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Self-Handicapping

    In der Psychologie versteht man unter Self-Handicapping – Selbstbehinderung – eine mentale Strategie, bei der Menschen im Voraus externe Faktoren schaffen, die einen späteren Misserfolg erklären sollen, so dass das Scheitern auf diese vermeintlichen Hindernisse zurückgeführt werden kann, anstatt die eigene Leistung oder Fähigkeiten in Frage zu stellen. In der Praxis sind die häufigsten Formen von Self-Handicapping Prokrastination, Schlafentzug, die Wahl schwierigerer Aufgaben und negative Selbsterwartungen. Self-Handicapping ist eine Strategie, die kurzfristig das Selbstwertgefühl schützen kann, langfristig aber negative Auswirkungen auf Leistung und Entwicklung haben kann. Es ist damit eine selbstwertdienliche Reaktion auf die Angst vor Versagen, das Sabotieren von Erfolgschancen, indem man sich selbst als schüchtern, krank oder ängstlich präsentiert.

    Beim Self-Handicapping werden also von den Betreffenden absichtlich Hindernisse oder Ausreden geschaffen, die die eigene Leistung beeinträchtigen können, wobei diese Handlungen in erster Linie dazu dienen, mögliche Misserfolge oder negatives Feedback zu erklären oder zu entschuldigen, bevor diese auftreten. Im Wesentlichen versuchen Menschen also, sich vor Misserfolg zu schützen, indem sie im Voraus plausible Ausreden für ihr mögliches Versagen finden. Ein typisches Beispiel für Self-handicapping stellen Schüler oder Studierende dar, die vor einer wichtigen Prüfung zu spät mit dem Lernen beginnen, und im Fall einer schlechten Prüfungsnote begründen sie diese dann mit ihrer zu späten Vorbereitung.

    Behaviorales Self-Handicapping beinhaltet tatsächliche Handlungen, die die Leistung beeinträchtigen können, wie z. B. jemand, der vor einem wichtigen Rennen oder Test bis spät in die Nacht aufbleibt, um dann Müdigkeit als Entschuldigung für eine schlechte Leistung anzuführen. Beim situativen Self-Handicapping schafft die Person absichtlich eine Umgebung oder Situation, die die Leistung beeinträchtigen könnte, während beim attributionalen Self-Handicapping Entschuldigungen oder Ausreden auf der Grundlage persönlicher oder situativer Faktoren gefunden werden, um ein mögliches Versagen zu erklären. Beispielsweise könnte jemand sagen: „Ich habe die Prüfung nicht bestanden, weil ich letzte Nacht krank war“, anstatt zuzugeben, dass er nicht genug gelernt hat.

    Auf lange Sicht kann Self-Handicapping jedoch zu einem Muster der Vermeidung von Verantwortung und der Verhinderung von persönlichem Wachstum führen, so dass es letztendlich tatsächlich die eigene Leistung beeinträchtigt, indem es die Anstrengungen und das Engagement verringert, die notwendig sind, um erfolgreich zu sein. Vor allem Menschen mit Selbstzweifeln oder Versagensängsten nutzen Self-Handicapping, um ihr Selbstwertgefühl zu schützen, denn wenn sie trotz der selbst geschaffenen Hindernisse scheitern, können sie ihre Fähigkeiten weiterhin als intakt betrachten. Durch die Antizipation von Misserfolgsursachen kann auch die Verantwortung für die eigene Leistung reduziert werden bzw. durch die Antizipation von Hindernissen erscheint ein späterer Misserfolg weniger unerwartet und wird leichter akzeptiert.

    Das Konzept der Selbstbeschädigung ist in verschiedenen intellektuellen Kontexten verankert, von denen einige traditionell und einige neuen Ursprungs sind. Alfred Adler war vielleicht der erste, der die Bedeutung verschiedener selbstschädigender Ansprüche und Gesten zum Schutz des Selbstkonzepts artikulierte. In jüngerer Zeit fügte Fritz Heiders naive Psychologie der Beschreibung von Strategien zur Selbstzerstörung eine Attributionsrhetorik hinzu, und auch wenn dieser Ansatz vorwiegend kognitiv ausgerichtet war, so schlug er dennoch vor, dass Menschen dazu neigen, ihre Leistungen in einer eigennützigen Weise zuzuordnen: Die guten Dinge habe ich verursacht; die schlechten Dinge wurden mir aufgezwungen. Menschen entschuldigen sich nicht nur für ihre Fehler, sondern sie planen ihr Engagement und ihre Entscheidungen in bestimmten Situationen so, dass sich Ausreden zum Selbstschutz erübrigen. Dabei nutzt man das Attributionsverständnis, um die Dinge so zu gestalten, dass fehlerhafte und misslungene Leistungen nicht in einer Weise interpretiert werden, die das Selbstwertgefühl bedrohten.

    Literatur

    https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/self-handicapping (22-10-07)
    https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/self-handicapping/14050 (22-10-07)


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