Das psychologische Phänomen des Batman-Effekts beschreibt, wie die Präsenz oder die Identifikation mit einer Superheldenfigur das menschliche Verhalten positiv beeinflussen kann, sei es durch die Förderung von Hilfsbereitschaft im öffentlichen Raum oder die Steigerung der Ausdauer bei unangenehmen Aufgaben. Eine aktuelle Studie von Pagnini et al. (2025) untersuchte diesen Effekt in einem lebensnahen Experiment in der Mailänder U-Bahn, um zu ergründen, wie unerwartete Ereignisse prosoziales Verhalten auslösen. In 138 Testfahrten wurde beobachtet, wie Fahrgäste auf eine schwangere Frau reagierten, die einen Sitzplatz suchte. Es zeigte sich eine deutliche Steigerung der Hilfsbereitschaft, wenn gleichzeitig eine als Batman verkleidete Person im Waggon anwesend war: Während in der Kontrollgruppe ohne Superheld nur etwa 38 Prozent der Fahrgäste ihren Platz anboten, stieg diese Quote in Gegenwart von Batman auf rund 67 Prozent an.
Man führt dieses Ergebnis primär auf eine Unterbrechung der Alltagsroutine zurück, d. h., dass das unerwartete Erscheinen der Heldenfigur die Menschen in ihrer gewohnten Gedankenwelt irritiert und ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf das Hier und Jetzt sowie auf ihre unmittelbare Umwelt lenkt. Ein besonders bemerkenswerter Aspekt der Studie ist, dass fast die Hälfte der helfenden Personen angab, den Superhelden gar nicht bewusst wahrgenommen zu haben. Dies deutet darauf hin, dass sich Aufmerksamkeit sozial übertragen kann, d. h., wenn einige Fahrgäste durch den Reiz der Verkleidung achtsamer werden, beeinflusst ihr verändertes Verhalten instinktiv auch die übrigen Anwesenden, wodurch eine Kettenreaktion der Hilfsbereitschaft entsteht. Zudem wird vermutet, dass Superhelden als kulturelle Symbole für ritterliche Tugenden fungieren und durch einen Priming-Effekt tief verankerte gesellschaftliche Normen der Unterstützung aktivieren (Pagnini et al., 2025).
Neben dieser Förderung von Altruismus lässt sich der Batman-Effekt auch zur Steigerung der individuellen Selbstregulation einsetzen, was insbesondere im pädagogischen Kontext relevant ist. Psychologen der Universität von Pennsylvania sowie Experten wie Stangl (2018) raten Eltern dazu, Kinder bei Widerständen gegen Hausaufgaben oder andere unbeliebte Pflichten in Superhelden-Kostüme schlüpfen zu lassen. Hinter dieser Strategie steht der Mechanismus der Selbstdistanzierung, denn durch das Tragen von Umhang und Maske fällt es Kindern offenbar leichter, sich von ihrer eigenen momentanen Frustration oder Unlust zu lösen und stattdessen die Rolle einer kompetenten und ausdauernden Figur einzunehmen. Indem sie sich fragen, wie Batman die vorliegende Aufgabe lösen würde, identifizieren sie sich mit dessen Stärke und Zielstrebigkeit, was die Bewältigung der Herausforderung erheblich erleichtert (Stangl, 2018).
Der Batman-Effekt verdeutlicht demnach, wie sowohl externe Irritationen im öffentlichen Raum als auch die bewusste Rollenübernahme im privaten Bereich dazu beitragen können, menschliche Verhaltensmuster zu durchbrechen und das Potenzial für prosoziale Handlungen sowie persönliche Disziplin zu erweitern.
Literatur
Pagnini, F., Grosso, F., Cavalera, C., Poletti, V., Minazzi, G. A., Missoni, A., Bogani, L., & Bertolotti, M. (2025). Unexpected events and prosocial behavior: the Batman effect. npj Mental Health Research, 4(1), 57.
Stangl, W. (2018, 22. Juli). Eltern und Hausaufgaben – Was können Eltern tun? Tipps für Eltern.
WWW: https://eltern.lerntipp.at/Eltern-Hausaufgaben.shtml