Subitizing bzw. Simultanerfassung oder Ziffern-Modul bezeichnet die menschliche Fähigkeit, kleine Mengen von Objekten zu erkennen, ohne diese zählen zu müssen, wobei dieses intuitive Erfassen von Mengen bis vier offensichtlich einen angeborenen Aspekt der Wahrnehmung darstellt, während das Abzählen einer Menge über vier eine logische Fähigkeit darstellt, die erst erlernt werden muss (Stangl, 2020). Es wird auch angenommen, dass auf Subitizing die spätere Fähigkeit zum Zählen aufbaut.
In Studien mit Erwachsenen wurde festgestellt, dass die Quantifizierung von Mengen im Bereich von 1-4 schneller und mit höherer Richtigkeit erfolgt als bei Mengen zwischen 4 und 7. Dies deutet darauf hin, dass es zwei unterschiedliche Prozesse geben muss, die eine solche Quantifizierung erlauben, wobei der Bereich zwischen 4 und 5 der entscheidende Punkt zu sein scheint, bei dem ein Wechsel der Prozesse stattfindet, da hier eine Erhöhung der Antwortzeiten und eine höhere Fehlerquote auftreten. Bei Kindern ab 5 Jahren finden sich bis 4 Elemente fast keine Unterschiede in der Zeit und der Richtigkeit der Antworten beim Erkennen der Mengen, allerdings steigt die Antwortzeit ab 5 Elementen deutlich und auch die Fehlerquote ist höher.
In vielen Kulturen werden Zahlen durch Körperteile dargestellt, wobei in der westlichen Kultur meist die Finger benutzt werden, um Mengen anzuzeigen, wobei die dargestellte Anzahl von Fingern für die identische Anzahl an Gegenständen steht. Allerdings ist die Darstellung der Zahlen mit Fingern kulturell abhängig, denn die Zahl „zwei“ kann z. B. durch den Zeigefinger und den Mittelfinger dargestellt werden, oder aber durch den Daumen und den Zeigefinger. In China dagegen bedeutet diese letztere Darstellungsform entweder 7 oder 8, je nachdem ob die Finger nach unten oder nach oben zeigen. Es gibt übrigens Völker, wie die Yupno Menschen aus Papua Neu-Guinea, die keine spezifischen Wörter für Zahlen kennen, denn sie benutzen ihre Körperteile, um Mengen zu quantifizieren, sodass die einzelnen Körperteile synonym für Zahlen stehen.
Zählen unterscheidet sich vom Subitizing dadurch, dass hier nicht mehr die ganzheitliche Wahrnehmung einer Menge aktiviert wird, sondern dass es darum geht, eine Anzahl durch Eins-zu-eins Zuordnung zu gliedern, und jeder Zuordnung einen kulturell abhängigen Zahlencode zu geben, wobei der letzte Zahlencode dann die Gesamtanzahl der Menge bezeichnet. Zählen ordnet somit Mengen und dient dem genauen Feststellen von u. a. Mengen, Größen, die größer sind als der Subitizing-Bereich. Das Zählen entwickelt sich bei Kindern dabei nach folgenden Prinzipien: Zuerst zählt ein Kind jeden Gegenstand einzeln und gibt den Gegenständen auch immer die gleiche Wertigkeit, worauf die stabile Reihenfolge folgt, bei der es unwichtig ist, ob das Zählen korrekt abläuft, denn das Kind benutzt immer die gleiche Reihenfolge mit den gleichen Fehlern, etwa „eins, zwei, vier, sieben. Als letzte Stufe gilt die Kardinalität, bei der die benutzte Zahlenreihe korrekt ist und das Kind verstanden hat, dass das zuletzt benutzte Wort der Wertigkeit dieser Menge entspricht. Als Voraussetzung für das Zählen gelten dabei das Abstraktionsprinzip, d. h., die benutzten Zahlen sind unabhängig vom gezählten Gegenstand, und die Anordnungsbeliebigkeit, d. h., dass die Reihenfolge der Gegenständen beim Zählen Auswirkung auf das Ergebnis hat.
Übrigens ist eine defizitäre Simultanwahrnehmung keine belegbare Ursache für eine Dyskalkulie (Rechenschwäche), denn gezielte Trainings führen zwar zu erhöhten Trefferquoten, ohne dass dabei aber irgendein begriffliches Lernen in Bezug auf Mengen oder Zahlen stattfindet. Eine schlechte Simultanwahrnehmung findet sich auch bei Kindern mit gutem mathematischem Verständnis.
Literatur
Butterworth, B. (1999). What counts: how every brain is hardwired for math. New York: Free Press.
Kutter, Esther, F., Dehnen, Gert, Borger, Valeri, Surges, Rainer, Mormann, Florian & Nieder, Andreas (2023). Distinct neuronal representation of small and large numbers in the human medial temporal lobe. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-023-01709-3.
Stangl, W. (2001). Stufen der sensumotorischen Intelligenz. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOGNITIVEENTWICKLUNG/Sensomotorik.shtml (01-05-23)
Stangl, W. (2023, 7. Oktober). Schätzen oder Subitieren? – Psychologie-News.
https:// psychologie-news.stangl.eu/4734/schaetzen-oder-subitieren.
Wantz, M. (2008). Zahlen und Psychomotorik. motorik’. Zeitschrift für Motopädagogik und Mototherapie, 31, 82-89.
https://de.wikipedia.org/wiki/Simultanerfassung (19-12-12)