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Dammbruchargument

    Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht,
    wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
    Friedrich Dürrenmatt (Die Physiker)

    Als Dammbruchargument, auch Slippery-Slope-Argument oder Argument der schiefen Ebene, bezeichnet eine Argumentationsweise bzw. rhetorische Technik, die darin besteht, dass der Opponent den Proponenten vor dem Vollzug eines bestimmten Schritts bzw. einer bestimmten Handlung warnt und dabei behauptet, dass diese Handlung einen Damm bricht oder der Beginn einer schiefen Ebene sei, was in einer Ereigniskette weitere negative Konsequenzen zur Folge hat, daher häufig auch als Dominoeffekt oder Lawineneffet bezeichnet. Das Ziel von Argumenten der schiefen Ebene letztlich also darin, jemanden davon zu überzeugen, dass der Vollzug einer Handlung oder Praxis einen ersten Schritt bedeute, der unweigerlich weitere Schritte nach sich ziehen werde. Argumente dieses Typs werden in zahlreichen Kontexten aber auch in Alltagsdiskussionen herangezogen.

    Wer etwa in der Wirtschaft keine Reinvestitionen vornimmt, expandiert oder seine Entwicklung beschleunigt, muss bald einen Verlust von Marktanteilen und Wettbewerbsvorteilen verzeichnen und bringt damit seine Existenz in Gefahr.

    Auch in politischen Zusammenhängen wie etwa mit den Flüchtlingsbewegungen des letzten Jahrzehnts werden solche Argumentationen sichtbar, denn die zahlreichen Flüchtlinge, warnt man, seien nur der Anfang, worauf dann eine Welle von Menschen aus fremden Kulturkreisen die eigene Kultur, den gesellschaftlichen Frieden und am Ende sogar die Handlungsfähigkeit eines Staates bedrohen würde. Wehret den Anfängen!

    Im Bereich der Erziehung warnen manche etwa vor einer beschleunigten Gesellschaft, in der Eltern diese Beschleunigung auf ihre Kinder übertragen, da ein Stillstand mit einem Positionsverlust einhergeht und dieser für seinen eigenen Nachwuchs befürchtet wird. Wer sein Kind fit für das Leben machen und für einen guten Karrierestart sorgen möchte, muss damit früh anfangen, je früher, desto besser, denn ansonsten steht dem Nachwuchs der Weg in die sichere Arbeitslosigkeit und Armut bevor. Diese Beschleunigungsmentalität lässt Angebote wie fremdsprachige Kindergärten, Chinesischunterricht für Dreijährige und Computerkurse für Kleinkinder aus dem Boden schießen. Sich nicht ausreichend um die späteren Chancen für sein Kind zu kümmern, wird in der öffentlichen Meinung als verantwortungslos angesehen, wobei dieses Leistungsdenken manche Eltern sogar dazu bringt, ihr eigenes Kind mit Mitteln zum Neuroenhancement zu versorgen. So sind heute leistungssteigernde Substanzen wie Ritalin im Alltag der Schulen angekommen.

    Der Status von Argumenten des Typs Slippery-Slope ist allerdings umstritten, wobei manche Autoren es grundsätzlich für schlechte, wenn nicht gar Scheinargumente halten, sehen andere in Argumenten der schiefen Ebene einen besonderen Typ von pragmatischen Argumentationen, die als der Versuch zu verstehen seien, in einer Diskussionssituation die Beweislast zu verlagern. Wieder andere sind der Auffassung, es sei möglich, notwendige Bedingungen anzugeben, die erfüllt sein müssen, damit es sich um gute Argumente handelt.

    Literatur

    Lamb, D. (1988). Down the Slippery Slope. Arguing in Applied Ethics. London.
    Rosa, Hartmut (1999). Bewegung und Beharrung: Überlegungen zu einer sozialen Theorie der Beschleunigung. Leviathan 27, 386-414.
    Walton, D. (1992). Slippery Slope Arguments. Oxford.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dammbruchargument (19-11-21)
    https://www.spektrum.de/lexikon/philosophie/slippery-slope-argument/1888 (19-11-21)


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