Unter Gruppendynamik versteht man die Lehre von den Kräften, die in Gruppen entstehen und von Gruppen auf deren Mitglieder ausgeübt werden. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann Kurt Lewin die Lokomotionen (Bewegungskräfte) innerhalb von Gruppen zu studieren, und fand, dass Menschen einer Gruppe durch Kommunikation bzw. durch Angleichung von Haltungen und Meinungen einem gemeinsamen Ziel näher kommen. Lewin konnte zeigen, dass während der Arbeit in der Gruppe eine Dynamik entsteht, die mehr Wirkung hatte als der Vortrag eines Fachmanns.
Alle Gruppen entwickeln sich in bestimmten Phasen, deren Ablauf ähnlich erfolgt, wobei der Phasenablauf dabei nicht linear erfolgt, sondern die Gruppe kommt immer wieder auch auf frühere Phasen zurück, besonders wenn Einschnitte in der Gruppenarbeit vorhanden sind, etwa ein neuer Tag, eine Woche zwischen zwei Gruppentreffen usw. Jede Phase hat ihre besondere Erscheinungsformen, Themen, Aufgaben und Konflikte, wobei solche Phasen dabei unterschiedlich lange dauern können. Das Verständnis der Gruppenphasen ist dabei wichtig für das Verständnis der Gruppendynamik und für die Planung und Beurteilung von Impulsen zur Veränderung und Entwicklung von Gruppen, also für eine gruppendynamische Intervention.
Gruppenphasen
Bei der Entwicklung von Gruppen finden sich im allgemeinen fünf Phasen, die sich idealtypisch charakterisieren lassen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Gruppen um dynamische Systeme handelt, d.h., dass bei jedem Intragruppen-Konflikt erneut Standpunkte geklärt, Konflikte gelöst und neue Spielregeln ausgehandelt werden müssen. Jedes Ausscheiden oder Eintreten eines Mitgliedes macht mehr oder weniger eine neue Formierung der Gruppe erforderlich, wobei sich die ursprünglichen Mitglieder auf die bisherigen Gruppennormen stützen können.
Phase der Formierung der Gruppe – Orientierungsphase (forming)
Die Mitglieder versuchen zunächst, sich gegenseitig kennenzulernen. Man probiert bestimmte Verhaltensweisen aus und orientiert sich über die vorliegenden Aufgaben sowie über mögliche Wege der Zielerreichung. In dieser Phase richtet man sich nach den üblichen Verhaltensregeln, die Beziehungen sind formal und eher unpersönlich. Oft durch Verhaltensunsicherheit gekennzeichnet, aber auch durch Neugier und Vorfreude.
Phase der Auseinandersetzung – Konfliktphase (storming)
Beim Austausch von Meinungen und Vorschlägen treffen die Mitglieder mit ihren Vorstellungen, Erwartungen, Bedürfnissen und Werthaltungen aufeinander. Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten und zu konflikthaften Auseinandersetzungen. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ist noch nicht vorhanden. Manche Gruppenmitglieder und zuweilen auch der Gruppenleiter scheuen vor einer offenen Auseinandersetzung mit anderen Personen zurück.
Phase der Regelung des Gruppenlebens – Konsolidierungsphase (norming)
Als Ergebnis einer erfolgreichen Auseinandersetzung werden die gemeinsamen Ziele definiert und die Aktivitäten koordiniert, es entstehen Gruppennormen. Hierbei handelt es sich um ungeschriebene Gesetze, die einerseits die interne Organisation regeln (z.B. die Rollen der einzelnen Mitglieder), andererseits aber auch festlegen, welche Meinungen, Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen eine Person aufweisen muss, damit sie als Gruppenmitglied anerkannt wird. Die Einhaltung dieser Normen wird von der Gruppe kontrolliert und sanktioniert.
Phase der Zusammenarbeit – Durchführungsphase (performing)
Nach der erfolgreichen Bewältigung der Normierungsphase ist das Team nun in der Lage, anstehende Aufgaben gemeinsam in Angriff zu nehmen. Man hält zusammen, hilft sich gegenseitig und es erfolgt ein offener Austausch von Informationen auf der Basis gegenseitigen Vertrauens. Im Laufe der Zeit festigen sich dann im allgemeinen bestimmte Binnenstrukturen und Abläufe (z.B. Rollenstruktur, Kommunikationsstruktur).
Phase der Auflösung (adjourning)
Die Aufgaben sind abgeschlossen und die sozialen Gruppenbeziehungen werden wieder gelockert. Bei erfolgreichen Gruppen stelt sich unter Umständen Trauer über die Beendigung ein. Bei Nichtbewältigung fällt die Gruppe rasch auseinander – das kann aber schon in früheren Phasen erfolgen.
Definitionen
Gruppendynamik gehört zur sozialpsychologischen Disziplin und befasst sich mit dynamischen Zusammenhängen in und zwischen den menschlichen Gruppen. In letzter Zeit ersetzte die Gruppendynamik in erheblichen Teilen die Massenpsychologie (vgl. Eibl-Eibesfeldt, Reichstein, Schlenke, Sebening, Struck, Thiel & Zenker, 1974, S. 122).
Definition
Unter Gruppendynamik wird eine im wesentlichen wissenschaftlich fundierte, praxisbezogenen Methode verstanden, die die Arbeit und Privatleben verbessern will, und Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch Erziehung und Sozialisation, auszugleichen versucht (vgl. Däumling, Fengler, Nellessen und Svensson, 1974, S.11-12).
Definition
Gruppendynamik entsteht durch objektiv feststellbare Interaktionsfrequenz und subjektive Sympathie. Voraussetzung ist also eine wechselseitige Kommunikation zwischen Menschen, die sich in einem Raum befinden (vgl. Battegay, 1974, S. 44-45).
Definition
„Einerseits versteht man unter Gruppendynamik die theoretische und praktische Erforschung von Kleingruppen, die eine grundlegende Struktur zwischenmenschlichen Kontakts und zwischenmenschlicher Kommunikation darstellen. Solche Gruppen können sein: Freundeskreise, Arbeitsgremien, Familien – und vor allem auch Abteilungen und Team in Wirtschaftsbetrieben. Gruppendynamik heißen aber auch alle sozialpsychologischen Phänomene und Gesetzmäßigkeiten, die in Kleingruppen auftreten. Durch die Erforschung dieser Gesetzmäßigkeiten und Phänomene soll allen, die sich ständig in den verschiedensten Gruppen bewegen, ermöglicht werden, sich besser zurechtzufinden, das eigene Verhalten zu erkennen und verändern zu lernen“ (Subik, 1974, S.1)
Definition
Der Begriff Gruppendynamik hat zweierlei Bedeutung. Zum einen ist er Gegenstand eines Forschungsbereiches, der Wissen über die Natur von Gruppen zwischen einzelnen Menschen zu anderen Gruppen und zu größeren Institutionen erforscht. Dies wird meist auch als Kleingruppenforschung bezeichnet. Zum anderen ist wird er umgangssprachlich für gruppendynamische Prozesse und Methoden mit theoriefreiem Charakter verwendet.
Als gruppendynamische Prozesse und Methoden gelten zum Beispiel Rollenspiele, Prozessanalysen bis hin zu Brainstorming (vgl. Fritz, 1973, S. 9-10).
Definition
„Gruppendynamik versteht sich selbst als die Lehre von Gesetzlichkeiten vorbewusster und unbewusster Prozesse in Gruppen, unabhängig von deren Intelligenzgrad und weitgehend unabhängig von der Sozialschichtung“ (Brocher, 1982, S.40).
Literatur
Battegay, R. (1974). Der Mensch in der Gruppe. Bern: Verlag Hans Huber.
Brocher, T. (1982). Gruppendynamik und Erwachsenenbildung. Braunschweig: Deutscher Volkshochschul-Verband.
Däumling, A. M., Fengler, J., Nellessen, L. & Svensson A. (1974). Angewandte Gruppendynamik. Stuttgart: Ernst Klett Verlag.
Eibl-Eibesfeldt, I., Reichenstein, H., Schlenk, M., Sebening, F., Struck, E., Thiel, C. & Zenker, R. (1974). Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Mannheim: Bibliographisches Institut AG.
Fritz, J. (1973). Gruppendynamik und Jugendarbeit. München: Juventa Verlag.
Subik, C. (1974). Das ist Gruppendynamik. In Heintel, P. (Hrsg.), 1. Gruppendynamik: Herkunft, Geschichte und Bedeutung. München: Wilhelm Heyne Verlag.
Stangl, W. (2011). Phasen der Gruppenentwicklung. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Anfangsprobleme.shtml (2011-11-30).
Tuckman, B. (1965). Developmental Sequence in Small Groups. Psychological Bulletin, 63, 384-399.
Lipnack. J. & Stamps, J. (1998). Virtuelle Teams: Projekte ohne Grenzen. Wien: Ueberreuter.