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Fibel-Methode

    Es gibt einige Methoden zum Erlernen der Rechtschreibung bzw. des Lesens und Schreibens, die verschieden lange Traditionen haben. Am ältesten ist die Fibel-Methode, bei der Buchstaben und Wörter schrittweise und nach festen Vorgaben eingeführt werden. In den Lehrbüchern dazu, eben den Fibeln, werden gesprochene Wörter unter Anleitung in Einzellaute zerlegt, anschließend wird jeder Laut einem Buchstaben zugeordnet. Dabei sind die Fibeln so aufgebaut, dass die Kinder die Schriftsprache in einem vorgegebenen und strukturierten Aufbau erlernen und so nach und nach den Grundwortschatz aufbauen. Die Lehrer bzw. Lehrerinnen korrigieren dabei die Ergebnisse und bieten Hilfestellung.

    Bei der Methode „Lesen durch Schreiben“, die auch „Schreiben nach Gehör“ genannt wird, müssen Kinder von der ersten Klasse an alles so schreiben, wie sie es gehört und verstanden haben. In der Regel werden bis zur dritten Klasse Fehler kaum korrigiert, um ihnen die Freude am Lesen nicht zu nehmen. Die „Lesen durch Schreiben“-Methode wurde von dem deutschen Reformpädagogen Jürgen Reichen entwickelt. Bei diesem Ansatz werden die Kinder dazu angehalten, viel und frei zu schreiben, wobei das Lesen so gleichzeitig mitgelernt werden soll, wodurch die Motivation sowie der Spaß der Kinder am Schreiben steigen soll. Deswegen werden falsch geschriebenen Wörter bei diesem Ansatz auch nicht korrigiert, weil das auf Kosten der Motivation gehen könnte.

    Ein weiterer Ansatz ist die „Rechtschreibwerkstatt“. Bei dieser Methode werden zwar Materialien zur Verfügung gestellt, dafür aber keine Lernschritte vorgegeben, d. h., die Kinder sollen selbstständig und individuell den Stoff bearbeiten. Das Konzept orientiert sich an der Ordnung der Rechtschreibung und der empirisch fundierten Entwicklungslogik des Rechtschreiblernprozesses. Dabei soll das Haus der Rechtschreibwerkstatt Kindern den Rechtschreiblernprozess und die Ordnung der Rechtschreibung überschaubar machen. Die Zimmer der Werkstatt geben die einzelnen Lernbereiche an, die von den Kindern bearbeitet werden sollen. Auf diese Weise wird den Kindern neben der Ordnung der Rechtschreibung auch ihr eigener Lernfortschritt verdeutlicht, was zur Motivation beitragen soll. Die Materialien für den Unterricht orientieren sich an den Zimmern der Rechtschreibwerkstatt und sind so gestaltet, dass die Kinder selbstständig mit ihnen arbeiten können. Sie sollen sich daher insbesondere für einen differenzierten Unterricht eignen und sowohl für leistungsstarke als auch für langsam lernende Kinder eingesetzt werden können. Auch steht die Rechtschreibwerkstatt für inklusiven Unterricht, der allen Schülerinnen und Schülern gerecht wird, wobei sich Lehrerinnen und Lehrer innerhalb dieses Konzepts als Lernberater bzw. -beraterinnen verstehen, die den Lerngegenstand ordnen und vermitteln sowie die passenden, effizienten Lernmethoden bereitstellen und einüben. Voraussetzung für ein erfolgreiches Lernen ist die genaue Analyse der Rechtschreibkompetenz des Kindes. Der Rechtschreiblernprozess ist dabei ein qualitativer Entwicklungsprozess, wobei die vielen Wörter der deutschen Sprache nicht einzeln und Wort für Wort gelernt werden, sondern die Kinder gehen vom Einfachen zum Schwierigen weiter.

    Da Lehrer an weiterführenden Schulen vermehrt über die fehlenden Rechtschreibkenntnisse der Kinder klagten, wurde die „Lesen durch Schreiben“ Methode an vielen Schulen wieder abgeschafft. Röhr-Sendlmeier & Kuhl (2018) haben in einer vergleichenden Längs- und Querschnittstudie die Überlegenheit des Unterrichts mit einem Fibel-Ansatz gegenüber den beiden anderen Methoden nachgewiesen. In jeder Klassenstufe waren die Rechtschreibleistungen der systematisch angeleiteten Kinder besser als die der anderen beiden Didaktikgruppen, und zwar durchgängig mit bedeutsamen praxisrelevanten Unterschieden. Zudem waren die Leistungsdifferenzen innerhalb der Fibel-Gruppe deutlich kleiner. Die ganz überwiegende Mehrzahl dieser Kinder konnte demnach von dieser Lehrmethode profitieren, obwohl sie zu Beginn der Schulzeit weniger Vorkenntnisse hatten als die Lesen-durch-Schreiben-Kinder. Dieser Befund zeigt sich auch für Kinder mit nicht deutscher Familiensprache, während es in der Rechtschreibwerkstatt-Gruppe besonders viele Kinder mit sehr schlechten Rechtschreibleistungen gab.

    Literatur

    McElvany, Nele, Kortenbruck, Marthe & Becker, Michael (2008). Lesekompetenz und Lesemotivation, Entwicklung und Mediation des Zusammenhangs durch Leseverhalten. Zeitschrift für pädagogische Psychologie, 22, 207-219.
    Martschinke, S., Kirschhock, E. & Frank, A. (2008). Der Rundgang durch Hörhausen. Donauwörth: Auer.
    May, P. (2013). Hamburger Schreib-Probe. Stuttgart: Klett.
    Röhr-Sendlmeier, Una & Kuhl, Tobias (2018). Der Verlauf des Rechtschreib-Lernens – drei Didaktiken und ihre Auswirkungen auf Orthographie und Motivation in der Grundschule. Bonn.
    Schründer-Lenzen, A. (2013). Schriftspracherwerb. Wiesbaden: Springer.
    Stangl, W. (2020, 20. Dezember). Fibel führt zu besseren Rechtschreibleistungen als andere Methoden. Pädagogik-News.
    https:// paedagogik-news.stangl.eu/fibel-fuehrt-zu-besseren-rechtschreibleistungen-als-andere-methoden
    https://www.rechtschreibwerkstatt-konzept.de/konzept/ (19-11-14)


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