Hyperemotionalisierung bezeichnet einen psychologischen Zustand, in dem emotionale Reaktionen übermäßig intensiv oder unangemessen stark ausfallen. Hyperemotionalisierung beschreibt demnach einen Zustand übersteigerter emotionaler Erregung, in dem Gefühle und Affekte dominieren und oft die rationale Betrachtung von Sachverhalten in den Hintergrund treten lassen. Dies kann sich in individuellen Panikzuständen äußern, aber auch in kollektiven Erregungszuständen, die beispielsweise durch soziale Medien oder bestimmte Medienberichterstattung verstärkt werden. Betroffene zeigen eine übersteigerte emotionale Reaktivität auf äußere oder innere Reize, wobei bereits geringfügige Auslöser heftige emotionale Reaktionen wie Wut, Angst, Trauer oder Freude hervorrufen können. Diese Reaktionen stehen oft in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung der auslösenden Situation.
Betroffene zeigen dabei eine gesteigerte emotionale Empfindlichkeit, was sich in übertriebenen Gefühlsausbrüchen, erhöhter Reizbarkeit oder einer verminderten emotionalen Regulation äußern kann. Diese Übersteigerung kann in verschiedenen Kontexten auftreten, etwa als Symptom psychischer Störungen wie affektiven Erkrankungen, bei posttraumatischen Belastungsreaktionen oder als Folge chronischer Stressbelastung. Es ist ein Phänomen, bei dem die Intensität und Verbreitung von Emotionen, oft auch negativer Natur wie Neid, Eifersucht oder Hass, zunimmt und sich zu einer Art „Gefühlssprech“ entwickeln kann. In der Psychologie wird Hyperemotionalisierung auch im Kontext des „Hyperismus“ betrachtet, einem Zustand, der eine übererregte Gesellschaft kennzeichnet, in der emotionale Reaktionen übertrieben und nachgeahmt werden können, was zu einer schnellen Eskalation führen kann. Ein Merkmal ist dabei, dass der Grad der Betroffenheit und die empfundene Gefahr übertrieben werden können, und dass die digitale Welt als ein Biotop für diese Entwicklung fungiert.
Hyperemotionalisierung beeinträchtigt häufig die soziale Interaktion und die Alltagsbewältigung, da Betroffene ihre Emotionen schwer kontrollieren können und dadurch schneller in Konflikte geraten oder sich sozial zurückziehen. Die Ursachen sind vielfältig und können sowohl neurobiologisch als auch psychosozial bedingt sein. In der klinischen Praxis wird Hyperemotionalisierung vor allem im Rahmen diagnostischer Einschätzungen und therapeutischer Interventionen berücksichtigt (Linden, 2013)
Hyperemotionalisierung kann sich in Form von starker emotionaler Labilität, geringer Frustrationstoleranz und einer Neigung zur Dramatisierung äußern. Sie tritt häufig im Zusammenhang mit bestimmten psychischen Störungen wie affektiven Störungen, Persönlichkeitsstörungen (z. B. der Borderline-Persönlichkeitsstörung) oder posttraumatischen Belastungsstörungen auf. Auch chronischer Stress, traumatische Erfahrungen oder eine emotional wenig regulierende Umwelt können zu einer gesteigerten emotionalen Reaktionsbereitschaft beitragen.
In gesellschaftlicher oder medialer Hinsicht wird der Begriff gelegentlich auch kritisch verwendet, um eine Tendenz zur übermäßigen Emotionalisierung öffentlicher Debatten oder individueller Befindlichkeiten zu beschreiben. Eine differenzierte Betrachtung scheint notwendig, um zwischen einer krankhaften Hyperemotionalität und einer normalen emotionalen Sensibilität zu unterscheiden.
Literatur
Linden, M. (2013). Emotionale Dysregulation und ihre Behandlung: Theorie, Diagnostik und Therapie. Kohlhammer.