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Repräsentationsdrift

    Als Repräsentationsdrift – representational drift – bezeichnet man das Phänomen, dass bei bestimmten Sinneseindrücken zwar meist dieselben Neuronen feuern, dass aber mit der Dauer der Wahrnehmung das Nervensignal im Gehirn in eine andere Region abdriftet. Bisher ging man davon aus, dass es stets eine feste Gruppe von Neuronen im Gehirn gibt, die für eine konstante Wahrnehmung etwa von Gerüchen oder optischen Wahrnehmungen zuständig ist. Die Nervenzellen repräsentieren sozusagen das Objekt und feuern immer dann, wenn dieses Objekt wieder auftaucht. Schoonover et al. (2021) haben in einem Experiment bei Mäusen gezeigt, dass ein bestimmtes Hirnareal (piriformer Cortex) Düfte erkennt und sie voneinander unterscheidet, allerdings veränderten sich mit der Zeit die Zellen, die auf einen bestimmten Geruch reagierten und damit auch die Repräsentation dieses Geruchs. Mehr als 97 Prozent der überprüften Neurone änderten im Studienverlauf ihr Antwortverhalten.

    Dafür gibt es drei mögliche Erklärungen: Erstens könnte ein Duft gerade in jenen drei Prozent der Neuronen abgespeichert werden, die auch nach einiger Zeit immer noch zuverlässig auf einen Reiz reagieren, was allerdings die Frage aufwirft, warum dann so viele andere Nervenzellen mitfeuern und neuronale Rechenleistung verschwendet wird. Es wäre aber auch möglich, dass gerade in der verschobenen Aktivität ein verborgenes Muster liegt, mit dem sich ein Geruch identifizieren lässt. Solche Muster konnten aber bisher nicht gefunden werden. Entgegen dem aktuellen Wissenstand könnte der piriforme Cortex womöglich überhaupt nicht für die Erkennung von Gerüchen verantwortlich sein, wobei dafür spricht, dass Repräsentationsdrifts auch in anderen Arealen auftreten, die nicht direkt mit der Sinnesverarbeitung zu tun haben, etwa im Hippocampus, der unter anderem eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisbildung spielt. Doch dort sind solche Verschiebungen nicht überraschend, da ständige Neukonfigurationen notwendig sind, damit neue Gedächtnisspuren entstehen.

    Literatur

    Schoonover, Carl E., Ohashi, Sarah N., Axel, Richard & Fink, Andrew J. P. (2021). Representational drift in primary olfactory cortex. Nature, doi:10.1038/s41586-021-03628-7.


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