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Neid

    Von den sieben Todsünden ist Neid die dümmste. Wer auf andere neidisch ist, fühlt sich deswegen nicht besser, sondern schlechter. Das ist bei Völlerei anders – ganz zu schweigen von Wolllust.
    Warren Buffett

    Der Neid ist eine menschliche Emotion, die sich inhaltlich auf Besitz, Eigenschaften oder auf etwas beziehen kann, was einen anderen in seiner Individualität auszeichnet. In Studien hatte sich gezeigt, dass es zwei Arten von Neid gibt: Zum einen kann Neid auf die Leistungen einer anderen Person dazu anspornen, sich selbst zu verbessern, in diesem Fall handelt es sich um eine Art konstruktiven Neid. Andererseits kann die Eifersucht dazu führen, die Leistungen des Besseren zu schmälern und ihn niedermachen zu wollen, d. h., der Neid ist hier also destruktiv (Missgunst). Wer missgünstig ist, wünscht sich, dass eine andere Person das verliert, um das sie beneidet wird, was sowohl Physisches als auch Immaterielles betreffen kann.

    Neid hängt jedoch laut Studien mit Depressionen, Unglücklichsein und geringem Selbstwertgefühl zusammen, d.h. Neid ist im Grunde keine positive Emotion, denn der Neider leidet selbst am Glück und Erfolg seiner Mitmenschen. Dem Neider geht es schlecht, weil es anderen gut geht, und er fühlt sich besser, wenn es anderen schlecht geht, denn dann empfindet er Schadenfreude. Manche behaupten übrigens, es gäbe auch einen gutartigen Neid, der die Menschen motiviert und anspornt, sich mehr anzustrengen, aber diese verwechseln Neid mit Begehren und Bewunderung. Neid ist letztlich also eine zutiefst destruktive Emotion, die weniger auf die eigene Besserstellung als auf die Schlechterstellung des Beneideten abzielt.

    Der Psychoanalytiker Günter Seidler hat sich sehr eingehend mit der Verbindung von Neid und Scham beschäftigt und unterscheidet im Prozess den Neider als Neidsubjekt, den Beneideten als Neidobjekt und den Inhalt des Neides als Neidgegenstand, während er als Neidziel als das Gefühl beschreibt, das erstrebte Gut zu besitzen, da es zusteht und man damit machen kann, was man will. Sigmund Freud spricht dem Neid keine Motivationskraft in der Entstehung neurotischer Störungen zu, während Melanie Klein den Neidgefühlen beim Kleinkind eine herausragende Bedeutung zuweist. Darauf bezieht sich auch Kernberg, wenn er die zentrale des Neides bei der Entstehung und Dynamik der narzisstischen Störung betont, denn der abgewehrte Neid stellt eine zentrale Komponente einer narzisstischen Störung dar. Um einem unangenehmen Gefühl wie Neid zu entgehen, stellt sich als Abwehr eine Form der Idealisierung ein. Grund dafür ist meist ein tiefsitzender Minderwertigkeitskomplex, der auf persönlichen Vorstellungen gegenüber Teilen der eigenen Person beruht, die von Gefühlen starker Unzufriedenheit und Selbsthass begleitet werden. Narzissten, die aufgrund ihrer hohen Selbstbezogenheit über wenig Einfühlungsvermögen verfügen, neigen vermehrt zu Neid, wobei am Beginn des Gefühls von Neid das Vergleichen mit anderen steht, das mehr oder minder unwillentlich passiert. Nicht alle Menschen empfinden Neid jedoch im gleichen Ausmaß, wobei es drei Faktoren gibt, die darüber entscheiden, ob sie mehr oder weniger Neid spüren. Die Tendenz zu Neid ist im menschlichen Erbgut verankert, was bedeutet, dass wenn Eltern zu neidischen Gefühlen neigen, es wahrscheinlich ist, dass ihre Nachkommen ebenfalls diese Veranlagung haben. Daneben werden Menschen von ihrem sozialen Umfeld beeinflusst, also von der Struktur der Gemeinschaft, ob diese kollektivistisch oder individualistisch orientiert ist. Während individualistische Gruppen die einzelne, individuelle Person ins Zentrum rücken, konzentrieren sich kollektivistische Gemeinschaften auf die Gruppe, d. h., die Gemeinsamkeiten von Menschen im Mittelpunkt stehen, wohingegen individualistische Strukturen die Unterschiede betonen. Der dritte Faktor ist psychischer Natur, denn manche Menschen lernen am Modell ihrer Eltern oder anderer wichtiger Bezugspersonen, dass das Erleben und Zeigen von Neid Vor- oder Nachteile haben kann, d. h., er kann konstruktiv oder destruktiv, förderlich oder zerstörerisch sein.

    Neid ist auch ein Affekt, der eine Beziehung zur Scham aufweist, wobei der Neid etwas anderes ist als der Wunsch nach Gerechtigkeit, sondern er kann sogar das Gerechtigkeitsgefühl verletzen. Neid ist ein durchaus normales Gefühl in einer Gesellschaft, in der Güter und Lebenschancen ungleich verteilt sind. Wer seinen eigenen Wert kennt, der fragt sich: Warum hat der andere, was ich nicht habe? Es sind gerade die Menschen mit geringem Selbstwertgefühl, die den Neid in sich unterdrücken. Sie meinen, andere hätten Erfolg und Besitz eher verdient, seien besser und müssten deswegen vom Leben bevorzugt werden. Wer ehrgeizig ist, wer was will, wer im Leben steht und nach vorne drängt, der ist in aller Regel auch neidisch und will andere neidisch machen. Neid ist daher auch ein Vergleichsaffekt, bei dem man sich in Relation zu anderen setzt. Da Neid durch Vergleiche verursacht wird, entsteht er meist im näheren sozialen Umfeld, in dem Menschen sich unmittelbar gegenüberstehen, wobei dieses Gefühl im engsten Kreis besonders problematisch ist, da dort Unterstützung und Solidarität erwartet werden. Aus evolutionärer Sicht ist das Gefühl von großer Bedeutung, denn Neid spornt auch an, bringt zum Nachdenken und sichert so das Überleben, wobei der Grundgedanke der Wunsch ist, den eigenen Selbstwert zu vergrößern und die eigene Position zu schützen.

    Männer und Frauen neigen etwa in gleichem Maß zu Neid, wobei Männer Neid jedoch tendenziell offener zeigen, da es bei ihnen gesellschaftlich weniger stigmatisiert ist, da es um Statussymbole, finanziellen Ressourcen oder beruflichen Erfolg geht. Frauen tendieren zu Neid, wenn es um körperliche Attraktivität geht, um Beliebtheit und um die Zugehörigkeit zu einer prominenten Familie.

    Zum Umgang mit Neid: Psychologen raten, die Emotion auch als förderlich zu betrachten und sie als Antrieb für eigene Leistungen zu nutzen, also aus den negativen Gedankenspiralen auszubrechen und sich auf Positives und die eigenen Fähigkeiten zu konzentrieren. Beneidende Menschen können sich auch die möglichen Folgen von destruktivem Neid vor Augen führen und Gespräche mit nahestehenden, vertrauenswürdigen Personen suchen, um gemeinsam Strategien für den Umgang auszuloten. Vor allem Nachdenken über den eigenen Umgang mit Neid kann manche Menschen entlasten, indem sie sich mit Fragen beschäftigen wie: Was hat die andere Person für ihren Erfolg geleistet und möglicherweise auch geopfert? Ergeben sich aus ihren Vorteilen auch Vorteile für mich? Was kann ich bereits gut?

    Interessanterweise fehlt in den meisten Modellen der primären Emotionen der Neid, der wohl zu den vielschichtigsten und auch den am meisten geleugneten Affekten zählt und daher in den seltensten Fällen offen geäußert wird – auch in der psychologischen Literatur ;-)<

    Das salomonische Urteil ist ein gutes Beispiel für Neid, denn zwei Mütter behaupten vor König Salomon, das lebende Kind wäre das ihrige. Für den Monarchen gibt es nur einen Weg, herauszufinden, welche der Frauen lügt: Er befiehlt, das Kind mit einem Schwert zu teilen. Während die wahre, liebende Mutter ihren Sohn freiwillig der Mitstreiterin überlassen würde, ist letztere so von Missgunst zerfressen, dass sie auch dieses Kind hätte sterben lassen.

    Ferreira & Botelho (2021) haben in einer Studie herausgefunden, dass Neid als Werbestrategie negative Markenassoziationen bei KonsumentInnen auslösen kann, wobei Verdientheit ein Schlüsselfaktor bei der Unterscheidung zwischen bösartigem und gutartigem Neid ist. Vor allem internationale Marken wie BMW oder Calvin Klein nutzen den Neid-Faktor in großem Ausmaß kalkuliert in ihren Werbekampagnen, um ihre Produkte begehrenswerter erscheinen zu lassen und das Bedürfnis danach zu steigern. Neid dient dabei als Taktik, um KundInnen anzuregen, persönliche Ziele durch den Kauf von Produkten zu erreichen, sei es mehr Schönheit, Gesundheit oder Status. Für diese Studien hatte man drei Settings erstellt: ein Berufsauswahl-Verfahren, einen Promotions-Wettbewerb und ein akademisches Austauschprogramm. Dabei wurde untersucht, welchen Einfluss persönliche Verdienste und Kontrollierbarkeit auf böswilligen Neid haben, bzw. welche Auswirkung die Abneigung gegenüber einem Mitbewerber auf das Ausmaß des gefühlten Neids hat. Böswiliger Neid trat bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer dann auf, wenn ein Mitbewerber aus ihrer Sicht etwas bekam, das er nicht verdient hatte, also etwa wenn er als faul angesehen wurde und trotzdem einen Studienplatz erhielt. Die Ergebnisse zeigen also, dass die Art und Weise, wie neidische Menschen Ursachen für die unverdienten Vorteile anderer zuschreiben, die Stärke des bösartigen Neides beeinflusst. In der bisherigen Forschung hatte man angenommen, dass gutartiger Neid auftritt, wenn der Vorteil des beneideten Individuums als verdient wahrgenommen wird. Allerdings können Menschen selbst in Fällen, in denen der Vorteil als verdient wahrgenommen wird, bösartigen Neid empfinden, wenn sie den Beneideten nicht sympathisch finden. Um also Neid erfolgreich im Marketing-Kampagnen einzusetzen, ist daher ein hohes Verständnis dafür notwendig, ob die Kampagne harmlosen oder böswilligen Neid auslösen wird. Daher sollte man beim Einsatz von Neid als Marketing-Instrument vorsichtig sein und ihn nur dann einsetzen, wenn man sicher davon ausgehen kann, dass Konsumenten zwar gutartigen,aber keinen bösartigen Neid empfinden werden. Auch sollte man in solchen Anzeigen stets auf sympathisch wirkende Identifikationsfiguren setzen statt auf doch eher umstrittene Prominente.

    In der Farbpsychologie wird übrigens dem Neid die Farbe Gelb zugeordnet.

    Literatur

    Ferreira, Kirla & Botelho, Delane (2021). (Un)deservingness distinctions impact envy subtypes: Implications for brand attitude and choice. Journal of Business Research, 125, 89-102.
    Stangl, W. (2011). Was ist Neid?. Werner Stangls Arbeitsblätter-News.
    WWW: https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/was-ist-neid/ (2011-05-15).
    Stangl, W. (2012). Emotion Psychologische Erklärungsmodelle und Theorien. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Emotion.shtml (2012-05-15).
    Mittermeier, R. (2021). Neid – woher das Gefühl kommt und wie Menschen mit ihm umgehen können.
    WWW: https://www.gmx.at/magazine/wissen/psychologie/ursachen-neid-was-kann-man-tun-35983238 (21-07-21)
    https://sachwert-magazin.de/2020/04/30/die-sechs-weisheiten-von-warren-buffett/ (23-09-09)


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    Ein Gedanke zu „Neid“

    1. Tipps zum Umgang mit Neid
      • Versuche zu verstehen, warum dein Gegenüber neidisch sein könnte und distanziere dich gegebenenfalls, wobei es wichtig ist, dass du dich nicht einschüchtern und kleinreden lässt, da sonst dein Selbstwertgefühl darunter leiden kann.
      • Wird dein Erfolg kleingeredet, so behalte die Neuigkeit beim nächsten Mal lieber für dich, denn du hast es nicht verdient, dass jemand deine Erfolgserlebnisse zunichte macht, sondern genieße sie lieber für dich und lass sie dir nicht nehmen.
      • Neid kannst du auch ins Positive wenden und als Kompliment auffassen, denn immerhin zeigt es, dass jemand anders gerne in deiner Position wäre – anscheinend machst du alles richtig.

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