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Urbach-Wiethe-Syndrom

    Das Urbach-Wiethe-Syndrom ist eine genetisch bedingte Krankheit, bei der es zu einer selektiven Verkalkung von Gefäßen innerhalb der Amygdala kommt – einem Teil des limbischen Systems, sodass das Gefühl für Gut und Böse verschwindet und dadurch das Gespür für Relevantes und Irrelevantes. Gespräche mit Betroffenen haben etwas Surreales: Die Kranken ignorieren die Kernpunkte und beißen sich an zufällig ausgewählten Banalitäten fest. Ihnen fehlt also der normalerweise vorhandene Gefühlssinn dafür, was sich zu merken lohnt (Stangl, 2016). Beim Urbach-Wiethe-Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene Krankheit mit weltweit nur rund einhundert bekannten Fällen, von denen ein Großteil in Südafrika vorkommt. Die Gehirnschädigungen der Patientinnen sind ausschließlich auf eine Teilregion der Amygdala, die basolaterale Amygdala, beschränkt, die verkalkt.

    Rosenbergeret al. (2019) etwa gehen davon aus, dass durch eine defekte Amygdala Informationen über das Vertrauen zu anderen Personen nicht an die Regionen des involvierten Gehirnnetzwerks weitergeleitet werden. Vertrauen ist bekanntlich ein Grundbaustein für Beziehungen mit anderen Menschen, wobei ein naives Vertrauen zur Ausbeutung führt, während sich extremes Misstrauen in psychischen Erkrankungen wie der Paranoiden- und der Borderline-Persönlichkeitsstörung manifestiert. Wie nun gezeigt wurde, ist eine intakte Amygdala im Gehirn notwendig, um einem anderen Menschen Vertrauen zu schenken.

    Das Urbach-Wiethe-Syndrom beginnt bereits in der Kindheit mit der Ablagerung lipidhaltiger Substanzen in Haut und Schleimhäuten. Daneben zeigen sich Heiserkeit verursacht durch Ablagerungen im Kehlkopfbereich und Hauterscheinungen in Form von gelblich-weißlichen oder mehr hautfarbene, knötchenförmige Einlagerungen. Zudem finden sich Schleimhautveränderungen in typischer Weise in der Mundhöhle und im Rachen.

    Der Ausfall der Strukturen der Amygdala führt neben Einschränkungen des Gefühlslebens und Sozialverhaltens auch zu Gedächtnisstörungen, wobei die Betroffenen Schwierigkeiten haben, sich die emotionale Bedeutung von Gesichtsausdrücken zu erschließen. Die mangelnde Integration emotionaler Signale stört die soziale Interaktion und führt zu Schwierigkeiten bei Gesprächen und im Sozialverhalten. Die Folge davon können Ausgrenzung, soziale Diskriminierung, Rückzug in die Privatsphäre, Versagen in der Schule und im Beruf, Schwierigkeiten in der Partnerschaft, Isolation und Einsamkeit sein.

    In Psychopathengehirnen lässt sich ebenfalls manchmal dieses Urbach-Wiethe-Syndrom nachweisen.

    Literatur

    Rosenberger, Lisa A., Eisenegger, Christoph, Naef, Michael, Terburg, Fourie, Jorique, Stein, Dan & van Honk, Jack (2019). The human basolateral amygdala is David indispensable for social experiential learning. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2019.08.078
    Stangl, W. (2016). Gehirn, Gefühle und Emotionen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnEmotion.shtml (2016-10-05)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Urbach-Wiethe-Syndrom (2016-10-05)


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