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Other-Race-Effekt

    Der Other-Race-Effekt, auch Cross-Race-Effect, Cross-Race-Bias, Other-Race-Bias oder Cross-Race-Identification-Bias, beschreibt die schlechtere Wiedererkennensleistung bei Gesichtern, die nicht der eigenen Ethnie entstammen, und zwar im Vergleich mit Gesichtern der eigenen Ethnie. Diese Beeinträchtigung der Gesichtserkennung hat u. a. zur Folge, dass Menschen auch Emotionen, die sich im Gesicht abzeichnen, bei Menschen fremder Ethnien weniger gut erkennen können als bei Menschen der eigenen. Untersucht wird dieser Effekt sowohl in der Humanethologie als auch in der Sozialpsychologie.

    So fällt es bekanntlich bei erstmaligen Reisen in fremde Länder mit anderen Ethnien besonders zu Beginn schwer, einzelne Menschen zu unterscheiden und diese dann wiederzuerkennen, doch je mehr Menschen mit den zunächst fremden Gesichtszügen man begegnet, desto eher gelingt es, diese auseinanderzuhalten und schließlich ebenso sicher zuzuordnen wie Gesichter aus dem eigenen Kulturkreis. Dieses Ergebnis unterstreicht, dass sich die Fähigkeit, Gesichter effizient zu verarbeiten, durch soziale Interaktion verbessern lässt.

    So fällt es zum Beispiel vielen Westeuropäern schwer, Asiaten auseinanderzuhalten, denen es vice versa ebenso ähnlich ergeht. Sehen Menschen unterschiedliche Gesichter, wird das Gesichtserkennungsareal im Gehirn stets aufs Neue aktiv, doch präsentiert man dasselbe Gesicht mehrmals hintereinander, wird die neuronale Aktivität im fusiformen Gesichtsareal ab dem zweiten Mal unterdrückt, d. h., das Gesicht ist bekannt. Ähnliches passiert allerdings, wenn man Menschen mit unterschiedlicheb Gesichtern anderer Ethnien hintereinander sieht, denn das Areal für die Erkennung neuer Gesichter bleibt dann tendenziell eher passiv, d. h., man sieht scheinbar Bekanntes.

    Evolutionäre Perspektive auf die Gesichtserkennung

    Dynamische Gesichtsausdrücke sind entscheidend für die Kommunikation bei Menschen und auch bei Primaten, wobei Menschen bei der Deutung von Gesichtsausdrücken erstaunlich wenige Fehler machen, selbst wenn es sich um Phantasiefiguren handelt. Künstlichen Intelligenz hingegen kann zwar menschliche Gesichter sehr gut erkennen, versagt aber bei Phantasiefiguren, wenn sie nicht explizit zuvor darauf trainiert wurde. Aufgrund der Problematik, Form und Dynamik von Gesichtsausdrücken artübergreifend zu kontrollieren, ist noch weitgehend unbekannt, wie artspezifische Gesichtsausdrücke perzeptiv kodiert werden und mit der Repräsentation der Gesichtsform interagieren. Während gängige neuronale Netzwerkmodelle eine gemeinsame Kodierung von Gesichtsform und -dynamik vermuten, entwickelte sich die neuromuskuläre Kontrolle von Gesichtern langsamer als die Gesichtsform, was auf eine separate Kodierung hindeutet. Um diese alternativen Hypothesen zu untersuchen, entwickelten Taubert et al. (2021) dreidimensionale computeranimierte Gesichter von Menschen und Affen, die mit Motion-Capture-Daten von Affen und Menschen animiert wurden. Dabei konnte man die Bewegung der Gesichts-Avatare kontrollieren, diese entsprachen der typischen Mimik von Menschen wie auch von Affen beim Ausdruck von „Angst“ und „Ärger“, wobei der Affen-Avatar auch menschliche Gesichtsausdrücke übernehmen und der Mensch-Avatar tierische Mimik zeigen konnte.
    Die Probanden konnten die Mimik bei beiden Gesichts-Avataren gleich gut erkennen und identifizierten die menschlichen Gesichtsausdrücke auf dem Affengesicht sofort. Die Affenausdrücke, die sich sehr von den menschlichen unterschieden, erlernten sie schon nach wenigen Wiederholungen, wobei die unterschiedliche Gesichtsform des Menschen- und des Affen-Avatars für die Erkennung der emotionalen Ausdrücke keine Rolle zu spielen schien. Offenbar hat sich in der evolutionären Entwicklung des Gehirns die Anatomie der Gesichtsmuskeln nur wenig verändert, so dass Primaten und Menschen im Prinzip sehr ähnliche Gesichtsbewegungen ausführen können, obwohl die menschliche Kopfform deutlich von der des Affen abweicht, doch hat sich offenbar die Wahrnehmung an diesen Unterschied angepasst und kann deshalb die Mimik unabhängig von der Kopfform verarbeiten. Dieses Ergebnis unterstützt demnach die Hypothese einer Koevolution der visuellen Verarbeitung und der motorischen Kontrolle von Gesichtsausdrücken.

    Literatur

    Taubert, N., Stettler, M., Siebert, R., Spadacenta, S., Sting, L., Dicke, P., Thier, P., & Giese, M. A. (2021). Shape-invariant encoding of dynamic primate facial expressions in human perception. eLife, 10, doi:10.7554/eLife.61197.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Cross-Race-Effect (20-12-12)


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