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Facettentheorie

    In den Sozialwissenschaften hat sich ein empiristischer Ansatz der Indexbildung durchgesetzt, d.h. man untersucht die gegebenen Itemscores mittels einer Faktorenanalyse und interpretiert die sich ergebenden Faktoren. Die Interpretation selbst ist von untergeordneter Bedeutung, wobei in einem zweiten Schritt Items eliminiert werden, die nicht faktorenrein (inhomogen) und damit inhaltlich mehrdimensional im Sinne der Faktorenanalyse sind. Nur die homogenen Items, d.h. solche, die nur auf einem Faktor hohe Ladungen aufweisen, werden zur Bildung von Skalen (im Sinne von Itembatterien mit bestimmten Eigenschaften) verwendet. Mit diesen Skalen sollen Konstrukte hinsichtlich der ihnen zugrunde liegenden (latenten) Dimensionen gemessen werden.

    In der Facettentheorie wird in der Regel anders vorgegangen, denn hier wird kein Index als solcher gebildet, sondern der Inhalt und die Theorie sowie die sich daraus ergebenden Fragestellungen stehen im Vordergrund. Diese sind jeweils spezifisch, so dass ein mechanisches Vorgehen im Sinne einer Instant-Wissenschaft mit Hilfe z.B. faktorenanalytischer Methoden nicht gegeben ist.

    Die Facettentheorie basiert auf einem Denkansatz von Guttman (1959, 1982), wonach verschiedene Aspekte von Aufgaben (Facetten) als Teilmenge für ein Evaluationsinstrument auszuwählen sind. Der Ansatz ist somit ein Modell zur Gliederung eines Untersuchungsfeldes in populationsbezogene und semantisch-inhaltliche Facetten, wobei diese zur Ableitung von Ähnlichkeits- oder Zusammenhangshypothesen aufgrund von Merkmalskombinationen der Stimuli dienen. Das definitorische System der Facettentheorie soll den Untersuchungsbereich explizieren und eine sinnvolle Replikation und Überprüfung der Untersuchung und der Untersuchungsergebnisse ermöglichen.

    Die Facettentheorie ist somit ein eher holistischer Ansatz, der sich mit der Untersuchung komplexer Konstrukte befasst, wobei komplexe Konstrukte solche sind, die aus mehreren Dimensionen oder Facetten bestehen, bei denen davon ausgegangen wird, dass diese Dimensionen oder Facetten unabhängig voneinander variieren können. Die Facettentheorie hat eine Reihe von Vorteilen für die Sozialforschung, da sie es ermöglicht, komplexe Konstrukte differenzierter zu untersuchen und zu verstehen, und sie kann dazu beitragen, die Validität von Messungen komplexer Konstrukte zu verbessern. Die Facettentheorie der Intelligenz untersucht z.B. die verschiedenen Dimensionen der Intelligenz wie fluide Intelligenz, kristalline Intelligenz, verbale Intelligenz, nonverbale Intelligenz und praktische Intelligenz, die Facettentheorie der Einstellungen untersucht z.B. die verschiedenen Dimensionen von Einstellungen wie Intensität, Richtung und Stabilität.

    Die Facettentheorie ist ein vielseitiges Werkzeug, das in vielen Bereichen der Sozialforschung eingesetzt werden kann, da sie die Möglichkeit bietet, komplexe Konstrukte differenzierter zu untersuchen und zu verstehen, als dies mit traditionellen Methoden möglich ist. Die wichtigsten Merkmale der Facettentheorie in der Sozialforschung sind:

    • Komplexität: Facettentheorien befassen sich mit komplexen Konstrukten, die aus mehreren Dimensionen oder Facetten bestehen.
    • Unabhängigkeit: Facettentheorien gehen davon aus, dass die Dimensionen oder Facetten eines komplexen Konstrukts unabhängig voneinander variieren können.
    • Mehrdimensionalität: Facettentheorien berücksichtigen die Mehrdimensionalität komplexer Konstrukte.
    • Empirische Überprüfung: Facettentheorien werden anhand empirischer Daten überprüft.

    Beispiel

    Der Test Lebensbereiche und Ziele (LuZ) (Stangl, 1991) untersucht den Zusammenhang zwischen Zielen in verschiedenen Lebensbereichen, wobei fünf Lebensbereiche unterschieden werden:
    Arbeit, Beruf, Ausbildung
    Freizeit, Hobby, Sport
    Träume, Phantasien, Weltanschauung
    Familie, Partner, Kinder
    Vereine, Freunde, Bekannte


    Literatur

    Guttman, L. (1959). A structural theory for intergroup beliefs and action. American Sociological Review, 24, 318-328.
    Guttman, L. (1982), Facet theory, smallest space analysis, and factor analysis. Perceptual and Motor Skills, 54, 491-493.
    Stangl, W. (1991). Lebensbereiche und Ziele – LuZ (Marburger Version).
    WWW: https://www.stangl-taller.at/STANGL/WERNER/BERUF/TESTS/LUZ/LuZpage12.pdf (95-11-17)


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