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phänomenologische Psychologie

    Die Bezeichnung phänomenologische Psychologie ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff für eine Richtung bzw. Haltung, die ein Psychologe oder anderer Wissenschaftler in Bezug auf seinen Gegenstand einnehmen kann. Die Kernannahme der phänomenologischen Vorgehensweise ist die Intentionalität der Person-Umwelt-Beziehung, wobei Intentionalität einen Grundzug menschlichen Bewusstseins wie Handeln bezeichnet, die den Zusammenhang zwischen Person und Umwelt prinzipiell für unauflösbar hält. Die analytische Einheit in einer phänomenologisch orientierten Psychologie ist demnach nicht die Person in ihrem Erleben und Verhalten, sondern die intentionale Person-Umwelt-Relation. Intentionale Analyse bedeutet in diesem Sinne letztlich dann immer Situationsanalyse, weil die Person eine situierte Person ist bzw. weil stets die intentionale Situation zu berücksichtigen ist, wenn man Gefühle oder Handlungen erklären will. Es genügt bei der Analyse von Verhalten daher nicht wie etwa im behavioristischen Ansatz dieses nur so aufzufassen, als stünde es unter der Kontrolle von physischen Stimulusbedingungen. Verhalten ist im phänomenelogischen Sinne eine sinnvolle Antwort auf eine Situation, die ihrerseits für das Subjekt Sinn hat. Diese sinnvolle Situation ist dabei eine Konstruktion des Subjekts bzw. soziale Konstruktion von mehreren Subjekten, die – in sozialer Interaktion stehend ihre jeweilige Situation definieren bzw. aushandeln. Die Psychologie muss daher aufgrund dieser subjektiven Bedeutungszuschreibung immer die Interpretation durch die Subjekte mit einbeziehen, die über die einfache Deskription sowie auch die Introspektion hinausgeht. Allgemeinen untersucht die phänomenologische Psychologie die Erste-Person-Perspektive und steht damit im klaren Widerspruch zu jenen Formen der Psychologie, die diese Perspektive für unerheblich halten.

    Im Mittelpunkt der phänomenologischen Arbeit steht die Erfahrung, allerdings nicht die Erfahrung, die man einem Lebewesen von außen aufgrund seines organischen Aufbaus zuschreibt, sondern der innere Zusammenhang der Erfahrung des Subjekts. Der Anspruch ist dabei, die ursprünglichen Gegebenheiten zu verstehen und den logischen und existenziellen Wurzeln des Bewusstseins nachzuforschen. Von ihrem philosophischen Ansatz her versuchte die Phänomenologie hinter die Metaphysik und Epistemologie des 19. Jahrhunderts zu gelangen, d. h., die Phänomenologie ist in einer Zeit entstanden, als Experimentalpsychologie und Philosophie noch nicht endgültig voneinander getrennt waren. Phänomenologie ist letztlich ein erkenntnistheoretisches Programm gewissermaßen als Radikalisierung von Immanuel Kants »Kritik der reinen Vernunft«, denn man kann von diesem Standpunkt aus all das bezweifeln, was man als objektive Dinge bezeichnet. Schließlich können die Sinne täuschen, wobei Menschen viele Ding nur vermittelt durch das kennen, was andere sagen, und auch die können sich bekanntlich irren. Von absoluter und unbezweifelbarer Sicherheit ist in diesem Sinne also nur das, was ein Subjekt wahrnimmt.

    Giorgi (2009) wandte die phänomenologische Theorie auf seine Entwicklung der deskriptiven phänomenologischen Methode in der Psychologie an, um bestimmte Probleme zu überwinden, die aus seiner Arbeit in der Psychophysik heraus entstanden war, indem er sich subjektiven Phänomenen aus dem traditionellen hypothetisch-deduktiven Rahmen der Naturwissenschaften näherte. Giorgi hoffte, daraus eine strenge qualitative Forschungsmethode entwickeln zu können. Auch der Ansatz von Rogers (1951) personenzentrierten Psychotherapie basiert auf der Persönlichkeitstheorie des phänomenalen Feldes, wobei er versuchte, einen Therapeuten in engeren Kontakt mit einer Person zu bringen, indem er dem Bericht der Person über ihre jüngsten subjektiven Erfahrungen zuhört, insbesondere über Emotionen, deren sich die Person nicht vollständig bewusst ist. Er ging dabei davon aus, dass ein Problem in Beziehungen oft nicht auf dem, was tatsächlich passiert ist, beruht, sondern auf den Wahrnehmungen und Gefühlen jedes Einzelnen in dieser Beziehung.

    Auch in der Pädagogik hat die Phänomenologie eine lange Tradition, auch wenn die zahlreichen phänomenologischen Zugänge kaum auf einen Nenner zu bringen sind. Gemeinsam ist diesen, dass sie die Phänomenologie als Haltung oder Zugangsweise bezeichnen, sich den Sachen zu öffnen, und zwar so, wie es sie gibt. Sie erfordert daher eine gewisse Gelassenheit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für Anderes und Fremdes, für gelebten Sinn und eine gewisse engagierte Passivität, die geübt werden muss.

    Literatur

    Giorgi, Amedeo (2009). Die deskriptive phänomenologische Methode in der Psychologie. Duquesne University Press: Pittsburgh, PA.
    Graumann, C. F. (1994). Phänomenologische Psychologie. In R. Asanger & G. Wenninger (Hrsg.), Handwörterbuch der Psychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
    Rogers, Carl R. (1951). Klientenzentrierte Therapie. Boston: Houghton Mifflin.
    Stangl, W. (2010). Die Phänomenologie oder der Phänomenalismus. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTGEIST/Phaenomenologie.shtml (10-02-15)
    https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/phaenomenologische-psychologie/11485 (08-11-11)
    https://www.stangl-taller.at/paedpsych/INTERNET/ARBEITSBLAETTERORD/PHILOSOPHIEORD/Husserl.html (10-02-15)


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