Als tonische Immobilität oder Schockstarre bzw. Totstellreflex bezeichnet man jenen Zustand, bei dem Körper und Geist auf ein Handeln vorbereitet werden sollen, aber der Körper vor Angst buchstäblich gelähmt und unfähig ist, sich zu bewegen, zu sprechen oder zu schreien. Dieser Zustand kann vollständig aber auch nur partiell auftreten. Siehe dazu auch Angststarre.
Die tonische Immobilität ist dabei ein Verharren in der freeze-Phase der Kampf-oder-Flucht-Reaktion (fight-or-flight response), die vom Physiologen Walter Cannon geprägt wurde. Die Kampf-oder-Flucht-Reaktion beschreibt dabei die rasche körperliche und seelische Anpassung von Lebewesen in Gefahrensituationen als Stressreaktion.
Diese freeze-Phase zeichnet sich aus durch eine erhöhte Aufmerksamkeit (Hypervigilanz) und Bewegungslosigkeit aus, wobei aus evolutionärer Sicht der Grund für das Erstarren die Hoffnung darstellt, vom Raubtier oder der Bedrohung übersehen zu werden, da die Augen am ehesten auf Bewegung ansprechen. Wenn weder Flucht noch Kampf eine realistische Option sind, kann die Phase fright (Furcht) eintreffen, die mit einer tonischen Immobilität (Muskellähmung) mit der Intention einhergeht, sich tot zu stellen bzw. sogar ohnmächtig zu werden.
Nicht selten erleben während einer Vergewaltigung Opfer eine Phase der Schockstarre, die Abwehrreaktionen unmöglich macht, denn nach einer schwedischen Untersuchung gab fast jedes zweite Opfer an, unmittelbar nach der Attacke eine extreme tonische Bewegungslosigkeit erlebt zu haben, zwanzig Prozent berichteten zumindest von einer deutlichen tonischen Bewegungslosigkeit während des Angriffs. Das Risiko, eine Schockstarre zu erleiden, war bei jenen Opfern höher, die körperlich besonders gewalttätig angegriffen wurden oder bereits früher sexuell attackiert worden waren. Frauen, die vor dem Angriff Alkohol getrunken hatten, erlitten seltener eine tonische Bewegungslosigkeit.
Im Übrigen sind möglicherweise auch manche funktionelle Störungen häufig eine Ursache für chronische nicht spezifische Schmerzzustände mit einer regelhaften Beteiligung der Amygdala (Angstzentrum). Es gibt Hinweise darauf, dass es sich hier ebenfalls um Varianten einer unvollständigen bzw. partiellen tonischen Immobilität bzw. Schockstarre handeln könnte.
Literatur
Möller, Anna, Söndergaard, Hans Peter & Helström, Lotti (2017). Tonic immobility during sexual assault – a common reaction predicting posttraumatic stress disorder and severe depression. Acta Obstetricia et Gynecologica Scandinavica, 96, 932-938.