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Selbstwirksamkeitserwartung

    Meinen Erfolg verdanke ich dem Umstand,
    nie auf die Menschen gehört zu haben,
    die einem dauernd sagen, was man tun soll,
    um Erfolg zu haben.
    Jack Nicholson

    Albert Bandura prägte den Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung und bezeichnete damit den Grad der Gewissheit, mit der eine Person sich die Lösung einer Aufgabe zutraut. Bei manchen Menschen ist das Glas immer „halb voll“, d.h., sie sind eher auf Erfolg eingestellt und Misserfolge werden nicht mit fehlender eigener Kompetenz erklärt, sondern ungünstigen Rahmenbedingungen oder zu geringer Anstrengungsbereitschaft zugeschrieben. Wenn die angestrebte Leistung bei einem Wettrennen nicht erreicht wurde, lag das am Gegenwind, dem welligen Streckenprofil oder fehlender bzw. zu starker Konkurrenz. Diese Menschen zweifeln nicht am eigenen Können und unternehmen mit den gewonnenen Erfahrungen einen nächsten Versuch. Menschen hingegen, bei denen das Glas „halb leer“ ist, sind eher auf Misserfolg programmiert und verarbeiten Rückschläge, indem sie die Ursache ihres Misserfolges in ihrer eigenen Person suchen und finden. Sie unternehmen keinen zweiten Versuch oder machen ihn nur halbherzig und widerwillig, d.h., sie versuchen den Misserfolg zu vermeiden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit eines zweiten Versuchs ist bei dieser Erwartungshaltung natürlich gering, ein erneutes Scheitern, das durch den Pessimismus fast vorprogrammiert ist, wirkt sich also in einer Art Teufelskreis negativ auf künftige Herausforderungen aus, sodass diese Menschen in unserem obigen Beispiel in Zukunft auf die Teilnahme an Wettkämpfen verzichten. Häufig wird versucht, generell Herausforderungen auszuweichen, sie zu verschieben oder auf andere abzuwälzen. Die geringe Selbstwirksamkeit bedeutet, dass eine grundsätzliche Angst vor neuen Aufgaben vorhanden ist, was eher ein emotionales als ein kognitives Problem darstellt.

    Ein weiteres Beispiel (Pekrun et al., 2017): SchülerInnen, die Freude an Mathematik haben und stolz auf ihre Leistungen sind, haben auch die besseren Noten, während Gefühle wie Angst, Ärger, Scham, Verzweiflung oder Langeweile mit schlechten Leistungen einhergehen. Auch führen schlechte Noten zu negativen Gefühlen in diesem Fach, was wiederum zu künftigen schlechten Leistungen führt und umgekehrt. Wer also Angst vor Mathematik hat, gerät in einen Kreislauf aus schlechten Noten und negativen Gefühlen, der sich langfristig auch in der Leistung niederschlägt, sodass eine Negativspirale entsteht. Hinzu kommt im speziellefn Fall der Mathematik, dass Mädchen im Schnitt eher weniger Freude aber mehr Angst- und Schamgefühle als Buben haben, auch wenn sie dieselben Leistungen erbringen wie diese. Dabei handelt es sich um ein klassisches Stereotyp in Bezug auf Mathematik, dass dieses Fach etwas eher für Männer ist als für Frauen.

    Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet in der Psychologie also die eigene Erwartung, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen erfolgreich selbst ausführen zu können, d.h., ein Mensch, der daran glaubt, selbst etwas zu bewirken und auch in schwierigen Situationen selbstständig handeln zu können, besitzt eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Annahme, dass man als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen kann, in der Psychologie als Kontrollüberzeugung bezeichnet. Menschen mit einem starken Glauben an die eigene Kompetenz zeigen größere Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, haben weniger Angststörungen und Depressionen bzw. weisen mehr Erfolge in der Ausbildung und im Berufsleben auf. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwatung liefert die Motivation, Ziele auch gegen Widerstände und Hindernisse zu verfolgen.

    Nach Ansicht von Experten lässt sich die Selbstwirksamkeit bis zu einem gewissen Grad erlernen bzw. erhöhen. Zunächst sollte man für Erfolgserlebnisse sorgen, denn je öfter man die Erfahrung macht, etwas aus eigener Kraft geschafft zu haben, desto selbstwirksamer wird man. Dabei ist es wichtig, sich realistische Teilziele zu stecken, denn das erhöht die Chancen, diese tatsächlich zu erreichen, wobei sich die kleinen Erfolge auf zukünftiges Handeln aus wirken, denn das Gefühl, etwas selbst in der Hand zu haben, wächst und damit die Motivation, sich einer weiteren Herausforderung zu stellen. Wichtig sind auch Modelle und Vorbilder, wobei man solche suchen sollte, die einem was Charakter und Lebenssituation betrifft ähnlich sind, damit eine Identifizierung mit dem Vorbild möglich ist. Wirksam ist auch, die Familie und Freunde um verbale Unterstützung zu bitten, denn je näher einem die Menschen stehen und je mehr man deren Meinung respektiert, desto wirksamer sind deren Ermutigungen. Albert Bandura konnte in seinen Forschungen dieses Konstrukt nachweisen, indem er zeigte, dass Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit, die ihre Erfolge auf ihre eigenen Fähigkeiten und Anstrengungen zurückführen, aktiver und positiver gestimmt an zukünftige Vorhaben herangehen, während weniger Selbstwirksame glauben, dass sie nur zufällig oder durch das Zutun anderer erfolgreich waren.

    Schon Kleinkinder lernen Durchhaltevermögen an Modellen

    Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später.
    Wilhelm Busch

    Leonard et al. (2017) ließen in einem Experiment einen Erwachsenen vor den Augen von 13 bis 18 Monate alten Kleinkindern eine Aufgabe bewältigen, etwa ein Spielzeug aus einer Box holen oder ein kleines Spielzeugtier von einem Karabiner lösen. In der Testgruppe der Hartnäckigen probierten die Erwachsenen eine Weile herum und scheiterten auch einige Male, bevor sie schließlich zum Ziel kamen, in der zweiten Gruppe der Mühelosen erreichten die Erwachsenen im gleichen Zeitraum drei Mal ohne jede Anstrengung das Ziel. Dann sollten die Kinder selber ein Musikspielzeug in Gang setzen, wobei das Spielzeug einen Knopf hatte, der aber nicht funktionierte, so dass die Kinder keinen Erfolg haben konnten. Die Kinder, die zuvor Erwachsene beim Scheitern und erneuten Probieren beobachtet hatten, gaben sich bei dieser Aufgabe mehr Mühe und drückten häufiger den Knopf, wobei jene Kinder am eifrigsten waren, die von Erwachsenen zuvor mit einbezogen worden waren, also etwa mit ihnen gesprochen hatten. Offenbar verstehen schon Kleinkinder, dass sich Anstrengung auszahlt und nutzen diese beobachtetes Verhalten für sich selbst. Allerdings bleibt offen, ob dieses Verhalten auch auf andere Situationen generalisiert werden wird.

    Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura (1997)

    • Erste Ebene: Körperliche Erregungen können einen Hinweis geben, dass die eigenen Handlungsressourcen nicht ausreichen oder zu schwach sind, wenn etwa das Herz bis zum Hals schlägt, man feuchte Hände hat oder kalter Schweiß entsteht, Stresssituation bei zu schwierigen Anforderungen erlebt.
    • Zweite Ebene: Verbales Feedback durch Andere gilt ebenfalls als Quelle zum Aufbau von Selbstwirksamkeitserwartungen, etwa „Ich weiß, dass du es schaffst!“ oder „Das hast du letzte Woche auch geschafft!“.
    • Dritte Ebene: Durch Handlungsbeobachtungen von Modellpersonen (z. B. Lehrer, Eltern) können ebenfalls Rückschlüsse auf die eigene Kompetenz gezogen werden, wobei man auch von einer stellvertretenden Erfahrung sprechen kann.
    • Vierte Ebene: Das aktive Handeln bildet die vierte und auch wirksamste Quelle der Selbstwirksamkeitserwartung, wobei  ein Scheitern oder ein Erfolg vorwiegend auf die eigene Person attribuiert wird.

    Auswüchse übertriebener Selbstwirksamkeiterwartungen

    Der Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit, dass man also selbst etwas bewegen kann, ist heute bei den Menschen stark verwurzelt, denn es heißt sehr oft, man muss nur genug wollen, dann schafft man es auch. Die Wissenschaft, insbesondere die Psychologie, hat bei vielen Menschen einen extrem hohen Stellenwert, wenn es darum geht, das Leben zu gestalten, denn Menschen orientieren sich daran, was Forscher über Glück, Resilienz, Sex, Erfolg usw. herausgefunden haben. Man vergisst jedoch dabei, dass es sich um zahlreiche kleine und kleinste meist noch unüberprüfte Hypothesen oder Theorien handelt, die einander oftmals widersprechen, und mit minimalen statistischen Zusammenhängen, die keinen Leitfaden zum richtigen Leben ergeben können, nicht alltagstagstauglich sind.

    Literatur
    Bandura, Albert (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman,
    Bontis, N., Hardie, T., & Serenko, A. (2008). Self-efficacy and KM course weighting selection: Can students optimize their grades? International Journal of Teaching and Case Studies, 1, 189-199.
    Leonard, J. A., Lee, Y. & Schulz, L. E. (2017). Infants make more attempts to achieve a goal when they see adults persist. >Science, 357, 1290–1294.
    Pekrun, R., Lichtenfeld, S., Marsh, H. W., Murayama, K. & Goetz, T. (2017). Achievement Emotions and Academic Performance: Longitudinal Models of Reciprocal Effects. Child Dev., doi:10.1111/cdev.12704.


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