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Aktionsforschung

    In der Aktionsforschung – action research – versuchen ForscherInnen und Untersuchte gemeinsam, die untersuchten Probleme und Fragestellungen der Untersuchung zu klären und zu lösen. Dieser Forschungsansatz beschäftigt sich meist inhaltlich mit sozialen Problemen und Interventionen in der Praxis, bei dem er die Betroffenen zu aktiven Mitbeteiligten am Forschungsprozess macht. Kennzeichnend ist, dass auch die Grenze zwischen Alltagshandeln und Forschung verschwimmt und Betroffene und Forscher gemeinsam die Ziele der angestrebten Veränderung definieren und über die Methoden zur Zielerreichung entscheiden. Dadurch wird auch das klassische Verhältnis des Forschers zu seinem Forschungsgegenstand, das Subjekt-Objekt-Modell der Forschung, aufgehoben und durch ein Subjekt-Subjekt-Modell ersetzt, d. h., Forscher und Untersuchte sind gleichberechtigte Kooperationspartner. Bei der Problemlösung wechseln Phasen der Forschung und der Aktion, also der Umsetzung von Änderungsmaßnahmen einander ab. In der Regel findet also ein Wechsel zwischen Beobachtungs-(Datengewinnung), Analyse- und Bewertungs-, Feedback- und Aktionsphase statt. Die Aktionsforschung scheint besonders dazu geeignet, informelle Regeln und Normen in einer sozialen Gruppe und selbstverständlich scheinende alltägliche Beziehungsmuster aufzudecken.

    Das Konzept der Aktionsforschung wird sowohl Jacob L. Moreno als auch Kurt Lewin zugeschrieben. Ursprünglich war Aktionsforschung vor allem eine Methode der Kultur- und sozialen Randgruppenforschung, wird inzwischen auch im pädagogischen Feld und in der Organisationsforschung eingesetzt. Üblicherweise hält sich der Forscher bzw. die Forscherin für einige Zeit im natürlichen Lebenskontext (Feld) der Betroffen auf und nimmt am Alltagsleben teil (teilnehmende Beobachtung). Umstritten ist, ob sich auf diesem Wege wissenschaftliche Einsichten gewinnen lassen, da sich auf Grund der vielfältigen Einflüsse klare Ursache-Wirkungsbeziehungen selten nachweisen lassen.

    Aktionsforschung als empirischer Forschung kennzeichnen in Abgrenzung zur traditionellen Forschung, insbesondere der experimentellen Forschung, vier wesentliche Prämissen:

    • Partizipation: der Forscher ist kein außenstehender objektiver Beobachter, sondern greift parteilich in den Forschungsprozess ein.
    • Kommunikation: zwischen Forscher und Untersuchtem findet ein Austausch statt, sodass die sozialwissenschaftliche Forschung einen gemeinsamen Lernprozess darstellt.
    • Interaktion: Sozialwissenschaftliche Forschung weist einen engen Praxisbezug auf, wobei Forscher und Untersuchte gesellschaftliche und soziale Probleme lösen.
    • Reflexion: die dialogische Struktur sozialwissenschaftlicher Forschung sorgt für eine wiederholte kritische Überprüfung und gegebenenfalls Revision der Vorgehensweise.

    Eine klassische Methode der Aktionsforschung ist die teilnehmende Beobachtung. Bei der klassischen Form der teilnehmenden Beobachtung wird ein überaus hohes persönliches Engagement der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bei der Erhebung der Daten vorausgesetzt. Aus diesem Grund wird verlangt, dass man die Forschungsergebnisse im Hinblick auf individuelle Befindlichkeiten und Probleme bei der Durchführung der Feldforschung thematisiert. Grundsätzlich werden alle Schritte der Forschung in einem Tagebuch und in Feldnotizen festgehalten, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt von den Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen selbst oder von FachkollegInnen überprüft werden können. Die quellenkritische Bewertung aller Informationen sowie Überlegungen zu dem Verlauf des Wissensgewinns sowie zu den empirischen Fallstricken gehören ebenfalls dazu.

    1. Definition

    Professionelle Fortbildung geschieht durch die Erforschung und Veränderung eigener Praxis. Typisch für diese Art professioneller Fortbildung, die man Action Research nennt, ist die enge Beziehung von Reflexions- und Aktionskomponenten der eigenen Tätigkeit: Aus der Reflexion der eigenen Aktion wird die zugrundeliegende ‚praktische Theorie‘ erarbeitet. Aus dieser können Ideen für Aktion und Veränderung abgeleitet werden. Deren Realisierung wird wieder ausgewertet und die dabei formulierten Erfahrungen zur Weiterentwicklung der ‚praktischen Theorie genutzt usw.“ (Altrichter, Wilhelmer, Sorger & Morocutti, 1989, S. 6).

    2. Definition

    Es werden von den Autoren vier Varianten der Aktionsforschung betrachtet:
    Als erste wird die Diagnostische Variante erwähnt. Bei dieser stehen die diagnostischen und ratgebenden Funktionen im Vordergrund. Die zweite Variante ist die Teilnehmende Aktionsforschung. Diese besagt, dass alle Beteiligten, die ein Handlungsprogramm durchführen sollen, von Anfang an in den Forschungsprozess miteinbezogen werden müssen. Die Empirische Aktionsforschung ist die dritte Variante. Die Grundidee dieser Variante ist, dass das eigene Handeln und die Ereignisse während einer Aktion dokumentiert werden. Die letzte betrachtete Variante ist die Experimentelle Aktionsforschung. Diese wird definiert durch die kontrollierte Forschung über die relative Effektivität von verschiedenen Handlungstechniken (vgl. Fiedler & Hörmann, 1978, S. 4ff).

    3. Definition

    “Die Vorgehensweise der Aktionsforschung beruht auf einem zyklischen Modell, das Informationssammlung – Erarbeitung von Handlungsorientierung – Handeln im sozialen Feld umfasst“ (Moser, 1977b, S. 12).

    4. Definition

    “Aktionsforschung soll LehrerInnen bzw. Lehrergruppen helfen, Probleme in der Praxis selbst zu bewältigen und Innovationen zu verwirklichen. Die bisherigen Erfahrungen mit Aktionsforschung haben gezeigt, dass Lehrende dazu in der Lage sind und dabei auch zu bemerkenswerten Ergebnissen gelangen“ (Altrichter, Wilhelmer, Sorger & Morocutti, 1998, S. 13).

    5. Definition

    “In der Aktionsforschung sind jene Menschen und Menschengruppen, welche von den Wissenschaftlern untersucht werden, nicht mehr bloße Informationsquelle des Forschers, sondern Individuen, mit denen sich der Forscher gemeinsam auf den Weg der Erkenntnis zu machen versucht“ (Moser, 1977a, S. 13).

    6. Definition

    Die Aktionsforschung ist ein Sammelbegriff für alle Ansätze innerhalb der empirischen Sozialforschung, bei denen der Forscher seine Distanz zum Forschungsobjekt bewusst aufgibt. Der Sinn dieser Haltung liegt darin, um in der gemeinsamen Interaktion mit den Probanden gemeinsam ermittelte Erkenntnisinteressen zu verfolgen. Innerhalb dieser Art der Datengewinnung über Beziehungen und Strukturen geht der Forscher selbst soziale Beziehungen mit seinen Probanden ein. In der Regel versucht die empirische soziale Forschung die Prozesse und Wechselwirkungen auf der Beziehungsebene der Forschungskommunikation im Interesse der objektiven Erkenntnis zu neutralisieren. Doch mit diesem Interesse an der Erkenntnis konkurriert ein subjektives aber auch durchaus legitimes Interesse an einer Veränderung des Bestehenden.

    Literatur

    Altrichter, H. & Posch P. (1998). Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. 3. Auflage. Bad Heilbrunn: Verlag Klinkhardt.
    Moser, H. (1977a). Praxis der Aktionsforschung. Ein Arbeitsbuch. München: Verlag Kösel.
    Moser, H. (1977b). Methoden der Aktionsforschung. Eine Einführung. München: Verlag Kösel.
    Fiedler, P. & Hörmann, G. (Hrsg.). (1978). Aktionsforschung in Psychologie und Pädagogik. Darmstadt: Verlag Steinkopff.
    Altrichter, H., Wilhelmer, H., Sorger, H. & Morocutti I. (Hrsg.). (1989). Schule gestalten: Lehrer als Forscher. Fallstudien aus dem Projekt „Forschendes Lernen in der Lehrerausbildung“. Klagenfurt: Verlag Hermagoras/Mohorjeva.
    http://www.sociologicus.de/aktionsforschung/ (16-11-21)


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