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Musiker-Dystonie

    Die Musikerdystonie – auch Musikerkrampf oder Beschäftigungskrampf – gehört zu den aufgabenspezifischen bzw. tätigkeitsbezogenen Dystonien und betrifft in der Regel jene Gliedmaßen, die Musiker im Spiel ihres Instrumentes vorrangig einsetzen. Die Störung betrifft fast ausschließlich Berufsmusiker. Meist handelt es sich um eine fokale Dystonie neurologischen Ursprungs, welche die Handmuskulatur betrifft, insbesondere Pianisten und Geiger. Die fokale Dystonie gehört zu den häufig auftretenden neurologischen Erkrankungen und äußert sich in nicht beeinflussbaren und oft lang anhaltenden Muskelkontraktionen. Die Störung ist lokal und betrifft meist Regionen des Körpers, die unter äußerster Präzision komplexe Bewegungen ausführen.

    Diese Bewegungsstörunge infolge verkrampfter Muskeln kann in manchen Fällen das Ende einer professionellen Musikerkarriere bedeuten. Diese Form der Dystonie ist dadurch gekennzeichnet, dass zwar der Bewegungsapparat im Allgemeinen intakt ist, aber beim Ausführen einer erlernten Bewegung wie etwa der Zupfbewegung an der Gitarre oder der Anschlagsbewegung am Klavier der Finger oder die Hand nicht in der Lage ist, diese Bewegung zu vollführen, während die gleiche Bewegung ohne Instrument oder in einem anderen Kontext oft völlig störungsfrei verläuft.

    Die Ursachen, die zu dieser Erkrankung führen, sind nicht bekannt, doch vermutet man eine Störung der unbewussten Regulation der Motorik im Bereich der Basalganglien im Gehirn. Einer Theorie zufolge sind die einzelnen Zentren der Abbildung im motorischen Cortex vergrößert, in dem Maße, dass sich die Regionen überlappen und somit angrenzende Motoriken ausgelöst werden. Der Mittelfinger soll sich bewegen, der Ringfinger wird aber mit angesteuert, der Ringfinger wird wieder zurückgerufen, steuert gleichzeitig den Mittelfinger an, und somit entsteht ein Teufelskreis an Bewegungsinitiation und -hemmung. Eine Musiker-Dystonie entsteht bei übermäßigem Training hochkomplexer feinmotorischer Bewegungsabläufe der Hand, insbesondere bei Geigen- oder Klavierspielern, wobei sich das Gehirn diesen Abläufen anpasst und damit einen Steuerungs- und Kontrollverlust der Fingermotorik auslöst.

    Es ist aus vielen Sportarten bekannt, dass Sportler hochgradig eingeübte Bewegungen nicht mehr fehlerfrei abrufen können (choking under pressure), wobei der Sportler plötzlich an seinem Können zweifelt oder Angst vorm Gewinnen hat – beim Tennis etwa der schwere Arm beim Volley oder Aufschlag. Ein meist unkontrollierbares Zucken (Yips) tritt häufig bei Golfspielern und hier vor allem beim Putten auf, wenn der Ball aus kurzer Distanz eingelocht werden muss. Diese körperlichen Aussetzer entstehen vor allem bei besonders geführten und kontrollierten Bewegungen, wobei die Symptome vom Krampf bis zum Zittern reichen können. Beim Freezing etwa kann ein Spieler nicht mehr mit seinem Schläger ausholen, beim Jerk gibt er dem Ball im Treffmoment oder kurz davor ruckartig eine zu hohe Beschleunigung mit auf den Weg. Von diesen Problemen sind übrigens nicht nur erfahrene leistungsstarke bzw. professionelle Spieler beim Golf betroffen, sondern auch bei anderen Präzisionssportarten wie Snooker, Dart, Tischtennis oder Sportschießen findet man solche Störungen. Beispiel: Einer der weltbesten Snooker-Spieler Stephen Hendry, der bereits im Alter von 21 Jahren die Nummer Eins der Welt war, verlor plötzlich immer wieder entscheidende Spiele, und erklärte 2010 nach einer desaströsen Vorstellung in einem Zweitrundenspiel der Weltmeisterschaft, dass er seit rund zehn Jahren unter einer fokalen Dystonie leidet.

    Oft handelt es sich um eine Verbindung von psychologischen und motorischen Ursachen, aus denen ein Teufelskreis entstehen kann. Profisportler bekämpfen solche Beschwerden oft mit speziellen Grifftechniken oder verwenden ein anderes Sportgerät, im Golf etwa einen längeren Putter mit sehr langem Schaft. Psychologisch kann man dieses Phänomen mit einem Interventionstraining behandeln, wobei es darum geht, die Bedingungen der Bewegungsausübung zu verändern bzw. zu verfremden.

    Zur Gliederdystonie zählt übrigens auch der Schreibkrampf, der heute häufiger als früher auftritt, wenn Menschen, die nur mehr den Gebrauch der Tastatur gewohnt sin, plötzlich wieder längere Texte schreiben müssen. Der Autor dieses Lexikons konnte dieses Phänomen immer wieder bei seinen StudentInnen beobachten, die bei mehrstündigen schriftlichen Prüfungen kaum mehr in der Lage waren, das Schreibgerät zu halten. Siehe dazu auch Schreibstörung.

    Literatur

    Altenmüller, E. (1996). Fokale Dystonie bei Musikern: Eine Herausforderung für die Musiker-Medizin. Musikphysiologie und Musikermedizin, 3, 29–40.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Fokale_Dystonie (17-12-03)
    https://www.biologie-seite.de/Biologie/Fokale_Dystonie (18-12-03)


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