Der Echokammer-Effekt oder Echoraum-Effekt (echo chamber effect) beschreibt in den Kommunikationswissenschaften, dass es durch den verstärkten virtuellen Umgang mit Gleichgesinnten in sozialen Netzwerken zu einer Verengung der Weltsicht kommt, die zu Bestätigungsfehlern führen kann. Dieser Effekt ist mit der Filterblase (filter bubble) oder Informationsblase verwandt. Eine Echokammer ist letztlich ein sozialer Raum, in dem die eigene Meinung gespiegelt und nicht mit anderen Meinungen konfrontiert wird, sodass es automatisch zu einer Verstärkung der eigenen Meinung kommt. Dabei ist der Begriff des soziale Raums nicht zwangsweise auf virtuelle Kontakte in sozialen Netzwerken beschränkt, denn auch in realen sozialen Gruppen kommt es immer wieder dazu, dass man sich nur mit Gleichgesinnten austauscht und dadurch in seinen eigenen Meinungen bestärkt wird.
Auch wenn sich zwischen den Begriffen Filterblase und Echokammern Unterschiede erkennen lassen, denn so fokussiert die Filterblase besonders die Filterung von Informationen mit Hilfe von Algorithmen, sodass NutzerInnen in sozialen Netzwerken bestimmte Inhalte wie Posts von anderen Seiten gar nicht angezeigt werden, während das Konstrukt der Echokammer die Kommunikation mit Gleichgesinnten in den Vordergrund stellt, werden diese oft synonym verwendet. Tatsächlich tretem sie häufig parallel auf, da Filterblasen als Verstärker für den Echokammer-Effekte fungieren, etwa wenn Menschen der gleichen Interessensgruppen lediglich Nachrichten, die ihrer Weltanschauung entsprechen, in ihren gefilterten Newsfeed erhalten und sich dort in den Beiträgen bzw. in den Kommentaren in ihren Meinungen verstärkt werden.
Neuen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram erleichtern es aktuell Menschen enorm, andere Menschen zu finden, mit denen man sich austauschen und vergleichen kann, sodass sich in diesen neuen Medien schon auf Grund solcher Vergleiche auch häufiger und schneller Gruppen oder Blasen bilden, die sich die eigenen Ansichten gegenseitig bestätigen, wobei diese Bestätigung in vielen Fällen auch zur Selbstüberschätzung der eigenen Position verleiten kann. Brady et al. (2021) haben gezeigt, wie soziale Lernprozesse die Ausdrucksformen moralischer Empörung im Internet im Laufe der Zeit verstärken. In zwei vorregistrierten Beobachtungsstudien auf Twitter (7331 Nutzer und 12,7 Millionen Tweets insgesamt) und zwei vorregistrierten Verhaltensexperimenten (N = 240) stellen sie fest, dass positives soziales Feedback für Empörungsäußerungen die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Empörungsäußerungen erhöht, was mit den Prinzipien des Verstärkungslernens übereinstimmt. Die Anreize in sozialen Medien verändern offenbar den Ton politischer Konversationen online, wobei manche NutzerInnen aufgrund des grundlegenden Designs sozialer Medien immer größere Entrüstung zu lernen scheinen. Darüber hinaus passen die NutzerInnen ihre Empörungsäußerungen an die Ausdrucksnormen ihrer sozialen Netzwerke an, was darauf hindeutet, dass das Lernen von Normen auch die Online-Empörungsäußerungen steuert. Menschen mit politisch moderaten Freunden reagieren dabei stärker auf Feedback, was ihre Ausdrücke der Entrüstung verstärkt, sodass man einen Mechanismus vermutet, der moderate Gruppen mit der Zeit radikalisiert, wobei die Belohnungen in den sozialen Medien Feedback-Schleifen erzeugen, die die Empörung verstärken. In ideologisch extremen Netzwerken, in denen Empörungsäußerungen häufiger vorkommen, reagieren die NutzerInnen weniger empfindlich auf soziales Feedback, wenn sie entscheiden, ob sie ihre Empörung zum Ausdruck bringen oder nicht. Da moralische Empörung eine entscheidende Rolle im sozialen und politischen Wandel spielt, sollte man sich angesichts dieser Ergebnisse bewusst sein, dass Technologieunternehmen durch die Gestaltung ihrer Plattformen (etwa mit Likes oder einfachen Retweets) den Erfolg oder Misserfolg kollektiver Bewegungen beeinflussen können.
Verstärkt wird der Echokammer-Effekt durch den Erklärungseffekt, denn wenn Menschen ein bestimmtes Argument zehnmal hören, dann sind sie nicht mehr so leicht in der Lage, es als irrelevant zu empfinden, selbst wenn sie ganz anderer Meinung sind, beschäftigen sie sich damit oder übernehmen die Standpunkte zumindest zum Teil. Psychologische Erkenntnisse weisen übrigens darauf hin, dass der Erklärungseffekt in manchen Fällen durch eine Gegenerklärung (counterexplanation) eliminiert werden kann. Im übrigen macht sich die Werbung diesen Effekt zu Nutze.
Der Echokammer-Effekt der sozialen Netzwerke betrifft nicht nur private Posts und Fake-News, sondern häufig auch Nachrichten etablierter Medien, denn Facebook-Nutzer lesen, liken und teilen vornehmlich Meldungen von einigen wenigen, ihnen genehmen Medien, wobei dieser selektive News-Konsum die Polarisierung noch verstärkt. Soziale Netzwerke beeinflussen daher die Weltsicht vieler Menschen, denn die ausgeklügelten Algorithmen der Netze zeigen die Posts und Nachrichten zuerst, die den eigenen Vorlieben entsprechen und verstärken damit die bereits bestehenden Meinungen und Vorurteile. Dieser Effekt der Filterblase oder Echokammer wirkt so einer objektiven Information entgegen und sorgt dafür, dass sich Gerüchte und Fake-News schnell verbreiten.
Becker et al. (2019) haben jüngst in einem Experiment aber gezeigt, dass der Echokammer-Effekt der sozialen Netzwerke womöglich weniger stark als gedacht wirkt, denn in einem Experiment zeigte sich, dass selbst der Austausch innerhalb einer politisch homogenen Gruppe dazu führen kann, dass Einzelpersonen ihre Meinung sinnvoll korrigieren und die Polarisierung nachlässt anstatt sich zu verstärken. In dem Experiment hat man Probanden unterschiedlicher politischer Gesinnung gezielt mit Themen konfrontiert, die abhängig von der politischen Neigung oftmals ganz unterschiedlich bewertet werden. Nachdem die Probanden in den USA ihrE Meinung kundgetan hatten, erfuhren sie, wie andere gleichgesinnte Teilnehmer diese Frage eingeschätzt hatten, wobei sie die Antworten der gegnerischen politischen Gruppe nicht zu sehen bekamen. Anschließend durften die Teilnehmer ihre eigene Antwort noch einmal anpassen, wobei sich überraschenderweise zeigte, dass sich verzerrte Wahrnehmungen dadurch keineswegs verstärkten, sondern durch den Abgleich mit ihren Parteigenossen wurden die Antworten der Probanden im Schnitt um 35 Prozent genauer. Außerdem glichen sich durch diesen Prozess nicht nur die Antworten innerhalb der gleichen politischen Gruppe einander an, sondern sie wurden auch jenen Ansichten ähnlicher, die Teilnehmer aus der anderen Gruppe gegeben hatten. Demnach kann selbst der soziale Austausch innerhalb homogener Gruppen oder Echokammern die Faktengenauigkeit verbessern und die Polarisierung reduzieren. Offenbar greifen eunter bestimmten Bedingungen hier die Vorteile der Schwarmintelligenz auch in sozialen Netzwerken, allerdings war in dem Experiment die Probanden sehr motiviert, korrekte Antworten zu geben, während es in der realen Welt vielen Nutzern sozialer Netzwerke allerdings oftmals nur darum geht, Kontroversen gezielt zu befeuern.
Anmerkung: Der Begriff stammt ursprünglich aus der Akustik, in der eine Echokammer ein den Hall verstärkender Raum in einem Tonstudio bezeichnet, wobei diese Verstärkung des Halls nun auf Kommunikationsprozesse übertragen wurde. Daher ist eine Echokammer eine metaphorische Beschreibung einer Situation, in der Überzeugungen durch Kommunikation und Wiederholung innerhalb eines geschlossenen Systems vertieft oder gefestigt werden.
Der Begriff Echo wiederum leitet sich von der Nymphe Echo ab, die in der Mythologie mit der Geschichte des Narziss verbunden ist. Am Rande der Geschichte des schönen Narziss wird nämlich auch das Schicksal der Nymphe Echo beschrieben, die sehr geschwätzig war und allzu gern über ihre große Liebe redete, wie Verliebte das eben so tun. Dadurch verriet sie versehentlich der Gottesmutter Juno, dass Narziss der uneheliche Sohn des Gottesvaters Jupiter war, und so wurde Echo, aus Wut über die Enthüllung dieses Ehebetrugs, von Juno mit einem Fluch belegt, indem sie von nun an nur noch die letzten Worte wiederholen konnte, die sie selbst von anderen gehört hatte. So wurde sie zum Echo des Geredes anderer und war verdammt dazu, das Wehklagen ihres geliebten Narziss über seinem unerreichbaren Spiegelbild nachzuahmen, ohne ihm aber helfen zu können, sodass sie am Ende ebenso unglücklich und einsam verstarb.
Literatur
Becker, Joshua, Porter, Ethan & Centola, Damon (2019). The wisdom of partisan crowds. Proceedings of the National Academy of Sciences, 116, 10717-10722.
Brady, W.J., McLoughlin, K., Doan, T.N., & Crockett, M.J. (2021). How social learning amplifies moral outrage expression in online social networks. Science Advances, 7,doi:10.1126/sciadv.abe5641.
Stangl, W. (2018). Stichwort: ‚Theorie des sozialen Vergleichs‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/24293/theorie-des-sozialen-vergleichs/ (18-12-10)
Stangl, W. (2021). Verstärkungsmechanismen in den sozialen Medien. Was Stangl so bemerkt.
WWW: https://bemerkt.stangl-taller.at/verstaerkungsmechanismen-in-den-sozialen-medien (21-08-16)
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/darum-verbreiten-sich-verschwoerungsmythen-so-leicht/ (20-09-23)