohl für manche Menschen die Erkenntnis, dass man bisherige Überzeugungen über den Haufen werfen muss bzw. erkennen muss, dass man die Kontrolle über das eigene Leben sehr schnell verlieren kann.


    Literarisches zur Weisheit

    Ich wäre gerne auch weise.
    In den alten Büchern steht, was weise ist:
    Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
    Ohne Furcht verbringen
    Auch ohne Gewalt auskommen
    Böses mit Gutem vergelten
    Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
    Gilt für weise.
    Alles das kann ich nicht:
    Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!

    Aus dem Gedicht „An die Nachgeborenen, I“ von Bertolt Brecht, entstanden zwischen 1934 und 1938, am 15. Juni 1939 in „Die neue Weltbühne“ (Paris) veröffentlicht.


    Das zentrale Thema der Lehren von Konfuzius war die menschliche Ordnung, die seiner Meinung nach nur durch die Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar ist, wobei ihm als Ideal der Edle galt, d. h., ein moralisch guter Mensch zu sein. Edel kann der Mensch aber dann sein, wenn er sich in Harmonie mit dem Weltganzen befindet. Es gilt dabei als das höchste Ziel menschlichen Strebens jenen Angelpunkt zu finden, der das sittliches Wesen mit der allumfassenden Ordnung, also der zentralen Harmonie vereint. Dabei galten Konfuzius Harmonie und Mitte, Gleichmut und Ausgeglichenheit als erstrebenswert, wobei der Weg dazu vor allem in der Bildung liegt.

    Literatur

    Grossmann, I., Na, J., Varnum, M. E.W., Park, D. C., Kitayama, S. & Nisbett, R.E. (in press). Reasoning about Social Conflicts Improves into Old Age. Proceedings of the National Academy of Science.
    PNAS, Onlinevorabveröffentlichung, doi: 10.1073/pnas.1001715107).
    Smith, J., & Baltes, P. B. (1990). Wisdom-related knowledge: Age/cohort differences in response to life-planning problems. Developmental Psychology, 26, 494–505.
    Smith, J., Staudinger, U. M.,& Baltes, P. B. (1994). Occupational settings facilitating wisdom-related knowledge: The sample case of clinical psychologists. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 62, 989–999.
    Die Presse, Print-Ausgabe vom 21. Jänner 2017.

    Bildquelle

    https://www.stangl-taller.at/paedpsych/4711/LEHRTEXTE/Goorhuis98a.html


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Ein Gedanke zu „Weisheit“

    1. Illustrierte FÜRSIE

      Nach dem Artikel in einer Illustrierten, gibt es angeblich drei Dinge, die weise Menschen tun: Sie sind empathisch, denn Empathie ist eines der wohl wichtigsten Anzeichen emotionaler Reife. Immer nur den eigenen Standpunkt zu sehen ist nicht nur egoistisch, sondern vor allem auch kindisch. Weisheit zeigt sich stattdessen in Mitgefühl und der Fähigkeit, seine eigenen Gefühle auch mal hintan zu stellen. Sie können Hilfe annehmen, denn hin und wieder Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern viel eher ein Zeichen von Vertrauen in ihre Mitmenschen. Es gibt niemanden auf dieser Welt, der in der Lage ist, wirklich alles alleine zu bewerkstelligen. Sich dies hin und wieder einzugestehen, ist ein Zeichen von Weisheit. Sie akzeptieren Fehler, denn Fehler zu machen gehört zum Leben einfach dazu, es kommt nur darauf an, wie man mit ihnen umgeht. Als weise gilt, wer sich seine Fehler eingesteht und aus ihnen lernt. Wer dies nicht tut, riskiert, den gleichen Fehler immer wieder zu begehen.

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert