Zum Inhalt springen

Latenzperiode

    Die Latenzperiode oder Latenzphase ist in der Entwicklungspsychologie der Altersabschnitt vor Beginn der Pubertät, also etwa zwischen dem 6. und dem 12. Lebensjahr. In der Latenzphase kommt es nach der psychoanalytischen Theorie Freuds zu einer vorübergehenden Abnahme der Rolle des genitalen Lustgewinns und zu einer Zunahme der intellektuellen Wissbegier als Umlenkung von Es-Energien (Sublimierung als Abwehrmechanismus). Die Latenz wird dabei in drei Phasen eingeteilt: die frühe Latenz zwischen sechs und acht Jahren, in der ein Kind noch klein sein will, die mittlerer Latenz zwischen acht und zehn Jahren, wo das Kind ruhiger wird und die späte Latenz oder frühe Adoleszenz zwischen zehn und zwölf Jahren, wo die Ruhe wieder verschwindet.

    Latenz PeriodeNach psychoanalytischer Auffassung schläft die Sexualität gewissermassen und verharrt in der Latenz. Die Latenz zeigt sich u.a. darin, dass sich z. B. in der Schule die Kinder fast selbstverständlich geschlechtsspezifisch gruppieren, sich betont vom andern Geschlecht distanzieren. Aus der Sicht der Knaben sind dann die Mädchen blöd, und aus der Sicht der Mädchen stinken die Knaben (oder Ähnliches). Da heute via Medien jedes Kind mit allen möglichen Formen sexueller Praxis vertraut werden kann, reden viele Kinder auf der Unter- und Mittelstufe fast ständig über Sexualität, muss manl Freuds Theorie von der Latenzzeit zumindest etwas relativieren.


    Im Detail mit Blickpunkt Schule und Lernen: Die Latenzzeit wird als eine Entwicklungszeit von Sigmund Freud beschrieben und dauert vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr. Latent meint, dass etwas in den Hintergrund tritt, in diesem Fall sind es die Triebe, Wünsche und Konflikte. Es ist eine Zeit, die auf eine weitere Triebzufuhr in der Adoleszenz vorbereitet. Freud meint, dass die sexuellen Interessen des Kindes aus der vorherigen Phase in den Hintergrund treten und das Kind nach einer Ausgewogenheit von Spielen und Lernen, Phantasie und Realität, Impulsivität und Regulierung sucht. Es lernt, die Ruhe zu bewahren und die eigenen Impulse nicht direkt auszuleben. Diese Kontrolle macht es möglich, dass das Kind sich ein langfristiges Ziel setzt, sich einem Hobby widmet oder Freundschaften sucht. Die Bindung zu den Eltern ist immer noch stark, aber das Loslösen fällt leichter. Das Kind entdeckt die Schule als außerfamiliären Ort der Entfaltung. Neue Bindungen mit nicht elterlichen Personen wie etwa LehrerInnen werden aufgebaut und soziale Fähigkeiten, um mit anderen Kindern zurecht zu kommen, werden entwickelt. Das Zuhause bildet eine sichere Basis für das Gefühl des Kindes von Getragensein. Die innere Selbstachtung ersetzt die Abhängigkeit des Selbstwertes von der elterlichen Unterstützung. Die Stabilität der Affekte und der Stimmung helfen, um sich den Anforderungen der Schule zu widmen. Das Kind nutzt nun die weiterentwickelte Sprache, indem es Allegorien, Metaphern und Vergleiche benützen kann. Die Werte und Normen der äußeren sozialen Welt werden wichtiger und das rationale Denken tritt in den Vordergrund. In der privaten Welt, also vor allem dem häuslichen Umfeld, wird weiterhin die Phantasie ein wichtiger Bestandteil seines Spiels sein.

    Die Latenz kann bei Kindern unterschiedlich ausgeprägt sein. Manche Kinder tragen zu wenig Latenz in sich, es fällt ihnen nicht leicht sich zu regulieren und sie handeln oft impulsiv. Dadurch wird es schwieriger, einen Ruhepunkt zu finden, um sich auf das Lernen in der Schule zu konzentrieren. Wenn in dieser Phase etwa ein Elternteil erkrankt oder eine Trennung in der Familie stattfindet, erlebt das Kind einander widersprechende Situationen, sodass es in einen kindlichen Zustand zurückfallen kann (Regression). Dann ist zu beobachten, dass das Kind selber wechselhaft wird. Auf der anderen Seite gibt es auch Kinder, bei denen zu viel Latenz vorhanden ist. Die Regulierung und Kontrolle gleicht einem zwanghaften Verhalten. Diese Kinder wirken nach außen oft ruhig und introvertiert, und man bekommt den Eindruck, dass sie alles gut meistern. Innerlich sind sie aber ängstlich angespannt und fühlen extreme Schuldgefühle, falls sie doch einmal impulsiv handeln.

    Unruhige Schüler sind oft Schüler mit zu wenig Latenz und unauffällige Schüler oft solche mit zuviel Latenz. Kinder, die sich wechselhaft verhalten, haben manchmal eine besonders schwierige familiäre Situation zu meistern. Bei einem Kind mit schwach ausgeprägter Latenz ist es für LehrerInnen angebracht, Impulse für einen Moment der Ruhe zu setzen. Ist bei einem Kind die Latenz zu stark ausgeprägt, kann es sinnvoll sein, es zum Spielen und zur Entfaltung der Kreativität anzuregen. Generell kann ein spielerisches Verhalten die Kinder gut abholen. Ebenso werden die Lehrenden merken, dass die Schüler versuchen, eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Dies ist ein normales Verhalten, da Schüler und LehrerInnen viel Zeit miteinander verbringen. Als LehrerIn bleibt man aber nicht die wichtigste Bezugsperson, da die Eltern immer noch im Hintergrund einen wichtiger Bezugspunkt darstellen. Man kann sehen, ob ein Kind schon in der Latenzzeit ist, indem man die Interessen des Kindes beobachtet. Wenn es schon Interesse am Lernen und der Schule hat, zeigt sich, dass es latent wird. Auch die Beobachtung der Regulationsfähigkeiten kann Aufschluss geben. Wenn das Kind sich zu Hause von sich aus hinsetzt und sich länger als sonst mit etwas beschäftigt oder sogar kreative Aufgaben gewissenhaft ausführt, könnte das ein deutliches Zeichen für die Latenzzeit sein. Man kann beobachten, ob das Kind gut lernen kann, ob es weniger impulsive Überflutungen gibt und ob es sich insgesamt selbstständiger verhält. Typisch für die frühe Phase der Latenz sind auch Selbstzweifel, Unsicherheit, Verunsicherung und Gewissensbildung. Charakteristisch können hier Symptome der Spannung sein, dass ein Kind wieder einnässt oder ängstliche Phasen hat. Ein Kind zieht sich in der Latenzzeit nicht selten in eine Spielwelt zurück, was sehr wichtig ist, da es in dieser seiner Phantasie freien Lauf lassen kann und noch Kind sein darf. Vom Kind wird eine Anpassung an seine Umwelt erwartet, es braucht aber auch Raum für regressive Momente, wo es infantil sein darf.

    Literatur

    Fellner, Richard L. (2004). Die Psychoanalyse Sigmund Freuds.
    WWW: http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/psychoanalyse/psychoanalyse.phtml (09-05-21)


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert