Wohnpsychologie

Anzeige

Die Art und Weise, wie Räume gestaltet sind, beeinflusst Menschen  auf einer tieferen Ebene, als es den meisten bewusst ist, denn Räume wirken nicht nur funktional oder ästhetisch, sondern greifen unmittelbar in das psychische Gleichgewicht ein. Farben, Licht, Materialien, Formen und Anordnungen bestimmen, ob man sich geborgen, angespannt, kreativ oder erschöpft fühlt.

Diese Erkenntnis bildet den Kern der Wohnpsychologie, die sich mit den psychischen Wirkungen von Raumgestaltung befasst. Sie geht davon aus, dass schlecht geplante Räume zu Stress, Konzentrationsstörungen oder sogar zu Depressionen führen können, wenn sie den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen nicht entsprechen. Gebäude werden häufig nach praktischen oder optischen Kriterien entworfen, während die emotionale Wirkung auf den Menschen vernachlässigt wird. Dabei zeigen zahlreiche Studien, dass selbst kleine Unterschiede in Gestaltung und Atmosphäre deutliche Auswirkungen haben: Auffällig bunte Räume etwa können Unruhe fördern, während sanfte, harmonische Farben Entspannung begünstigen. Ebenso beeinflussen Akustik, Privatsphäre und der Zugang zu Natur das menschliche Wohlbefinden. Forschungen belegen, dass schon der Blick auf eine natürliche Umgebung Heilungsprozesse beschleunigen und Stress mindern kann. Daraus entsteht das Konzept der salutogenen Räume, also solcher, die Gesundheit und seelische Stabilität aktiv fördern.

In der Wohnpsychologie steht also die Beziehung zwischen dem Menschen und den ihn umgebenden Räumen im Mittelpunkt, d. h., es geht um die Frage, wie Räume auf Menschen wirken und auch was es zum befriedigenden Wohnen braucht. Die Wohnpsychologie beschäftigt sich demnach mit den psychologischen Kriterien für eine menschengerechte Wohnumwelt sowie mit der Wirkung dieser Wohnumwelt auf das menschliche Verhalten, Fühlen, Denken und Handeln wie auch auf die psychische Gesundheit des Individuums. Die Wohnumwelt umfasst sowohl die Innenräume als auch das Gebäude samt Freibereiche sowie das gesamte aneigenbare Wohnumfeld, also auch alle Bereiche, die zusammen als Lebensraum eines Individuums betrachtet werden können.

Die Wohnpsychologie hat ihre Wurzeln in verschiedenen Bereichen der Psychologie, wie der Umwelt-, Entwicklungs-, Sozial-, Wahrnehmungspsychologie sowie der Physiologie und den Neurowissenschaften, und schlägt eine Brücke zu Wissenschaften, die mit Planen, Bauen und Gestalten zu tun haben, also etwa Architektur, Städtebau und Siedlungswesen.

In der Grundlagenforschung versucht die Wohnpsychologie vor allem den Wirkungszusammenhängen zwischen Menschen und ihrer Wohnumwelt auf den Grund zu gehen. Sie versucht also Fragen zu beantworten, die mit menschengerechtem Lebensraum zu tun haben, welche Kriterien dieser erfüllen muss, wie Räume, Gebäude und deren Umwelt auf den Menschen selbst wirken, also sein Erleben, Verhalten, seine Entwicklung und die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Wohnpsychologie weist daher eine hohe praktische Relevanz auf, wenn es um die Planung und Gestaltung von Wohnungen, Gebäuden und Siedlungen geht, denn sie fragt konkret nach der Wirkung von Wohnung und Wohnumfeld auf die Entwicklung von Kindern? Wie beeinflussen räumlichen Strukturen das Zusammenleben der Menschen und wie prägt das Setting das Verhalten der Menschen? In der Praxis der Wohnpsychologie geht es also darum, Lebens- und Arbeitsräume so zu gestalten, dass sie psychische Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Rückzug, Erholung und Selbstentfaltung unterstützen. Dabei spielt die Individualität der Bewohnerinnen und Bewohner eine zentrale Rolle: Beruf, Lebensphase, Familienstruktur oder Persönlichkeit entscheiden mit darüber, welche Umgebung als angenehm empfunden wird. Minimalistisch eingerichtete Wohnungen können etwa kurzfristig Ruhe vermitteln, langfristig jedoch Reizarmut und Unbehagen erzeugen. Das Gehirn braucht ein gewisses Maß an visueller und sinnlicher Stimulation, um sich wohlzufühlen. Eine wohnpsychologische Analyse versucht daher, dieses Gleichgewicht zu erkennen und durch gezielte Veränderungen herzustellen. Oft reichen schon kleine Anpassungen – wärmeres Licht, weichere Materialien, Pflanzen oder eine veränderte Raumaufteilung – aus, um spürbare Verbesserungen zu erzielen.

Ziel ist es, Räume zu schaffen, die mehr sind als bloße Hüllen des Alltags: Sie sollen zur Erholung beitragen, die Leistungsfähigkeit steigern und die emotionale Stabilität fördern. Fehlende Rückzugsmöglichkeiten, mangelndes Tageslicht oder ein Gefühl von Unsicherheit können dagegen krank machen. So zeigt ein Praxisbeispiel, dass selbst ein modern gestaltetes Haus zu psychischem Leid führen kann, wenn es nicht den persönlichen Bedürfnissen entspricht. Erst der Umzug in ein passenderes Umfeld brachte dort die ersehnte Erleichterung. Die Wohnpsychologie lehrt damit, dass Räume mehr sind als Kulissen – sie sind aktive Mitgestalter unseres Lebens, die entweder Heilung fördern oder Belastung erzeugen können. Wer sie bewusst gestaltet, gestaltet zugleich die eigene seelische Gesundheit.

Siehe dazu auch die Architekturpsychologie.

Ein konkretes Beispiel: Von der historischen Rollenverteilung her ist die Küche eher die Domäne der Frau, auch wenn die Frau nicht kochen kann. Zum Konflikt komme es dann oft, wenn sich der Mann kochend in der Küche betätigen will, denn Männer kochen anders, machen z. B. eine Wissenschaft aus dem Kochen. Beim Grillen ist es natürlich umgekehrt, denn hier spielen Männer die Hauptrolle. Wenn in Räumen so grundlegende Weltanschauungen aufeinandertreffen, dann kommt es rasch zu Konflikten, denn beim Essen und bei der Essenszubereitung geht es nicht nur um Nahrungsaufnahme, sondern schlicht um das leibliche Wohl. Da das Kochen meist von Müttern tradiert wird, berührt das auch die Beziehung zur Herkunftsfamilie, so dass sich Menschen schnell angegriffen fühlen, wenn jemand die Kochkünste kritisiert.

Literatur

Deinsberger-Deinsweger, H. (2020). Habitat für Menschen. Wohnpsychologie und humane Wohnbautheorie. Teil I: Der menschengerechte Lebensraum. Pabst Science Publishers.
Perfahl, B. (2023). Wohnpsychologie für die Praxis: Wie aus Räumen ein Zuhause wird. Eberhard Blottner Verlag.
Reichl, H. (2014). Humane Lebenswelten. Eine Psychologie des Wohnens und Planens. CreateSpace Independent Publishing Platform.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wohnpsychologie (14-11-21)


Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

Schreibe einen Kommentar