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Prosozialität

    Sind wir glücklich, weil wir gut sind, oder sind wir gut, weil wir glücklich sind?
    Victor Hugo

    Prosozialität bezeichnet interaktives Handeln, das mit der Absicht ausgeführt wird und zum Wohlergehen eines anderen Menschen beitragen soll, d. h., einer konkreten Person eine Wohltat erweist, wobei der Akteur meist aus freien Stücken handelt. Prosozial ist daher ein Verhalten, das für den Handelnden in irgendeiner Form kostspielig ist, das aber anderen entweder individuell oder als Gruppe Vorteile bringt.

    Als Voraussetzung für Prosozialität bzw. prosoziales Handeln gilt Empathie, wobei Prosozialität als spezielle Form des Altruismus einen Aspekt der menschlichen Persönlichkeit darstellt und ein breites Spektrum sozialer und auch wirtschaftlicher Entscheidungen und Ergebnisse beeinflusst. 1980 wurde unter den neuen Skalen im Freiburger Persönlichkeitsinventar neben Lebenszufriedenheit, Leistungsorientierung, Beanspruchung und Gesundheitssorgen auch Prosozialität aufgenommen, und auch klassische Modelle der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften betrachten dabei Prosozialität oft als stabile Präferenz.

    Während altruistisches Verhalten meist eher rein intrinsisch motiviertes Helfen bezeichnet, also das Helfen um des Helfens willen, macht der Begriff Prosozialität bzw. prosoziales Verhalten keinen Unterscheidung zwischen subjektiven Beweggründen und äußerem Verhalten, sondern Prosozialität bezieht sich nur auf das Verhalten an sich, sieht also alles, auch die eigennützige Hilfeleistung als prosozial an.

    Zahlreiche Studien haben eine positive Beziehung zwischen Prosozialität und Wohlbefinden gezeigt, wobei weitgehend unklar blieb, wie sehr sich diese Beziehung verändert hat und die Moderatorvariablen, die sie beeinflussen. Hui et al. (2020) haben in einer Metaanalyse untersucht, wie stark die Verbindung zwischen Prosozialität und Wohlbefinden unter verschiedenen Operationalisierungen ist und wie eine Reihe von theoretischen, demographischen und methodischen Variablen die Verbindung moderiert. Zwar zeigt sich nur eine geringe mittlere Gesamteffektgröße zwischen Prosozialität und Wohlbefinden, doch gab es eine beträchtliche Variabilität des Effekts in Abhängigkeit von zahlreichen Moderatoren. Insbesondere war der Effekt der Prosozialität auf das eudaimonische Wohlbefinden (ausgeglichene Gemütslage) stärker als der auf das hedonistische Wohlbefinden (Lustgewinn). Konkret sind also zufällige Freundlichkeiten, etwa wenn man dem Nachbarn spontan dabei hilft, seine Einkäufe zu tragen, wirkungsvoller für das eigene Wohlbefinden als formalisierte, etwa, wann man regelmäßig beim Roten Kreuz arbeitet, was daran liegen könnte, dass informeller Altruismus abwechslungsreicher ist und eher neue Kontakte fördert. Altruismus, Kooperation, Vertrauen und Mitgefühl tragen in gewissem Ausmaß daher zu mentaler und körperlicher Gesundheit bei, wobei eine generelle Herzlichkeit gegenüber Mitmenschen zu einem tiefer gelegenen, mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zusammenhängendem Glücksgefühl führt. Ältere Menschen fühlen sich durch altruistisches Tun vor allem körperlich gesünder, jüngere Menschen geistig fitter und allgemein besser, während bei Frauen der Zusammenhang insgesamt deutlicher ist, was nicht zuletzt an den gesellschaftlichen Normen liegt, die ihnen mehr Sorge um andere zuschreibt als Männern.

    Untersuchungen (Böckler et al., 2018) zeigen übrigens, dass menschliche Prosozialität formbar ist und dass verschiedene Facetten der Prosozialität durch verschiedene Arten mentaler Trainings systematisch erhöht werden können. Der Aufwand dafür ist dabei nicht sehr groß, denn das dafür entwickelte Training besteht im Wesentlichen aus kurzen täglichen Praktiken, die leicht im Alltag umgesetzt werden können. Über neun Monate hinweg haben Probanden und Probandinnen an verschiedenen Formen meditations-basierter mentaler Trainings teilgenommen, wobei es in einem ersten Modul darum ging, die Aufmerksamkeit und das Körperbewusstsein zu schärfen, ähnlich wie das in Programmen zum Achtsamkeits-basierten Stressabbau geübt wird. In einem zweiten Modul (Affektmodul) standen sozioaffektive Fähigkeiten wie Mitgefühl, Dankbarkeit und prosoziale Motivation im Mittelpunkt, während im dritten Modul der flexible Blick auf sich selbst und andere sowie die Fähigkeit, einen Perspektivwechsel zu unternehmen, geschult wurde. Die Ergebnisse zeigten, dass nur das zweite Modul in der Lage war, einen direkten Einfluss auf die Motivation der Teilnehmer auszuüben, altruistischen Verhaltensweisen nachzugehen. Diese verhielten sich nach den Trainingseinheiten beispielsweise großzügiger, waren zu mehr spontaner Hilfe bereit und spendeten höhere Beiträge an gemeinnützige Organisationen.

    Literatur

    Böckler, Anne, Tusche, Anita, Schmidt, Peter & Singer, Tania (2018). Distinct mental trainings differentially affect altruistically motivated, norm motivated, and self-reported prosocial behaviour. Scientific Reports, 8, doi:10.1038/s41598-018-31813-8.
    ID – Böckler2018
    Fahrenberg, J., Hampel, R. & Selg, H. (1989, 1994). Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI) Revidierte Fassung FPI-R und teilweise geänderte Fassung FPI-A1. Göttingen: Hogrefe.
    Hui, B. P. H., Ng, J. C. K., Berzaghi, E., Cunningham-Amos, L. A., & Kogan, A. (2020). Rewards of kindness? A meta-analysis of the link between prosociality and well-being. Psychological Bulletin, doi:10.1037/bul0000298.
    Stangl, W. (2012). Das Freiburger Persönlichkeitsinventar – FPI. [werner stangl]s test & experiment.
    WWW: http://testexperiment.stangl-taller.at/testbspfpi.html (2012-10-11)


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